Schmerzensgeld bei Verletzungen aufgrund eines VerkehrsunfallsWann haben Unfallopfer Anspruch auf Schmerzensgeld und in welcher Höhe?
Wenn bei einem Verkehrsunfall nicht nur Sachschäden an den in den Unfall verwickelten Autos entstehen, sondern auch Personen verletzt werden, stellt sich im Rahmen der Schadenregulierung die Frage nach dem Anspruch auf Schmerzensgeld für die erlittenen Verletzungen. Dann gilt es zu klären, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe der Unfallverursacher oder seine Haftpflichtversicherung Schmerzensgeld an das Unfallopfer zahlen müssen.
Das Verkehrsaufkommen auf deutschen Straßen ist unvermindert hoch und nimmt nach wie vor leicht zu. Sowohl der Personen- als auch der Güterverkehr wachsen seit Jahren. Die Straßen sind entsprechend dicht. Die Kehrseite hoher Verkehrsdichte ist die Zahl der Verkehrsunfälle. Laut statistischem Bundesamt liegt die Zahl der polizeilich erfassten Verkehrsunfälle im Jahr 2016 bei über zweieinhalb Millionen (2.585.191 Verkehrsunfälle). Dabei gab es bei 308.001 Verkehrsunfällen Personenschäden. Insgesamt sind dabei knapp 400.000 Personen zu Schaden gekommen – darunter 3.2016 Verkehrstote sowie 67.399 Schwerverletzte. Die überwiegende Zahl der verletzten Personen kam mit leichten Verletzungen davon.
Schmerzensgeld bei Personenschäden
Genauso wie der Unfallverursacher für sämtliche durch den Unfall entstandenen Sachschäden aufkommen muss – vom kleinen Kratzer im Lack bis hin zum wirtschaftlichen Totalschaden am Auto – so besteht auch grundsätzlich für jede Art und jeden Grad der Verletzung ein Anspruch auf Schmerzensgeld. Eine allgemeine Harmlosigkeits- oder Bagatellgrenze gibt es nicht, aufgrund derer der Schädiger oder seine Haftpflichtversicherung die Zahlung von Schmerzensgeld bei leichten Verletzungen pauschal ablehnen könnte.
Die Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes
Das Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall soll dem verletzten Unfallopfer Ausgleich für den erlittenen Schaden, der kein Vermögensschaden ist, verschaffen. Das ist der Schaden, der in der Gesundheitsverletzung und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und der Lebensführung des Betroffenen, den Schmerzen und Unannehmlichkeiten im Zusammenhang mit der Verletzung und dem Heilungsprozess besteht. Ferner dient das Schmerzensgeld der Genugtuung des Unfallopfers, indem mit der Zahlung des Schmerzensgeldes zum Ausdruck gebracht wird, dass der Unfallverursacher als Schädiger für seine Handlung und die dadurch ausgelösten Unfallfolgen zur Rechenschaft gezogen wird und eine Kompensation leisten muss.
Dementsprechend wirkt sich der Grad des Verschuldens auf die Schmerzensgeldbemessung aus. Bei gleichen Unfallfolgen kann das Schmerzensgeld wesentlich höher ausfallen, wenn der Unfall nicht nur durch einfache, sondern durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet wurde – ganz zu schweigen von vorsätzlichem Handeln. Als schmerzensgelderhöhender Faktor kann auch gewertet werden, wenn der Unfallverursacher bzw. seine Haftpflichtversicherung die Schadenregulierung mutwillig verzögert.
Die Nachweispflichten des Unfallopfers im Schmerzensgeldprozess
Beim Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall geht es zunächst um die Frage des „Ob“: Wann und unter welchen Voraussetzungen hat eine verletzte Person Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld gegen den Unfallgegner?
Dazu muss zunächst geklärt werden, wer den Unfall verursacht hat. Hat der Unfallgegner den Verkehrsunfall schuldhaft verursacht und lässt sich dies beweisen? Zum zweiten muss die Kausalität zwischen Unfall und Verletzungen des Unfallopfers nachgewiesen werden. Wurden die angegebenen Verletzungen durch den Unfall verursacht und lässt sich dies beweisen? Wenn dies geklärt ist, stellt sich als nächstes die Frage nach der Höhe des Schmerzensgeldes, die von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, für die wiederum der Verletzte, der die Zahlung von Schmerzensgeld beansprucht, darlegungs- und beweispflichtig ist.
Die Höhe des Schmerzensgeldes
Die Höhe des Schmerzensgeldbetrags lässt sich nur im konkreten Einzelfall ermitteln. In einer Schmerzensgeldklage steht die Bemessung des Schmerzensgeldes im Ermessen des Gerichts, das das Schmerzensgeld im Wege einer Schätzung festsetzen kann. Die Schätzung des Betrags erfolgt aufgrund verschiedener Kriterien. Allen voran sind die Art und der Grad der Verletzung maßgebliche Faktoren für die Schmerzensgeldhöhe. Die Schwere der Verletzung und die dadurch verursachte Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens und der Lebensführung des Verletzten sind bei der Wertung ebenso zu berücksichtigen wie die Dauer des Heilungsprozesses. Wie stark die notwendigen Therapien das Leben des Verletzten beeinträchtigen und wie stark die Verletzungsfolgen ihn insgesamt in seiner Lebensführung negativ belasten, kann gehört ebenfalls zu den im Rahmen eines Schmerzensgeldverfahrens zu berücksichtigenden Kriterien.
Darlegungs- und Beweislasten des Unfallopfers
Dabei steht und fällt sowohl im außergerichtlichen als auch im gerichtlichen Verfahren (die Schmerzensgeldklage), das auf die Zahlung von Schmerzensgeld gerichtet ist, alles mit dem Vortrag und den Beweisangeboten des verletzten Unfallopfers, das die Zahlung von Schmerzensgeld geltend macht. Denn der Verletzte befindet sich in der vollen Darlegungs- und Beweislast. Im zivilrechtlichen Schmerzensgeldklageverfahren kann das Gericht bei seiner Entscheidung über das Schmerzensgeld und dessen Höhe ausschließlich diejenigen Tatsachen heranziehen, die von dem Kläger ausreichend substantiiert dargelegt werden und bei Bestreiten durch den Beklagten aufgrund der Beweisangebote des Klägers bewiesen werden. Das Gericht ermittelt den Sachverhalt hingegen nicht von sich aus, da der zivilrechtliche Schmerzensgeldprozess ein sogenanntes Parteiverfahren (und kein Amtsermittlungsverfahren) ist.
Detaillierte Darlegung der Unfallfolgen und Beweisangebote
Die Frage, wer den Verkehrsunfall schuldhaft verursacht hat, kann beispielsweise durch Zeugen, die den Unfall beobachtet haben, bewiesen werden, oder durch Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens. Die Art der Verletzung, die Verletzungsfolgen und der Grad der dadurch ausgelösten Schmerzen sowie die kausale Verursachung der Verletzung durch den Unfall kann möglicherweise durch ein medizinisches Sachverständigengutachten bewiesen werden. Unfallbedingte Beeinträchtigungen der Lebensführung wie etwa Verzicht auf Teilnahme an sozialen Veranstaltungen oder die Ausübung von Hobbys, weil das Unfallopfer aufgrund der Verletzungen in seinen Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt ist, geschwächt ist oder während des Heilungsprozesses therapiebedingt im Krankenhaus oder zu Hause bleiben muss, müssen ebenfalls so detailliert wie möglich dargelegt und unter Beweis gestellt werden. Insbesondere stationäre Krankenhausaufenthalte und Operationen stellen gravierende Beeinträchtigungen für das Leben des Unfallopfers dar, die die Höhe des Schmerzensgeldes beeinflussen können und zu denen deshalb detailliert vorgetragen werden sollte.
Schmerzensgelderhöhend wirken sich auch bleibende Schäden als Unfallfolge aus. Insbesondere wenn der Verletzte aufgrund des Verkehrsunfalls und der darin zugezogenen Verletzungen chronisch unter Schmerzen leidet, ohne dass Aussicht auf Besserung besteht, oder wenn sich Narben bilden oder Körperteile dauerhaft entstellt werden, ist dies bei der Schmerzensgeldbemessung entscheidend zu berücksichtigen.
Die Schmerzensgeldtabelle
Um die Höhe des zu erwartenden Schmerzensgeldes besser einschätzen zu können, kann ein Blick in eine Schmerzensgeldtabelle weiterhelfen. Darin findet sich ein Überblick über bereits ergangene Gerichtsentscheidungen in Schmerzensgeldklagen, geordnet nach der Art der Verletzung.
Schmerzensgeldtabellen und die darin aufgelisteten Gerichtsurteile sind allerdings für die Gerichte nicht bindend. In einem neuen Verfahren kann das zuständige Gericht ganz anders entscheiden. Auch muss berücksichtigt werden, dass kaum ein Fall vollständig dem anderen gleicht. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Die gleiche Verletzung kann ganz unterschiedliche Verletzungsfolgen nach sich ziehen – etwa bei einem atypischen und besonders ungünstigen Heilungsverlauf. Der Erfolg einer Schmerzensgeldklage steht und fällt stets mit dem möglichst detaillierten Vortrag des Verletzten hinsichtlich der unfallbedingten Beeinträchtigungen. Ein pauschaler Verweis auf die Schmerzensgeldtabelle kann diesen Vortrag nicht ersetzen.
Beträge in Schmerzensgeldtabelle als Vergleichswerte
Die in der Schmerzensgeldtabelle aufgeführten Schmerzensgeldbeträge können aber zumindest zwecks einer ersten Einordnung der möglichen Schmerzensgeldhöhe herangezogen werden und je nachdem, wie vergleichbar der Sachverhalt ist, als Vergleichswert für die Höhe des geltend zu machenden Schmerzensgeldes angegeben werden.
Schmerzensgeldrente bei Dauerschäden
Das Schmerzensgeld, das der Schädiger an die bei dem Verkehrsunfall verletzte Person bezahlen muss, besteht grundsätzlich in einem einmalig zu zahlenden Kapitalbetrag. Wenn es sich um eine besonders schwere Verletzung mit der Folge eines erheblichen Dauerschadens handelt, kann neben die Verpflichtung zur Zahlung dieses einmaligen Schmerzensgeldbetrags der Anspruch auf Zahlung einer Schmerzensgeldrente treten. Ein Anspruch auf Zahlung einer Schmerzensgeldrente besteht aber nur bei außergewöhnlich schweren Verletzungen mit der Folge schwerwiegender Dauerschäden, die so gravierend sind, dass sie ständige Schmerzen des Verkehrsunfallopfers verursachen oder zu einer dauerhaften Minderung der Lebensqualität des Verletzten führen.