Eine 51 Jahre alte Frau leidet an beiden Beinen an einem schmerzvollen Lipödem - sog. Reiterhose - im schwersten Stadium. Dadurch hat sie starke Bewegungsbeeinträchtigungen hinzunehmen und weitere Beschwerden resultieren aus der fortgeschrittenen Arthrose in den Kniegelenken.
Krankenkasse: Operative Maßnahmen zunächst wegen „zu neuer“ Behandlungsmethode abgelehnt
Die konservativen Behandlungsmaßnahmen wie manuelle Lymphdrainage, Kompressionsbehandlung und Gewichtsreduktion blieben ohne Erfolg. Aber andere Maßnahmen wollte die Krankenkasse nicht übernehmen: Die Übernahme der Kosten für eine stationäre operative Fettabsaugung wurde mit der Begründung abgelehnt, die Behandlungsmethode sei zu neu. Eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschuss, der den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen vorgibt, gebe es für den Nutzen der Behandlung nicht. Auch sei die Therapie nicht für den ambulanten Bereich zugelassen. Eine etwaige Umgehung durch Ausweichen auf eine stationäre Behandlung sei nicht möglich.
SG Dresden: Krankenkassen müssen zahlen!
Das Sozialgericht Dresden (Urteil vom 13.03.2015 - Az. S 47 KR 541/11) ist dieser Argumentation nicht gefolgt: Die Kosten seien durch die Krankenkasse zu übernehmen. Allein durch die Fettabsaugung könne eine deutliche Schmerzlinderung, eine Verbesserung der Berührungsempfindlichkeit, ein Fortschritt der Beweglichkeit und eine bessere psychische Gesamtsituation der Klägerin erreicht werden. Und darum geht es doch schließlich – das Wohl des Patienten an oberster Stelle. Auch sei nur eine stationäre Behandlung möglich, denn ohne Infusion zum Ausgleich des Flüssigkeitshaushalts sei die Absaugung nicht möglich. Außerdem erfordert auch das hochdosierte Schmerzmittel eine ständige Überwachung des Patienten, die nur stationär gewährleistet werden kann.
Neue Behandlungsmethoden im stationären Bereich kein Problem
Anders als bei neuen Behandlungsmethoden im ambulanten Bereich, seien laut SG Dresden im stationären Bereich neue Behandlungsmethoden grundsätzlich zugelassen. Diese dürfen nur nicht durch den Gemeinsamen Bundesausschuss negativ beurteilt und müssen durch wissenschaftliche Studien überprüft worden sein. Für die 51-jährige Dame bestand keine Alternative: In deren Erkrankungsstadium führe jede andere Entscheidung zu einer faktischen Behandlungsverweigerung.
Für Betroffene, versichert bei gesetzlichen Krankenkassen, kann diese Entscheidung des SG Dresden, wie auch eine neuere des Hessischen Landessozialgerichts (Urteil vom 05.02.2013, Az.: L 1 KR 391/12) wegweisend sein. Sobald neben ästhetischen Problemen echte gesundheitliche (physische und/oder psychische) Beeinträchtigungen vorhanden sind, können die Krankenkassen nun verpflichtet sein, die Kosten für eine stationäre Fettabsaugung zu tragen. Diesen sogenannten Krankheitswert im Einzelfall nachzuweisen kann schwierig sein. Um dies bestmöglich zu verwirklichen, muss ein etwaiger Antrag bei der Krankenkasse sowohl medizinisch als auch juristisch sorgfältig aufbereitet sein.