Fast 1,5 Millionen Kilometer Stau. Die äußerst ernüchternde Bilanz eines einzigen Jahres nur auf das Netz der deutschen Autobahnen und autobahnähnlich ausgebauten Bundesstraßen bezogen. Sie alle eint, dass diese Straßen ausschließlich zum zügigen Befahren von motorisierten Fahrzeugen konzipiert wurden, die bauartbedingt mindestens 60km/h erreichen können. Stehenbleiben, Aussteigen und alles andere, das nicht mit dem Fahren zu tun hat, ist prinzipiell nicht vorgesehen. Und so gilt es, wenn die Reise im Stau erstickt, sich korrekt zu verhalten.
1. Stichwort aussteigen
Der Paragraph 18 der StVO besagt:
Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) § 18 Autobahnen und Kraftfahrstraßen
...
(8) Halten, auch auf Seitenstreifen, ist verboten.
(9) Zu Fuß Gehende dürfen Autobahnen nicht betreten. Kraftfahrstraßen dürfen sie nur an Kreuzungen, Einmündungen oder sonstigen dafür vorgesehenen Stellen überschreiten; sonst ist jedes Betreten verboten.
...
Diese Regel gilt prinzipiell für alle – auch im Stau. Doch bereits mehrere (Not-)Fälle können abweichendes Verhalten gesetzlich opportun machen:
- Pannen am eigenen Fahrzeug. In diesem Fall gilt ein genau vorgeschriebener Verhaltenskodex.
- Pannenhilfe bei anderen Verkehrsteilnehmern
- Unfälle, bei denen man als Ersthelfer agiert
In diesen und ähnlich gelagerten Fällen, bei denen es zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben bzw. weitere Unfälle notwendig ist, das Fahrzeug zu verlassen, wird i.d.R. keine Strafe drohen.
Wesentlich situationsabhängiger wird die Sachlage jedoch dann, falls ein Verkehrsteilnehmer einfach durch einen Autobahnstau zum Nichtstun verdammt wurde. Grundsätzlich gibt es dann keinen Anlass, das Fahrzeug zu verlassen – auch nicht Sommerhitze oder starker Drang einer Notdurft. In der Regel werden jedoch auch in diesen Fällen keine Strafen ausgesprochen, welche im Übrigen auch nur im Rahmen eines Verwarngeldes von zehn Euro liegen. Das gilt insbesondere bei sehr langen Staus nebst Vollsperrungen.
2. Stichwort Standstreifen
Der Standstreifen darf nur im Falle einer Panne oder zumindest Pannenhilfe betreten/befahren werden. Im Notfall natürlich auch von Rettungsfahrzeugen. Bild: fotolia.com © martinfredy
Insbesondere in den Stau-Zonen, die nahe einer Ausfahrt liegen, lassen sich sehr häufig Verkehrsteilnehmer beachten, welche die (teilweise hunderten) Meter bis zu dieser auf dem Standstreifen zurücklegen – und dabei einen Rechtsbruch begehen.
Der Paragraph 2 der StVO sagt hierzu (1) Seitenstreifen sind nicht Bestandteil der Fahrbahn. Diese „Seitenstreifen“ umfassen auch rechtlich das, was landläufig als Stand- oder Pannenstreifen bezeichnet wird. Er darf nur in drei Fällen überhaupt von privaten Verkehrsteilnehmern befahren werden:
1. Falls sie eine Panne haben
2. Falls der Seitenstreifen durch offizielle Maßnahmen (schaltbare Verkehrsschilder, Polizeiansage…) freigegeben wurde
3. Falls es, zur Bildung einer Rettungsgasse, räumlich unabdingbar ist (dieser Umstand ist jedoch in der Regel nicht gegeben)
Nur dann dürfen Fahrzeuge den Seitenstreifen befahren bzw. dort stehen. Grundsätzlich ist dieser jedoch für Einsatzfahrzeuge freizuhalten – auch wenn eine Rettungsgasse gebildet wurde.
3. Stichwort Verkehrsunfälle
Nicht immer rollt man langsam auf ein Stauende zu, das Kilometer vom eigentlichen Stau-Auslöser, etwa einem Unfall, entfernt liegt. Es kann auch direkt vor der eigenen Windschutzscheibe passieren. In diesem Fall besitzen die regulären Gesetze der StVO keine Gültigkeit und an ihre Stelle treten die Gesetzmäßigkeiten der Hilfeleistung (so festgelegt in § 323 StGB). Das heißt, man ist ungeachtet des eigenen Fähigkeitsstatus verpflichtet, anzuhalten und Hilfe zu leisten. Besonders auf einer Autobahn ist es wichtig schnell und richtig zu handeln: Angefangen beim Absichern der Unfallstelle bis hin zur Aufnahme der Kontaktdaten aller Unfallbeteiligten sowie Zeugen. Keinesfalls sollte man ohne weiteres weiterfahren. In dem Fall kann man sich unter Umständen der unterlassenen Hilfeleistung bzw. je nach Umständen sogar Unfallflucht (Paragraph 142 StGB) schuldig machen.
4. Stichwort Rettungsgasse
Die Rettungsgasse ist nicht komplex. Nur wer ganz links fährt, zieht nach links. Alle anderen ziehen nach rechts, aber nicht auf den Standstreifen. Bild: fotolia.com © fotohansel
Die umgangssprachliche Rettungsgasse (rechtlicher Begriff: Freie Gasse) ist seit einigen Jahren ein Schlagwort, mit dem auf eine Häufung von Unfällen reagiert wurde, bei denen Verkehrsteilnehmer so im Autobahnstau zum Stehen kamen, dass es nachfolgenden Rettungsfahrzeugen unmöglich wurde, zur Unfallstelle vorzudringen.
2016 wurde darauf durch die Neuordnung von Paragraph 11 der StVO reagiert. Dieser besagt nun: (2) Sobald Fahrzeuge auf Autobahnen sowie auf Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder sich die Fahrzeuge im Stillstand befinden, müssen diese Fahrzeuge für die Durchfahrt von Polizei- und Hilfsfahrzeugen zwischen dem äußerst linken und dem unmittelbar rechts daneben liegenden Fahrstreifen für eine Richtung eine freie Gasse bilden.
Auf einer zweispurigen Straße ist das Verhalten einfach: Sobald abzusehen ist, dass sich vor dem eigenen Fahrzeug Stau oder stark stockender Verkehr bildet, ziehen auf der linken Spur Fahrende so weit wie möglich zur Mittelleitplanke nach links, ziehen auf der rechten Spur Fahrende so weit nach rechts, dass der rechte Außenspiegel den durchgehenden Markierungsstreifen des Standstreifens „berührt“.
Bei drei- oder mehrspurigen Straßen hat sich ergänzend das sogenannte „Rechte-Hand-Prinzip“ etabliert (benannt nach der Lücke zwischen Daumen und den anderen Fingern). Auf der Autobahn sieht es folgendermaßen aus:
- Auf der äußersten linken Spur Fahrende ziehen so weit wie möglich zur Mittelleitplanke nach links
- Fahrende auf allen anderen Spuren ziehen so weit wie möglich nach rechts
- Auf der äußersten rechten Spur fahrende ziehen so weit nach rechts, dass abermals der rechte Außenspiegel den durchgehenden Markierungsstreifen des Standstreifens berührt, aber der Streifen selbst freibleibt.
Auf einer dreispurigen Autobahn entstünde so eine Rettungsgasse, welche jeweils zur Hälfte auf der linken und mittleren Spur liegt.
5. Stichwort Geschwindigkeit
Autobahnen sind die einzigen Straßen, auf denen sich das Verkehrszeichen Nr. 282 finden lässt „Ende aller Streckenverbote“. Vier diagonale, schwarze Streifen vor einem weißen Hintergrund. Für diesen Fall gilt auch ohne weiteres Verkehrszeichen eine sogenannte Richtgeschwindigkeit von 130km/h – zumindest für Fahrzeuge ohne Anhänger mit einem Gesamtgewicht bis 3,5t. Allerdings ist dieses Tempo nicht verpflichtend. Prinzipiell darf hinter Verkehrszeichen 282 so schnell gefahren werden, wie es das Fahrzeug zulässt. Allerdings mit einem Passus: Die Freiheit endet bei Unfällen.
Je nach Situation kann jede Geschwindigkeit oberhalb der 130km/h bei Unfällen dazu führen, dass auch einen ansonsten nichtschuldigen Fahrer eine Mitschuld treffen kann. Anwälte für Verkehrsrecht raten deshalb dazu, trotz alledem die Richtgeschwindigkeit einzuhalten und um nicht mehr als 10km/h zu überschreiten.
Bei der Mindestgeschwindigkeit hingegen herrscht oft ein Unglaube vor, der sich auf 60km/h bezieht. Zwar ist diese Zahl richtig, sie ist jedoch nicht die zentrale Mindestgeschwindigkeit auf Autobahnen. Vielmehr dient sie nur als Definition dafür, welche Fahrzeuge auf Autobahnen fahren dürfen. Nämlich all jene, bei denen die Bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit nach § 30a StVZO mehr als 60km/h betrifft.
Was die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit anbelangt, muss so gefahren werden, wie es der Verkehrsfluss zulässt. In stockendem Verkehr kann das auch (weit) unter 60km/h liegen – allerdings sei darauf hingewiesen, dass anlassloses „Schleichen“ ebenso untersagt ist. In diesem Fall greift Paragraph 1 der StVO (2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. In schweren Fällen („Erziehen“ von Schnellerfahrenden durch bewusstes Langsamfahren) kann auch Nötigung hinzukommen.
Fazit
Autobahnen und autobahnartige Bundesstraßen sind Sonderfälle des Verkehrsnetzes. Als wichtigste Verhaltensregeln sollte man beim Befahren immer im Hinterkopf behalten: 1) Rechtsfahrgebot, 2) Richtgeschwindigkeit 3) Halten und Aussteigen verboten. Und so lange der Verkehr rollt, macht man damit auch nichts falsch. Wenngleich natürlich immer gilt: Ausnahmen setzen bestehende Regelungen mitunter außer Kraft.