Am 11. Juni 1994 wurde der Paragraf 175 abgeschafft. 123 Jahre lang hatte dieser einvernehmlichen Sex zwischen erwachsenen Männern unter Strafe gestellt.
Weit über 50.000 Männer wurden in der Bundesrepublik nach 1949 wegen homosexueller Handlungen verurteilt (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.08.1953, Az. 2 StR 160/53; Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.11.1961, Az. 4 StR 70/61) . Bis heute sind die Urteile nicht aufgehoben worden, die Menschen nicht rehabilitiert.
§ 175 StGB stand als Symbol für die Unterdrückung Homosexueller
„Diese schweren Menschenrechtsverletzungen an schwulen Männern im demokratischen Staat müssen endlich umfassend aufgearbeitet werden“, fordert Manfred Bruns, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD). § 175 stehe als Symbol für die Unterdrückung, Verfolgung und Einkerkerung von Menschen nur weil sie anders liebten. Gerade angesichts der brutalen Verfolgungsgeschichte gegenüber homosexuellen Menschen sei es unfassbar, dass starke politische Kräfte bis heute volle Gleichstellung bekämpfen und selbst eine angemessene Behandlung von Homosexualität im Schulunterricht massiv anfeinden. Vorurteile und Homophobie sind weiterhin virulent.
LSVD fordert rechtliche Gleichstellung
Als Konsequenz aus der Geschichte des § 175 fordert Bruns: „Endlich volle rechtliche Gleichstellung durch Öffnung der Ehe. Nur wenn Deutschland in der eigenen Gesetzgebung gleiches Recht für alle schafft, kann es auch international glaubwürdig gegen Menschenrechtsverletzungen auftreten“.
Auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die damals Justizministerin war, zeigte sich zufrieden und begrüßte, dass die Intoleranz der Vergangenheit gegenüber homosexuellen Menschen keine Mehrheitsmeinung mehr sei. Die Gesellschaft habe sich gewandelt, betonte die Liberale: „Wir verhandeln heute im Parlament Fragen des Adoptionsrechts für Homosexuelle und debattieren über die Gleichstellung der Homo-Ehe.“ Aber auch heute sollte jedem jungen Menschen bewusst werden, dass es täglich um diese gelebte Toleranz zu kämpfen gelte.
Leutheusser-Schnarrenberger fordert Entschädigung für Schwulenparagraf-Opfer
Leutheusser-Schnarrenberger forderte, dass die Opfer des „Schwulenparagrafen“ von der Bundesregierung entschädigt werden. „Das ist eine bundes- und regierungspolitische Aufgabe“, unterstrich die Liberale im Interview mit „Spiegel Online“. Die von ihr ins Leben gerufene Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die die Diskriminierung von homosexuellen Menschen in Deutschland bekämpft, sollte dabei helfen.
Auch Grüne Bundestagsfraktion fordert Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer
Auch Bündnis 90/Die Grünen fordert, dass der Bundestag bei der Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer des Paragraphen 175, Strafgesetzbuch, endlich handeln müsse! Es sei eine Menschenrechtsverletzung, dass schwule Männer bis 1994 nach dem berüchtigten Paragraphen 175 zu verurteilt wurden. „Umso mehr bleibt es ein Skandal, dass in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin Männer mit dem Stigma leben müssen, verurteilte Straftäter zu sein, weil sie schwul sind. Leider verweigert sich die Große Koalition in ihrem Vertrag, dagegen etwas zu unternehmen“, sagte Volker Beck, innenpolitischer Sprecher der Grünen.
Laut Beck werde die Grüne Bundestagsfraktion deshalb auch in dieser Legislaturperiode wieder einen Antrag einbringen, der dieses Unrecht endlich beenden soll.
Vgl. auch auf refrago.de: Seit wann ist Homosexualität in Deutschland nicht mehr strafbar?