Gravierende Unterschiede bei den Bewährungsauflagen
In dem nun entschiedenen Nürnberger Fall kam es zwar auch zu einer ehrrührigen Veröffentlichung in einem sozialen Netzwerk. Die Bewährungsauflage war aber deutlich gravierender als beim AG München: Statt eines halbjährigen Facebook-Verbotes untersagte das Amtsgericht Nürnberg für drei ganze Jahre die Nutzung aller sozialer Netzwerke.
Angeklagte wurde wegen Verleumdung zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt
Die Angeklagte hat den Geschädigten in einem sozialen Netzwerk wahrheitswidrig der Pädophilie bezichtigt. Das ist fraglos eine Verleumdung. Die geständige und reuige Angeklagte konnte daher die – wenn auch harte – Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten auf Bewährung akzeptieren.
Angeklagte erhielt zusätzlich ein Verbot zur Nutzung sozialer Netzwerke
Zusätzlich zu einer empfindlichen Zahlungsauflage verbot das Amtsgericht der Angeklagten, während der Bewährungszeit soziale Netzwerke zu nutzen. Wörtlich heißt es im Bewährungsbeschluss: „Der Angeklagten wird auf die Dauer der Bewährungszeit die Nutzung sozialer Netzwerke im Internet – wie zum Beispiel Facebook und Twitter – verboten. Sie hat die Einhaltung dieses Verbots nach näherer Weisung der Bewährungshelferin regelmäßig nachzuweisen.“
Auf Grund der Beschwerde der Angeklagten hob das Landgericht den Bewährungsbeschluss ersatzlos auf
Die vom Amtsgericht getroffene Anordnung war gesetzeswidrig. Deshalb wurde sie vom Landgericht aus mehreren Gründen ersatzlos gestrichen.
Die Weisung war nicht hinreichend bestimmt. Es ist bereits unklar, was unter dem Begriff „Soziales Netzwerk“ zu verstehen ist. Zwar gibt es eindeutige Fälle, wie Facebook, Twitter oder Google Plus. Was ist aber mit Diensten, die ähnliche Funktionen haben? So kann man zum Beispiel trefflich darüber streiten, inwiefern WhatsApp oder die Kommentarfunktionen von Nachrichtenseiten den Charakter sozialer Medien haben. Um eine Weisung hinreichend konkret und befolgungsfähig zu machen, ist eine konkrete Benennung der betroffenen Seiten erforderlich.
Außerdem ist nicht klar, was unter „Nutzung“ zu verstehen ist. Legt man eine weite Auslegung dieses Begriffs zu Grunde, wäre sogar das bloße Aufrufen entsprechender Seiten im Internet vom Verbot umfasst.
Unzulässigkeit der Bewährungsauflage, da die Einhaltung nicht überprüfbar ist
Die Bewährungsauflage war darüber hinaus unzulässig, weil ihre Einhaltung nicht überprüfbar ist. So könnte sich die Verurteilte etwa der Überprüfung entziehen, indem sie Social-Media-Accounts auf Alias-Personalien anlegt. Im konkreten Fall kam hinzu, dass Computer und Internetanschluss der Angeklagten von weiteren Personen benutzt werden. Selbst eine Überprüfung des Browser-Verlaufes hätte nicht nachvollziehbar machen können, wer welche Internetdienste tatsächlich genutzt hat. Unabhängig davon hätte die Verurteilte die Möglichkeit, durch den Besuch eines Internetcafés die eigene Nutzung geheim zu gestalten. Eine Kontrolle des Social-Media-Verbots ist daher bereits im Ansatz nicht möglich.
Deutlich erklärt das Landgericht, dass es eine derartige Weisung auch nicht für sinnvoll erachtet, um einen Verurteilten von weiteren Straftaten abzuhalten. Das Verbot ehrverletzender Äußerungen ergibt sich, wie das Landgericht lapidar ausführt, schon aus dem Strafgesetzbuch selbst.
Rechtlicher Hintergrund
Von einer Freiheitsstrafe auf Bewährung spürt ein Verurteilter erst einmal nichts, obwohl die Bewährungsstrafe eigentlich eine härtere Sanktion als eine Geldstrafe ist. Damit sich das Urteil für den Delinquenten nicht wie ein Freispruch anfühlt, sieht das Gesetz Bewährungsauflagen vor.
Dabei gibt es einen Unterschied zwischen Auflagen im engeren Sinn, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen (§ 56b StGB) und Weisungen, die den Verurteilten unterstützen sollen, künftig keine Straftaten mehr zu begehen (§ 56c StGB). Für die Auflagen mit Strafcharakter gibt es einen abgeschlossenen Katalog: Geldzahlungen an den Geschädigten, an die Staatskasse oder an gemeinnützige Organisationen oder gemeinnützige Leistungen, also Arbeitsstunden. Hinsichtlich der spezialpräventiven Weisungen billigt das Gesetz den Gerichten größeren Spielraum zu. Der Katalog möglicher Weisungen in § 56c StGB ist nicht abschließend. Grundsätzlich können Richter bei der Erteilung von Weisungen durchaus kreativ sein.
Gericht hat mit der Entscheidung die Spielräume bei der Verhängung von Bewährungsstrafen konkretisiert
Der Phantasie sind jedoch auch Grenzen gesetzt. Die Weisungen müssen zum einen den Zwecken des Gesetzes dienen und dürfen zum anderen an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen stellen. Hinsichtlich des Verbotes, soziale Netzwerke zu nutzen, hat das Landgericht Nürnberg-Fürth durch die nun ergangene Entscheidung die Spielräume bei der Verhängung von Bewährungsauflagen konkretisiert.
Fazit
Social-Media-Verbote gehörten bislang nicht zum richterlichen Standardrepertoire der Bewährungsauflagen – aus gutem Grund.
Auf den ersten Blick mag eine derartige Bewährungsauflage als modern, innovativ und kreativ erscheinen. Bei genauerer Betrachtung erkennt man aber, dass der dahinterliegende Zweck nur eine zusätzliche Bestrafung sein kann. Eine zusätzliche Bestrafung sieht das Gesetz aber im Rahmen einer Weisung nach § 56c StGB gerade nicht vor.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth stellt erfreulich deutlich und unmissverständlich fest, dass ein generelles Verbot, soziale Netzwerke zu benutzen im Rahmen eines Bewährungsbeschlusses gegen das Gesetz verstößt.
Mit anderen Worten: Ein Computer- und Internetverbot ist vielleicht ein probates Erziehungsmittel für Eltern unfolgsamer Zöglinge. Als Weisung in einem Bewährungsbeschluss sind derartige Verbote untauglich. Es ist nicht Aufgabe des Strafprozesses, erwachsene Menschen zu erziehen.