Der Kläger kaufte den Audi A4 Avant 2.0 l TDI gebraucht mit 17.500 km für 28.150 Euro im Januar 2016 und somit knapp 4 Monate nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals.
BGH wies Ansprüche ähnlich gelagerter Fälle zurück
Der BGH wies in einem ähnlich gelagerten Fall den Anspruch zurück, da sich nach Ansicht des Senats ab der Veröffentlichung der ad-hoc-Mitteilung am 22. September 2015 durch die Volkswagen AG deren Verhalten derart geändert haben soll, dass ab diesem Zeitpunkt nicht mehr von einer Sittenwidrigkeit ausgegangen werden könne. Dem sind die Gerichte bisher auch unisono gefolgt und wiesen die Klagen mit eben dieser Begründung ab.
LG Ingolstadt entscheidet anders
Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt differenziert hier richtigerweise zwischen den einzelnen Marken innerhalb des Volkswagen-Konzerns und kommt daher zu einem anderen Ergebnis.
Denn entgegen der Auffassung der Audi AG führe deren Verhalten eben nicht dazu, dass der ihr gegenüber erhobene Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht mehr gerechtfertigt sei. Dabei verkenne das Gericht nicht, heißt es in dem Urteil, dass bei der gebotenen Gesamtbetrachtung auch das Verhalten der Audi AG (nach dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs) bis zum Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrags zu berücksichtigen sei.
Kein entfallen der Sittenwidrigkeit für Audi
Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die Maßnahmen des Mutterkonzerns, also der Volkswagen AG, unter Hinweis auf die Betroffenheit zahlreicher weiterer Fahrzeuge des gesamten Konzerns nicht ausreichend waren, um auch für Audi das Verdikt der Sittenwidrigkeit entfallen zu lassen.
Die Maßnahmen des Mutterkonzerns ließen auch nicht den notwendigen Schluss darauf zu, dass die strategische unternehmerische Entscheidung der Audi AG, im eigenen Kosten- und Gewinninteresse die zuständigen Behörden und letztlich die Fahrzeugkäufer zu täuschen, durch die Strategie, an die Öffentlichkeit zu treten, Unregelmäßigkeiten einzuräumen und in Zusammenarbeit mit dem Kraftfahrtbundesamt Maßnahmen zur Beseitigung des gesetzwidrigen Zustands zu erarbeiten, um der Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder-untersagung zu bannen, ersetzt worden wäre.
Keine Entlastung für Audi durch VW vorgenommene Entwicklung und Bereitstellung eines Software-Updates
Auch die durch den Mutterkonzern vorgenommene Entwicklung und Bereitstellung eines Software-Updates könne Audi insoweit nicht zur Entlastung gereichen. Dasselbe gelte für die umfassende mediale Berichterstattung, mit der die Problematik der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde: Bei der Beurteilung, welche Anstrengungen von der Audi AG zu unternehmen waren, um ihr Verhalten im Rahmen der notwendigen Gesamtbetrachtung als nicht sittenwidrig erscheinen zu lassen, könnte diese zugunsten der Beklagten allenfalls geringfügige Berücksichtigung finden, ohne in der Gesamtbetrachtung die Sittenwidrigkeit entfallen zu lassen.
Abgasskandal der Volkswagen AG stand im Vordergrund und nicht Audi
Die mediale Berichterstattung sei nahezu ausschließlich durch die Presseabteilung der Volkswagen AG initiiert worden und sei in Folge davon auch in erster Linie als „VW-Abgasskandal“ ein wichtiges Thema gewesen. Auch seien die weiteren Maßnahmen wie die Einrichtung eines Links zu einer Suchmaschine für betroffene Fahrzeuge auf der Webseite, die Maßnahmen des KBA und die Bereitstellung von Software-Updates in erster Linie mit der Volkswagen AG und nicht mit der Audi AG in Verbindung gebracht worden. Sofern diese Maßnahmen überhaupt mit einer Verhaltensänderung in Verbindung gebracht werden könnten, sei es jedenfalls nicht möglich, hieraus auf eine Verhaltensänderung der Audi AG zu schlussfolgern.
Dies gelte umso mehr, als die Audi AG gerichtsbekannt über den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs hinaus bis zum Abschluss des Kaufvertrags in zahlreichen weiteren von ihr produzierten und entwickelten Fahrzeugen, in denen sich von ihr entwickelte und produzierte Motoren befanden, unzulässige Abschalteinrichtungen verwendet hat. Vor diesem Hintergrund scheine die Annahme eines Gesinnungswechsels, der die Sittenwidrigkeit entfallen ließe, nicht überzeugend.
Pflichtmitteilung kann weder ein „Persilschein“ für VW noch und für Audi und andere Töchter sein
„Viele dachten, mit dem BGH-Urteil zu Spätkauffällen sei für diese Geschädigten alles vorbei. Massenhaft nehmen Klägerkanzleien Berufungen zurück. Jetzt die sensationelle Wende am Heimatgericht der Audi AG in Ingolstadt: Das Verhalten der Audi AG nach Bekanntwerden der dortigen Machenschaften bringt den Sittenwidrigkeitsvorwurf nicht zu Fall. Auch dass es VW gelingt, sich mit der Pflichtmitteilung an Aktionäre aus der Verantwortlichkeit zu stehlen, daran habe ich angesichts des falschen Inhalts dieser Mitteilung erhebliche Zweifel. Sie kann kein “Persilschein„ für VW sein - und schon gar nicht für Audi und andere Töchter. Ich bin mir sicher, dass viele weitere Gerichte der überzeugenden Argumentation der Ingolstädter Richter folgen werden. Wir kämpfen weiter für die Geschädigten“ so der geschäftsführende Partner Dr. Marco Rogert von der erfolgreichen Pionierkanzlei Rogert & Ulbrich.