Quelle: DAWR
Laut Zeitungsberichten wurden vier Pflegerinnen eines Schweizer Altersheim entlassen, nachdem sie ihre Chefin beim Verzehr eines Bananensplit fotografiert hatten.
Anlass war ein Abteilungsessen der Pflegerinnen mit ihrer Stationsleiterin in einem Baseler Restaurant. Zum Dessert servierte der Kellner ein speziell dekoriertes Bananensplit, wie es die Gaststätte ihrer weiblichen Kundschaft üblicherweise an Polterabenden anbietet: In der Eisschale wurde eine aufstehende Banane mit Sahne an der Spitze drapiert.
Das Pflegepersonal nahm es mit Humor und forderte die Stationschefin auf, in die Banane zu beißen. Die Vorgesetzte spielte mit und ließ sich dabei fotografieren.
Meinungswandel: Gefühl der Belästigung erst im Nachhinein
Noch am gleichen Abend änderte die Chefin ihre Meinung und forderte ihre Mitarbeiterinnen zur Löschung der Fotos auf. Sie sei sich erst im Nachhinein bewusst geworden, nicht einfach nur in eine Banane gebissen zu haben, sondern vorgeführt worden zu sein.
Obwohl die Pflegerinnen sofort bestätigten, die Fotos umgehend gelöscht zu haben, informierte sie den Direktor des Altersheims, der die beteiligten vier Pflegerinnen daraufhin wegen sexueller Belästigung fristlos kündigte. Die fotografierte Stationschefin begrüßte später diese Entscheidung, da sie sich mit mindestens zwei der vier Pflegerinnen keine weitere Zusammenarbeit mehr habe vorstellen können.
Keine gerichtliche Überprüfung der Kündigungen: Entlassene Mitarbeiter einigten sich mit Heimleitung
Ob diese Kündigungen rechtlich wirksam waren, darf bezweifelt werden. Ein Gericht wird darüber aber nicht mehr entscheiden, da sich die Beteiligten zwischenzeitlich einigten. Die fristlosen Kündigungen wurden in ordentliche Kündigungen umgewandelt und es wurden Abfindungen ausgezahlt sowie gute Arbeitszeugnisse ausgestellt.
Sexuelle Belästigung berechtigt grundsätzlich zur außerordentlichen Kündigung
Im deutschen Arbeitsrecht bemisst sich die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung danach, ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB vorliegt. Laut Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt sexuelle Belästigung grundsätzlich einen wichtigen Grund im Sinne dieser Vorschrift dar. Ob eine außerordentliche Kündigung dann gerechtfertigt ist, bemisst sich aber immer nach den konkreten Umständen des Einzelfalls – also nach Umfang und Intensität des vorgeworfenen belästigenden Verhaltens.
Auch der Chef darf nicht sexuell belästigt werden
Rechtlich irrelevant ist, in welche hierarchische Richtung die sexuelle Belästigung getätigt wird. Verboten sind Belästigungen von Mitarbeitern durch den Vorgesetzten genauso wie anders herum oder Belästigungen unter gleichrangigen Mitarbeitern.
Ob überhaupt ein sexuelles belästigendes Verhalten vorliegt, bestimmt sich nach § 3 Abs. 4 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz). Voraussetzung ist danach, dass ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der belästigten Person verletzt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Täter die Verletzung der Würde auch beabsichtigt. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab.
Das entsprechende Verhalten muss auch unerwünscht sein. Auch dies wird nach objektiven Maßstäben beurteilt – also nicht danach, ob der Betroffene seine Ablehnung geäußert hat, sondern ob diese erkennbar war.
Wird durch sexuelles Verhalten die Würde des Belästigten verletzt?
An diesen Voraussetzungen würde der Baseler Fall wohl scheitern. Denn es spricht bereits viel dafür, dass die Würde der Bananensplit verzehrenden Stationschefin nicht verletzt wurde – zumal die Fotos auf ihre Bitte gelöscht wurden. Auch scheint nicht erkennbar gewesen zu sein, dass die Stationschefin der ganzen Situation ablehnend gegenüber gestanden hätte. Das Eisessen scheint in der Situation entstanden zu sein. Alle inklusive des Kellners gaben im Nachhinein an, den Eindruck gehabt zu haben, dass es ein lustiger Abend war und alle Spaß an dem Bananensplit hatten.
Kündigung als letztes Mittel - Abmahnung kann als Sanktion ausreichen
Überhaupt scheint es sich um eine einmalige ‚Entgleisung‘ gehandelt zu haben. In einem solchen Fall muss der Arbeitgeber prüfen, ob nicht zunächst eine Abmahnung ausreicht. Eine außerordentliche Kündigung ist nur dann auszusprechen, wenn ihm keine mildere Reaktionsmöglichkeit zumutbar ist.