Die Ehe kann in Deutschland nur in einem förmlichen Gerichtsverfahren vor dem örtlich zuständigen Familiengericht geschieden werden. Dabei entstehen zum einen gesetzliche Gerichtskosten, die die Ehepartner tragen müssen. Zudem herrscht im Scheidungsverfahren vor dem Familiengericht Anwaltszwang. Das heißt, der mündliche Scheidungstermin vor dem Gericht muss durch einen Anwalt wahrgenommen werden. Für dessen Tätigkeit entstehen ebenfalls Gebühren. Aus Gründen der Rechtsschutzgleichheit bezahlt der Staat die notwendigen Anwaltsgebühren und Gerichtsgebühren für Personen, die diese Kosten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation nicht selbst aufbringen können, im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe. Die Höhe der Scheidungskosten ist unterschiedlich und richtet sich vor allem nach dem Einkommen der Ehegatten.
Der Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe im Scheidungsverfahren
Verfahrenskostenhilfe kann in allen familienrechtlichen Angelegenheiten einschließlich der Scheidung zur Deckung der Prozesskosten bewilligt werden. Die Voraussetzungen dafür finden sich in den allgemeinen Vorschriften zur Prozesskostenhilfe (so heißt die Verfahrenskostenhilfe in anderen zivilrechtlichen Bereichen) der Zivilprozessordnung (ZPO). So erhält gemäß § 114 Absatz 1 ZPO „eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann“, […] „auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint“.
In 70 % der Scheidungsverfahren wird Verfahrenskostenhilfe bewilligt
Die Verfahrenskostenhilfe im Scheidungsverfahren ist übrigens alles andere als ein Ausnahmefall. Auch Personen, die eigentlich über ein durchschnittliches Einkommen verfügen, können durchaus Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe haben. Ob ein solcher Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe besteht, sollte also in jedem Fall geprüft werden.
Die Beantragung von Verfahrenskostenhilfe ist nichts, wessen man sich schämen müsste. Tatsächlich erhält sogar in der Mehrzahl aller Scheidungsverfahren in Deutschland mindestens einer der Ehepartner Verfahrenskostenhilfe. Es wird davon ausgegangen, dass dies in etwa 70 % aller Scheidungsverfahren der Fall ist – deutlich mehr, als Prozesskostenhilfe in jedem anderen zivilrechtlichen Rechtsgebiet gewährt wird.
Die Scheidung lässt sich nicht ewig aussitzen
Die hohe Bewilligungsrate von Verfahrenskostenhilfe im Scheidungsverfahren hat mehrere Gründe. Einer davon ist sicherlich, dass auf lange Sicht kein Weg an der formalen Auflösung der Ehe durch das gerichtliche Scheidungsverfahren vorbeigeht, wenn die Ehe endgültig gescheitert ist. Zwar lässt sich die Scheidung theoretisch auf die lange Bank schieben, aber aussitzen lassen sich die mit dem Fortbestand der Ehe verbundenen rechtlichen Konsequenzen nun einmal nicht. Wer trotz Trennung miteinander verheiratet bleibt, bekommt dies in vielen Lebensbereichen zu spüren. So haben die Ehepartner etwa erbrechtliche Ansprüche, die sich aufgrund des gesetzlichen Pflichtteils nicht ganz ausräumen lassen, sie sind sich zum Unterhalt verpflichtet, und Renten- und Zugewinnausgleich laufen bis zum gerichtlichen Scheidungsverfahren weiter.
Ehepartner in Trennung tun also gut daran, die Trennung irgendwann auch juristisch zu vollziehen und die Ehe zu scheiden, damit die mit der Ehe verbundenen juristischen Rechte und Pflichten beendet werden.
Dieser Handlungsbedarf besteht in anderen Rechtsgebiet nicht, in denen Betroffene, die den Gang zum Anwalt und vor Gericht sowie die damit verbundenen Kosten scheuen, ihre Ansprüche beispielsweise auf Erstattung von Schadenersatz oder Rückabwicklung eines Kaufvertrags lieber aussitzen, statt Klage einzureichen und sich um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu bemühen.
Rechtsschutzversicherungen decken Scheidungsverfahren in der Regel nicht ab
Hinzu kommt, dass es fast keinen Versicherungsrechtsschutz für das Scheidungsverfahren gibt. Scheidungswillige Ehepartner können bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht ihre Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen, um die Anwalts- und Gerichtskosten im Scheidungsverfahren zu bezahlen, so dass sie auf Verfahrenskostenhilfe angewiesen sein können.
Wer hat Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe im Scheidungsverfahren?
Dass die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe den Normalfall im Scheidungsverfahren darstellt, liegt auch an dem nach wie vor bestehenden finanziellen Ungleichgewicht zwischen den Ehepartnern. In vielen Ehen unterscheidet sich das Einkommen der Ehegatten dramatisch voneinander. Nicht zuletzt, weil zumindest bei Ehen mit gemeinsamen Kindern einer der Ehepartner wenigstens teilweise zu Hause bleibt, um sich um die Kinder zu kümmern und somit beruflich kürzer tritt, während sich der Ehepartner als Hauptverdiener weiterhin auf die berufliche Karriere konzentriert. Wenn dann im Zuge der Trennung aus einem gemeinsamen Haushalt zwei getrennte Haushalte werden, so stellt dies eine gewaltige finanzielle Mehrbelastung für die bisherigen Partner dar, was zu einem Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe zumindest des schlechter verdienenden Ehepartners führen kann. Denn bei der Berechnung der Anspruchsvoraussetzungen ist das getrennte Einkommen des einzelnen Antragstellers maßgeblich – und nicht das gemeinsame Familieneinkommen.
Bedürftigkeit des Antragstellers
Zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe bei Scheidung bedarf es der Bedürftigkeit des Antragstellers. Das heißt, dass dem Antragsteller die finanziellen Mittel fehlen, um die im Scheidungsverfahren entstehenden Anwalts- und Gerichtskosten zu tragen. Bei Beantragung der Verfahrenskostenhilfe muss der Antragsteller dem Familiengericht also Auskunft über die eigenen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erteilen und dies durch entsprechende Belege untermauern. Bemessungsgrundlage dabei ist das sogenannte „anrechnungsfähige Einkommen“. Dieses muss der Antragsteller gemäß § 115 Absatz 1 ZPO für das Scheidungsverfahren einsetzen. Nur wer über ein zu geringes anrechnungsfähiges Einkommen verfügt, hat Anspruch auf staatliche Unterstützung. Zu diesem Einkommen zählen „alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert“.
Wie wird der Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe berechnet?
Dies ist vor allem das Netto-Einkommen aus Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer einschließlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld bzw. bei Selbständigen ihre Einkünftte aus selbständiger Arbeit. Zum Einkommen gehören ferner Ansprüche aus Unterhaltszahlungen (etwa der Trennungsunterhalt vom Ehepartner), Kindergeld, Sozialleistungen (z.B. Arbeitslosengeld und Wohngeld) sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen (z.B. Aktienausschüttungen, Zinsen etc.) und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Das verwertbare Vermögen des Antragstellers
Wer über keine ausreichenden Einkünfte, aber über verwertbares Vermögen verfügt, ist dazu verpflichtet, dieses im Rahmen der Zumutbarkeit einzusetzen. Antragsteller können allerdings einen kleinen Vermögensteil – das sogenannte Schonvermögen – behalten. Als Schonvermögen brauchen gemäß § 115 Absatz 3 ZPO insbesondere „kleinere Barbeträge oder sonstiger Geldwerte“ nicht eingesetzt zu werden. Dabei ist zudem die „besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen“. Als kleinere Barbeträge im Sinne dieser Vorschrift können Antragsteller derzeit gemäß Verordnung des Bundesfamilienministeriums 5.000 Euro zuzüglich 500 Euro für jede Person, für die sie überwiegend unterhaltspflichtig sind, für sich behalten, ohne sie bei der Prüfung der Verfahrenskostenhilfe einsetzen zu müssen. Als nicht verwertbares Vermögen sind ferner u.a. ein angemessener Hausrat des Antragstellers sowie angemessenes selbst bewohntes Immobilieneigentum geschützt.
Auch Familien- und Erbstücke schützt § 115 Absatz 3 ZPO vor der Verwertung, sofern diese eine unzumutbare Härte für den Antragsteller darstellen würde. Vermögensgegenstände, die für Ausbildung oder die Ausübung des Berufs unentbehrlich sind, gehören ebenfalls nicht zum verwertbaren Vermögen des Antragstellers. Gleiches gilt für solches Vermögen, das der angemessenen zusätzlichen Altersvorsorge dient.
Immer gilt aber die Grenze der Angemessenheit und Zumutbarkeit. So kann es durchaus zumutbar sein, ein für den Arbeitsweg zwingend benötigtes Auto der gehobenen Mittelklasse zunächst zu verwerten und stattdessen einen günstigeren Wagen zu nutzen, so dass der Differenzbetrag verwertet werden kann.
Auch Lebensversicherungen mit einem Rückkaufwert von mehr als 5.000 Euro müssen in der Regel zunächst verwertet werden, sofern dies zumutbar ist. Unzumutbar kann die Verwertung einer Lebensversicherung allerdings sein, wenn sie der angemessenen Altersvorsorge dient.
Abzugsfähige Ausgaben und Freibeträge
Nachdem Einkommen und verwertbares Vermögen berechnet sind, sind von dieser Summe die laufenden Ausgaben und Freibeträge des Antragstellers abzusetzen. Die Absetzbaren Beträge sind in § § 82 Abs. 2 SGB XII (Zwölftes Sozialgesetzbuch) geregelt. Dies sind die auf das Einkommen entrichteten Steuern, Mietkosten einschließlich Mietnebenkosten, Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung, Versicherungsbeiträge, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, Beiträge zur geförderten Altersvorsorge, die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (Werbungskosten wie etwa Fahrtkosten zum Arbeitsplatz) sowie Arbeitsförderungsgeld und Erhöhungsbeträge des Arbeitsentgelts.
Abgezogen werden ferner folgende Freibeträge: Dem Antragsteller steht ein Freibetrag von derzeit 473 Euro zu. Wer erwerbstätig ist, hat einen zusätzlichen Freibetrag von 215 Euro. Hinzu kommen Freibeträge für die Personen, für die der Antragsteller aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen Unterhalt zahlt. Dies sind 377 Euro für erwachsene Personen, für die Unterhalt gezahlt (etwa ein erwachsenes, aber noch auf Unterhalt angewiesenes Kind, sowie Freibeträge in Höhe von 272 Euro für minderjährige Kinder bis 5 Jahre, für Kinder zwischen 6 und 14 Jahre 333 Euro sowie für Kinder zwischen 15 und 17 Jahre 359 Euro pro unterhaltsberechtigtes Kind.
Beispielrechnung
Die Einkommensberechnung lässt sich anhand eines Beispiels veranschaulichen:
Die berufstätige Antragstellerin hat ein Monats-Nettoeinkommen in Höhe von 1.700 Euro. Sie hat zwei Kinder im Alter von 15 und 17 Jahren. Für jedes Kind erhält sie Kindergeld in Höhe von 192 Euro. Verwertbares Vermögen hat sie nicht. Auf ihrem Konto hat sie ein Guthaben von 3.500 Euro, das als Schonvermögen nicht angetastet zu werden braucht. Sie erhält von ihrem Ehemann keinen Unterhalt, und ist diesem auch nicht zu Unterhalszahlungen verpflichtet. Ihr monatliches Einkommen beträgt demnach 2.084 Euro.
Als abziehbare Ausgaben kann sie ihre monatlich 900 Euro Mietkosten für die von ihr mit ihren Kindern bewohnte Wohnung sowie 50 Euro Fahrtkosten für ihren Weg zur Arbeit geltend machen. Ihr steht ein Freibetrag in Höhe von 473 Euro sowie aufgrund ihrer Berufstätigkeit 215 Euro und 359 Euro pro Kind zu. Dies sind insgesamt 2.356 Euro. Der Wert ihres einzusetzenden Einkommens liegt demnach unter den absetzbaren laufenden Kosten zuzüglich der ihr zustehenden Freibeträge. Sie kommt auf ein einzusetzendes Einkommen von -272 Euro und hat damit Anspruch auf Zahlung von Verfahrenskostenhilfe.
An der Beispielrechnung zeigt sich, dass Verfahrenskostenhilfe keineswegs auf bitterarme Ausnahmefälle beschränkt ist, sondern auch für Personen mit mittlerem Einkommen in Frage kommt. Es lohnt sich deshalb in jedem Fall, am Anfang eines Scheidungsverfahrens zu prüfen, ob Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe besteht.
Dabei ist allerdings immer an eventuelle noch nicht geltend gemachte Ansprüche auf Trennungsunterhalt gegen den Ehepartner zu denken. Wenn ein Anspruch besteht, so muss dieser geltend gemacht werden, da der Unterhalt zu dem anrechnungsfähigen Einkommen gehört, das auch durchgesetzt werden muss, bevor Verfahrenskostenhilfe in Anspruch genommen werden kann.
Scheidungsverfahren muss Aussicht auf Erfolg haben
Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe besteht nur, wenn das Scheidungsverfahren Aussicht auf Erfolg hat. Die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe müssen also erfüllt sein. Es bedarf also der Darlegung dieser Voraussetzungen, zu denen insbesondere der Ablauf des Trennungsjahres gehört. Nur in besonderen Härtefällen kann die Ehe bereits vor Ablauf des Trennungsjahres geschieden werden. Wenn es sich um keine einvernehmliche Scheidung handelt, so bedarf es sogar des Ablaufs von drei Jahren in Trennen. Andernfalls muss der Antragsteller die Zerrüttung der Ehe nachweisen, damit dem Scheidungsverfahren ausreichende Aussicht auf Erfolg beschieden werden kann und zugleich die Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden kann.
Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe bei Scheidung
Die Verfahrenskostenhilfe ist beim zuständigen Prozessgericht der Hauptsache zu beantragen. Welches dies ist, regelt in Familiensachen § 122 FamFG. Vorrangig ist danach das Gericht, in dessen Bezirk einer der Ehegatten mit allen gemeinschaftlichen minderjährigen Kindern seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Die Verfahrenskostenhilfe muss ausdrücklich beantragt werden – in der Regel zugleich mit dem Antrag auf Scheidung, dessen Aussicht auf Erfolg Voraussetzung für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ist. Über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse muss der Antragsteller dem Gericht dezidiert Auskunft geben. Dazu können die entsprechenden Formulare, die die Familiengerichte im Internet zum Download bereithalten, genutzt werden. Die Angaben zu Einkommen und Vermögen müssen ferner durch entsprechende Nachweise belegt werden. Dazu müssen Gehaltsabrechnungen, Steuerbescheide, Kontoauszüge etc. eingereicht werden. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe kann durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden.
Verfahrenskostenhilfe ohne Rückzahlungsverpflichtung oder als Darlehen?
Die Verfahrenskostenhilfe kann ratenfrei als staatliche Unterstützung ohne Rückzahlungsverpflichtung bewilligt werden, oder bei Antragstellern, die die Prozesskosten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation nicht auf einen Schlag aufbringen können, aber in Teilbeträgen zurückzahlen können, als Darlehen – wohlgemerkt als zinsfreies Darlehen. Wenn die Verfahrenskostenhilfe als Darlehen bewilligt wird, wird die Rückzahlung je nach Einkommens- und Vermögenssituation des Antragstellers in Raten festgesetzt. Bis zu 48 monatliche Raten können festgesetzt werden.
Wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers ändern, so können die Modalitäten der Verfahrenskostenhilfe auch nachträglich noch geändert werden. Wer arbeitslos wird und deshalb die Raten nicht mehr bedienen kann, kann von der Rückzahlung freigestellt werden oder die Höhe der einzelnen Raten kann reduziert werden. Wenn der Antragsteller hingegen später höhere Einkünfte erzielt, so kann die Rückzahlung der Verfahrenskostenhilfe auch nachträglich noch angeordnet werden.
Verfahrenskostenhilfe in anderen Familiensachen
Verfahrenskostenhilfe kann neben dem Scheidungsverfahren in allen familienrechtlichen Angelegenheiten bewilligt werden – etwa in abgetrennten Scheidungsfolgesachen wie Unterhaltsstreitigkeiten oder familiengerichtlichen Verfahren über Besuchszeiten, Umgangsrecht und Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder.
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