Bei der Klärung der Frage, welches nun die häufigsten Rechtsstreitigkeiten sind, stehen wir zunächst vor dem Problem, woher sich eine solche Zahl ableiten lassen soll. Wenn sich zwei Nachbarn am Gartenzaun über das laute Miauen der Katze des einen Nachbarn in die Haare kriegen, geht das zunächst einmal in keine Statistik ein. Jedoch gibt es zwei aufschlussreiche und belastbare Quellen: Zum einen die Rechtsschutzversicherungen, und zum anderen die Zahl der Klagen, die vor den deutschen Gerichten landen.
Laut statistischem Bundesamt gab es im Jahr 2015 vor den Zivilgerichten 1.423.489 Zugänge an neuen Verfahren. Vor den Familiengerichten gab es im gleichen Jahr 654.382 Neuzugänge, und vor den Arbeitsgerichten 369.584. Zusammen mit den von der Versicherungswirtschaft veröffentlichten Mitteilungen, in welchen Fällen Rechtsschutz in Anspruch genommen wird, ergibt sich daraus folgendes Bild:
Vertragsrecht
Die häufigsten privaten Konflikte werden im Vertragsrecht ausgefochten. Das überrascht nicht, da Verträge Grundlage jeglicher Teilnahme am gesellschaftlichen und damit zwangsläufig rechtlichen Leben sind. Die Streitigkeiten reichen von Unstimmigkeiten mit dem Handyprovider über den Smartphone-Tarif über die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten bei Kaufverträgen und Problemen aller Art beim Online-Shopping bis zu Immobilienrechtsstreitigkeiten, wie sie etwa beim Grundstückserwerb auftreten können. Bei Immobilien kann es schnell um die gesamte wirtschaftliche Existenz der betroffenen Person gehen, wenn das gesamte Vermögen in die Eigentumswohnung oder das Haus geflossen ist.
Rechtliche Konflikte rund um den Vertrag können sich auch im Reiserecht ergeben, wenn beispielsweise Reisemängel geltend gemacht werden oder die Reise abgesagt oder der Flug storniert wurde.
Familienrecht
Ein weiterer Quell der häufigsten Rechtsstreitigkeiten ist die Familie. Wenn sich Ehegatten scheiden lassen wollen, so müssen sie vor Gericht ziehen. Nur vor dem Familiengericht und unter Beteiligung mindestens eines Anwalts, der für den Antragsteller der Scheidung tätig wird, kann die Scheidung einer Ehe beschlossen werden. Regelungsbedürftig ist auch das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder, deren Aufenthalt, Ehegatten- und Kindesunterhalt sowie die Auseinandersetzung des Vermögens.
Arbeitsrecht
Das Arbeitsrecht ist ein weiterer Bereich der häufigsten Rechtsstreitigkeiten in Deutschland. Aufgrund der hohen Zahl der Angestelltenverhältnisse gibt es sehr viele arbeitsrechtliche Konflikte, die längst nicht immer gerichtlich ausgefochten werden, sondern in vielen Fällen außergerichtlich gelöst werden können. Die meisten Streitigkeiten entstehen im Zuge von Kündigungen, gegen die sich die gekündigten Arbeitnehmer im Wege der Kündigungsschutzklage zur Wehr setzen. Konfliktstoff bietet auch der Streit um das Arbeitszeugnis, die darin ausgesprochene Note und die einzelnen Formulierungen, sowie Uneinigkeit bei vermeintlich ausstehenden Gehaltszahlungen, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Auszahlung von Resturlaub und Gehaltsboni.
Mietrecht
Zu den häufigsten Rechtsstreitigkeiten gehört schließlich das Mietrecht. Rund die Hälfte der Haushalte in Deutschland lebt in Mietwohnungen, so dass es nicht überrascht, dass es auch im Mietrecht viele juristische Auseinandersetzungen gibt. Dabei geht es in vielen Fällen um die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer durch den Vermieter ausgesprochenen fristlosen oder ordentlichen Kündigung. Eifrig gestritten wird auch über die Rechtmäßigkeit von Mietminderung durch Mieter wegen vermeintlicher Mietmängel, über Lärmbelästigungen oder Mieterhöhungen.
Verkehrsrecht
Einen weiteren wichtigen Bereich des Alltagslebens, dem sich kaum einer entziehen kann, bildet der Straßenverkehr. Das Verkehrsrecht findet folglich ebenfalls seinen Platz unter den häufigsten Rechtsstreitigkeiten in Deutschland. Dabei geht es zum einen um Schadenersatzstreitigkeiten aus Verkehrsunfällen. Wenn durch einen Autounfall die Fahrzeuge beschädigt oder Personen verletzt wurden, stellt sich unmittelbar die Frage, wer für den Schaden aufkommen muss. Solche Schadenersatzklagen landen nicht selten vor Gericht.
Einen weiterer großer und wichtiger Teil der Rechtsstreitigkeiten im Straßenverkehrsrecht spielt sich auf dem Feld der Bußgeld-Verfahren ab. Bußgelder und Sanktionen wie der Entzug der Fahrerlaubnis in Folge von Geschwindigkeitsüberschreitungen, bei Rotlicht-Verstößen, Fahren unter Alkoholverlust und anderen Verkehrssünden landen sehr häufig bei Anwalt und Gericht.
Schadenersatzklagen
Einen weiteren Platz der häufigsten Rechtsstreitigkeiten belegt schließlich die Schadenersatzklage. Schadenersatzforderungen können sich aus Gesetz oder Vertrag ergeben. Ein Fall des gesetzlichen Schadenersatzes ist beispielsweise der Anspruch eines Fußgängers gegen den Grundstückseigentümer auf Schadenersatz, wenn er im Winter bei Glätte gestürzt ist, weil der Grundstückseigentümer seinen Verkehrssicherungspflichten nicht nachgekommen ist.
Schadenersatzansprüche können sich auch gegen Ärzte im Zuge des Vorwurfs einer Fehlbehandlung richten.
Die Frage möglicherweise bestehender Schadenersatzansprüche kann in vielen weiteren Lebensbereichen für Konfliktstoff sorgen. Beispiele sind Schadenersatzansprüche im Zuge von Fehlberatungen bei Bank- oder Anlagegeschäften oder bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten in öffentlich zugänglichen Medien.