Schmerzensgeld bei SchädelhirntraumaWann haben Unfallopfer Anspruch auf Schmerzensgeld und in welcher Höhe?
Das Schädelhirntrauma ist eine häufige Verletzung bei Unfällen im Haushalt, beim Sport und bei Verkehrsunfällen und kommt in vielen Schweregraden vor. Wurde das Schädelhirntrauma durch einen fremdverschuldeten Unfall verursacht, so kann das Unfallopfer neben dem Ersatz seiner materiellen Schäden Schmerzensgeld vom Verursacher verlangen.
In Deutschland erleiden Schätzungen zufolge jährlich bis zu 270.000 Personen ein Schädelhirntrauma. Bei jüngeren Menschen bis zu 40 Jahren gilt das Schädelhirntrauma sogar als häufigste Todesursache. Dabei handelt es sich um einen Oberbegriff für Verletzungen des Schädels, bei denen das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen wird. Meist wird das Schädelhirntrauma durch eine äußere Gewalteinwirkung auf den Kopf ausgelöst wie etwa durch einen Schlag auf den Kopf oder durch den Aufprall des Kopfes auf einen harten Gegenstand. Das Schädelhirntrauma als Oberbegriff umfasst Verletzungen von der leichten Gehirnerschütterung bis zur schweren Hirnschädigung.
Ein prominentes Beispiel für ein schweres Schädelhirntrauma in Folge eines Sportunfalls ist Michael Schumacher, der 2013 beim Skifahren gestürzt ist und sich dabei ein schweres Schädelhirntrauma zugezogen hat.
Der Schmerzensgeldanspruch als Ausgleich für immaterielle Schäden
Zieht sich ein Unfallbeteiligter bei einem fremdverschuldeten Verkehrsunfall ein Schädelhirntrauma zu, so stellt sich im Rahmen der Unfallregulierung die Frage, ob er vom Unfallverursacher oder dessen Haftpflichtversicherung Schmerzensgeld verlangen kann. Ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld besteht neben dem Schadenersatzanspruch, der auf die Erstattung materieller Schäden wie Reparaturkosten für das Auto, Gutachterkosten und Anwaltskosten gerichtet ist. Das Schmerzensgeld dient der Kompensation für erlittene immaterielle Schäden.
Das Schädelhirntrauma
Ob Anspruch auf Schmerzensgeld besteht, hängt zunächst davon ab, ob eine entsprechende Verletzung durch den Verkehrsunfall ausgelöst wurde. Unfallopfer sollten sich auch bei leichten Erschütterungen des Kopfes dringend von einem Arzt untersuchen lassen. Denn Schädelhirntraumata sind oft nicht von außen erkennbar, da die Schädeldecke nicht beeinträchtigt sein muss. Insbesondere leichte Gehirnerschütterungen bleiben oftmals unentdeckt, was bei fehlender Behandlung und Verzicht auf körperliche Schonung zur Verschlechterung des Gesundheitszustands führen kann.
Das Schädelhirntrauma wird in drei Schweregrade unterteilt, nämlich das leichte Schädelhirntrauma (1. Grades), das mittelschwere Schädelhirntrauma (2. Grades) und das schwere Schädelhirntrauma (3. Grades). Die Einteilung erfolgt nach der Glasgow-Coma-Scale – einer Punkteskala mit 15 Punkten, anhand derer der Schweregrad der Verletzung bestimmt wird.
Leichtes Schädelhirntrauma
Die leichteste Form des Schädelhirntraumas ist die „Gehirnerschütterung“, bei der das Gehirn nicht dauerhaft geschädigt wird. Zwar kann der Betroffene bei dem Unfall kurz das Bewusstsein verloren haben und sich infolgedessen nicht an den Unfall erinnern. Jedoch wird die Hirnstruktur selbst nicht geschädigt. Akute Symptome einer Gehirnerschütterung können Übelkeit und Erbrechen, Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Sehstörungen und Störungen der Motorik sein.
Mittelschweres Schädelhirntrauma
Das mittelschwere Schädelhirntrauma wird auch als „Gehirnprellung“ bezeichnet. In Folge des Unfalls verliert der Betroffene sein Bewusstsein für mehr als fünf Minuten, aber nicht länger als 30 Minuten. Die Symptome wie Übelkeit, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Erinnerungsprobleme, Störungen der Motorik und Zustand der Verwirrtheit können länger als beim leichten Schädelhirntrauma anhalten und mit Lähmungserscheinungen und Problemen beim Sprechen einhergehen. Diese Symptome entwickeln sich in der Regel jedoch binnen eines Monats zurück. Beim mittelschweren Schädelhirntrauma wird die Hirnsubstanz geschädigt. Es kann zu Langzeitfolgen kommen.
Schweres Schädelhirntrauma
Das schwere Schädelhirntrauma wird auch „Gehirnquetschung“ genannt. Dabei wird das Gehirn verletzt, wobei es zu einer länger andauernden Bewusstlosigkeit kommt, die sich über Tage oder Wochen erstrecken kann und in besonders schweren Fällen sogar noch länger anhält. Beim schweren Schädelhirntrauma kommt es zu schweren Hirnverletzungen sowie meist zu bleibenden Schäden wie körperlichen Behinderungen. Es kann zu Blutungen und Gehirnschwellungen kommen. Bei schweren Schädelhirntraumata ist oftmals ein operativer Eingriff notwendig. Das schwere Schädelhirntrauma kann zum Tod führen.
Geschlossenes und offenes Schädelhirntrauma
Neben dieser Einteilung in Schweregrade wird zwischen dem geschlossenen und dem offenen Schädelhirntrauma unterschieden. Beim offenen Schädelhirntrauma ist der Schädel so geschädigt, dass die harte Hirnhaut verletzt ist und Hirnwasser austreten kann, was lebensbedrohlich ist.
Die Höhe des Schmerzensgeldes
Wenn der Unfall, durch den ein Schädelhirntrauma ausgelöst wurde, durch eine andere Person verursacht wurde, so kann der Verletzte die Zahlung von Schmerzensgeld für die erlittenen Schmerzen verlangen. Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von vielen Faktoren ab. Maßgeblich ist dabei die Schwere der Verletzung, die durch sie verursachten Schmerzen, der Verlauf der Heilung, die Beeinträchtigung des Lebens der verletzten Person sowie die Frage, ob Langzeitschäden als Folge des Schädelhirntraumas zurückbleiben.
Ermittlung von Vergleichswerten in Schmerzensgeldtabellen
Bei der Ermittlung des Schmerzensgeldes kann ein Blick in Schmerzensgeldtabellen eine erste Einschätzung ermöglichen. Die Schmerzensgeldtabellen sind keineswegs bindend, sondern sie geben lediglich in bereits gerichtlich entschiedenen Fällen ausgeurteilte Schmerzensgeldbeträge wieder. Die Schmerzensgeldtabellen haben keine Gesetzeskraft und sind für die Gerichte nicht bindend. Entscheidend ist immer der Einzelfall, der sich selten in allen Punkten identisch so ereignet wie der Fall, der dem in der Schmerzensgeldtabelle abgebildeten Schmerzensgeldbetrag zugrunde liegt. Dennoch können die Tabellenangaben bei der Einordnung helfen, wie viel Schmerzensgeld für eine bestimmte Verletzung erwartet werden kann.
Das Gericht entscheidet schließlich im konkreten Fall nach den Grundsätzen der Billigkeit über die Schmerzensgeldhöhe, wobei der Schaden gemäß § 287 ZPO (Zivilprozessordnung) geschätzt werden kann.
Schmerzensgeldbeträge für Schädelhirntrauma variieren stark
Die Schmerzensgeldbeträge bei Schädelhirntraumata haben eine große Bandbreite, da sie Verletzungen von leichten Gehirnerschütterungen bis zu schwersten Hirnschäden mit bleibenden Dauerschäden oder mit Todesfolge umfassen.
Sie reichen von wenigen Hundert Euro für eine leichte Gehirnerschütterung bis zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 500.000 Euro für eine schwere Gehirnschädigung.
So hat das Amtsgericht Menden mit Urteil vom 10.03.2004 (Az. 4 C 229/03) einem Mann, der infolge eines Schlags mit einer kleinen Glasflasche auf seinen Hinterkopf eine leichte Gehirnerschütterung erlitten hat, ein Schmerzensgeld in Höhe von 250 Euro zugesprochen. Der Mann hatte nach dem Schlag über Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel geklagt und verblieb für zwei Tage zur Überwachung im Krankenhaus.
Schädelhirntrauma kann hohes Schmerzensgeld rechtfertigen
Auf der anderen Seite der Skala der Schmerzensgeldbeträge steht ein Urteil des Landgerichts Münster vom 17.04.2009 (Az. 16 O 532/07), durch das einem bei einem Verkehrsunfall verletzten Mädchen ein Schmerzensgeldbetrag von 500.000 Euro zugesprochen wurde. Das zum Unfallzeitpunkt neunjährige Mädchen hatte durch den Verkehrsunfalls eine „extreme traumatische Hirnschädigung“ davongetragen, die wiederum zu verschiedenen schweren Dauerschäden geführt hatte – u.a. die vollständige Bewegungsunfähigkeit des Mädchens, fehlende Kopfkontrolle, Inkontinenz und „eine schwere, an Blindheit grenzende Sehstörung“.
Die Schmerzensgeldbeträge beim Schädelhirntrauma sind in der Regel vergleichsweise hoch, da sie meist eine längere Rekonvaleszenz nach sich ziehen.
Für ein mittelschweres Schädelhirntrauma (2. Grades) hat das Landgericht Bonn mit Urteil vom 12.02.2014 /Az. 1 O 462/09) dem Opfer eines Verkehrsunfalls ein Schmerzensgeld in Höhe von 55.000 Euro zugesprochen. Der Kläger hatte sich bei einem Verkehrsunfall ein Schädelhirntrauma 2. Grades zugezogen, was eine „dauerhafte schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensqualität“ zur Folge hatte.
In einem vom Oberlandesgericht Brandenburg an der Havel mit Urteil vom 17.01.2012 (Az. 6 U 96/10) entschiedenen Fall erhielt ein Verkehrsunfallopfer 20.000 Euro Schmerzensgeld. Bei dem Unfall hatte sich der Kläger ein Schädelhirntrauma 2. Grades zugezogen, bei dem es zu einer Gehirnblutung gekommen war. Er hatte ein substantielles Hirntrauma erlitten. Dabei war es zu einem Abriss der Riechfäden an der Riechzwiebel gekommen, wodurch er dauerhaft seinen Geruchssinn und das Vermögen, differenziert schmecken zu können, verlor.
Doppelte Beweislast des Verletzten
Ein großes Problem im Schmerzensgeldprozess wegen eines Schädelhirntraumas ist die Beweislast für das klagende Unfallopfer. Während die unmittelbare Diagnose des Schädelhirntraumas bei ärztlicher Behandlung gut nachweisbar ist, ist dies bei den den Patienten beeinträchtigenden, mit der Verletzung einhergehenden Symptomen sowie den Auswirkungen auf sein Alltagsleben nicht unbedingt der Fall. Der Kläger im Schmerzensgeldprozess steht aber in der vollen Darlegungs- und Beweislast. Das bedeutet, dass er nicht nur nachweisen muss, dass der Beklagte für die Verletzung verantwortlich ist – im Fall des Verkehrsunfalls also nachweisen muss, dass der andere Fahrer den Unfall verursacht hat – sondern er auch die Verletzung und ihre Folgen sowie die Tatsache, dass sie auf die Verletzungshandlung des Beklagten zurückzuführen sind, nachweisen muss.
Weitreichende Verletzungsfolgen des Schädelhirntraumas
Die Folgen des Schädelhirntraumas sind nicht immer medizinisch klar messbar, sondern bedürfen einer eingehenden Dokumentation durch den Verletzten. Die mit dem Schädelhirntrauma einhergehenden Schmerzen, der Heilungsverlauf sowie die Auswirkungen des Schädelhirntraumas auf das Alltagsleben müssen konkret dargelegt und unter Beweis gestellt werden. So muss der Betroffene nachweisen, wenn er in Folge des Schädelhirntraumas an Schmerzen leidet. Er muss eventuelle Schlafprobleme konkret nachweisen. Gleiches gilt für Beeinträchtigungen seiner alltäglichen Aktivitäten – etwa wenn seine Konzentrationsfähigkeit in Folge der Verletzung dauerhaft vermindert oder seine Motorik eingeschränkt ist.
Psychische Folgen des Schädelhirntraumas
Ein Schädelhirntrauma kann sich auch auf die Psyche des Betroffenen auswirken, was unter Umständen ebenfalls schwer nachweisbar ist. Veränderungen der Persönlichkeit können sich etwa erst allmählich zeigen und sind schwerlich messbar. Dies gilt auch für Gefühlsschwankungen, zu denen es in Folge eines Schädelhirntraumas kommen kann. Der Betroffene kann in Alltagssituationen schnell gereizt reagieren oder unter Gefühlsausbrüchen leiden. Manche Betroffene leiden als Langzeitfolge eines Schädelhirntraumas unter Aggressionen, während andere mit Antriebslosigkeit oder Gefühlsleere zu kämpfen haben.
Alle solche „weichen“ Faktoren sind zwar von großer Bedeutung für die Lebensqualität eines Menschen, aber sind zugleich schwer messbar und konkret auf die Verletzung zurückzuführen. Sie sind jedoch von entscheidender Bedeutung bei der Bemessung des Schmerzensgeldes. Sämtliche Punkte müssen deshalb im Schmerzensgeldprozess detailliert geschildert und unter Beweis gestellt werden – etwa durch ein einzuholendes medizinisches Sachverständigengutachten.
Berücksichtigung von Dauerschäden bei der Schmerzensgeldbemessung
Bleibt als Folge des Unfallschadens ein körperlicher Dauerschaden zurück, so ist dies bei der Schmerzensgeldberechnung zur berücksichtigen. So sollen im Schmerzensgeldprozess nicht nur die bereits erlittenen Schmerzen und Beeinträchtigungen in die Schmerzensgeldbemessung einbezogen werden, sondern auch die zukünftigen Beeinträchtigungen, soweit objektiv prognostizierbar. Laut ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sollen mit dem Schmerzensgeld, sofern dieses vom Kläger für erlittene Körperverletzungen uneingeschränkt verlangt wurde, alle Schadensfolgen abgegolten werden, „die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden“ konnten (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.02.2016, Az. VI ZR 322/04). „Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes“, so der Bundesgerichtshof weiter, „gebietet es, die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Anspruchs aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen“. Verletzungsfolgen hingegen, die zum Beurteilungszeitpunkt noch nicht objektiv vorhersehbar waren, können auch zu einem späteren Zeitpunkt noch gesondert geltend gemacht werden.
Bei der Ermittlung des Schmerzensgeldes wegen eines Schädelhirntraumas muss also untersucht werden, ob und in welcher Höhe ein Dauerschaden verbleibt. Ein wichtiger Bewertungsmaßstab für die Höhe des dafür anzusetzenden Schmerzensgeldes ist dabei der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).
Ferner ist zu ermitteln, wie sich der Dauerschaden voraussichtlich auf das Leben des Verletzten auswirken wird. Dabei sind alle Lebensbereiche in die Beurteilung einzubeziehen. Dies umfasst sämtliche Bereiche des Lebens wie die allgemeine Lebensgestaltung, die Ausübung von Hobbies, die Gestaltung des Soziallebens, die Verrichtungen des Alltagslebens, das Intimleben und das Berufsleben.
Die Schmerzensgeldrente
Grundsätzlich wird der Täter, auf dessen Handlung das Schädelhirntrauma zurückzuführen ist, zur Zahlung von Schmerzensgeld in Form eines einmaligen Kapitalbetrags verurteilt. Bei besonders schweren Verletzungen, die zu erheblichen Dauerschäden führen, kann stattdessen oder zusätzlich auch zur Zahlung einer Schmerzensgeldrente verurteilt werden. Eine solche Schmerzensgeldrente kann allerdings nur zugesprochen werden, wenn es sich um außergewöhnlich schwere Verletzungen handelt, die zu schwerwiegenden Dauerschäden führen, die ständige Schmerzen zur Folge haben oder die Lebensqualität dauerhaft erheblich beeinträchtigen.