Diese Aktienrechtsreform bringt folgende wesentliche Änderungen mit sich:
Flexiblere Gestaltung der Finanzierungsmöglichkeiten
Bislang war es nicht möglich, regulatorisches Kernkapital durch Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien zu bilden, da der Vorzug zwingend als nachzahlbare Vorabdividende galt. Die Neufassung des § 139 Abs. 1 Satz 2 AktG sieht den Vorzug nicht mehr zwingend als Vorabdividende. Dieser kann nunmehr auch als erhöhter Gewinnanteil in Form einer Vorab- oder Zusatzdividende ausgestattet werden.
Umgekehrte Wandelschuldverschreibungen nunmehr möglich
Das bisherige Recht zu den sogenannten Wandelschuldverschreibungen verhinderte gleichfalls die Bildung von Kern- oder Grundkapital. Das Gesetz sah bislang lediglich ein Umtauschrecht des Gläubigers vor, nicht aber ein solches der Gesellschaft. § 192 Abs. 1 AG ermöglicht nunmehr umgekehrte Wandelschuldverschreibung. Hierdurch kann die Gesellschaft einen sogenannten „dept-to-equity swap“ erreichen. Dies eröffnet in Krisensituationen die Möglichkeit, Verbindlichkeiten in Eigenkapital umzuwandeln. Nur unter begrenzten Voraussetzungen soll allerdings das bedingte Kapital für die umgekehrte Wandelanleihe die Hälfte des Grundkapitals überschreiten dürfen, § 192 Abs. 3 Satz 3 AktG.
Beteiligungsverhältnisse werden transparenter
Die Beteiligungsverhältnisse bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften werden transparenter. Bisher konnten Erwerber von Inhaberaktien unterhalb der Schwelle der Mitteilungspflichten der §§ 20 und 21 AktG unter Umständen ihre Gesellschafterstellung verbergen. Das führt auf internationalem Parkett zu erheblicher Kritik, da auf diese Weise bei nicht börsennotierten Gesellschaften mit Inhaberaktien der Gesellschafterbestand nicht komplett erkennbar war.
Zwar bleibt weiterhin das Wahlrecht der nicht börsennotierten Gesellschaften zwischen Namens- und Inhaberaktien bestehen. Allerdings ist künftig die Ausgabe von Inhaberaktien damit verbunden, dass Einzelverbriefungsansprüche ausgeschlossen werden und die Hinterlegung einer Sammelurkunde bei einer Wertpapiersammelbank oder einem vergleichbaren ausländischen Verwahrer zwingend ist, § 10 Abs. 1 AktG. Das versetzt etwa Ermittlungsbehörden in die Lage, sich Informationen über die Identität der Aktionäre zu verschaffen.
Weitere Änderungen
- Die Dreiteilbarkeit der Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder ist teilweise abgeschafft. Gemäß § 94 Satz 3 AktG ist die Dreiteilbarkeit nur noch erforderlich, wenn mitbestimmungsrechtliche Vorgaben dies erfordern.
- Der Dividendenanspruch ist erst am dritten auf die Hauptversammlung folgenden Geschäftstag fällig, wenn nicht die Hauptversammlung selbst oder die Satzung eine spätere Fälligkeit bestimmen, § 58 Abs. 4 Satz zwei AktG. Diese Regelung gilt aber erst ab dem 1. Januar 2017.
- Bei Einberufung einer Hauptversammlung auf Verlangen einer Minderheit wird die Vorbesitzzeit (90 Tage) vom Zeitpunkt des Zugangs des Einberufungsverlangens zurückgerechnet. Außerdem muss der Antragsteller die Aktien bis zur Entscheidung des Vorstands oder des Gerichts über den Antrag im Besitz halten, § 122 AktG.
- Für Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt wurden, kann eine Berichtspflicht, die keiner Verschwiegenheitspflicht unterliegt, auf Gesetz, Satzung und Rechtsgeschäft begründet sein (§ 394 Satz 3 AktG).
Beschlussmängelrecht soll vollständig überarbeitet werden
Nicht gebannt mit der Aktienrechtsreform ist indes das Phänomen der nachgeschobenen Nichtigkeitsklagen bei Gesellschafterbeschlüssen.
Mit der Reform sollte die Nichtigkeitsklage einer relativen Befristung unterworfen werden. Geplant war, dass wenn gegen einen Beschluss der Versammlung eine Beschlussmängelklage erhoben, weitere Nichtigkeitsklagen gegen den Beschluss innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung des ursprünglichen Beschlussmängelverfahrens erhoben werden müssen.
Die vorgesehene Neuregelung ist komplett entfallen. Allerdings soll das vollständige Beschlussmängelrecht nunmehr überarbeitet werden.
EU-Aktionärsrichtlinie soll Missbrauch bei Transaktionen zwischen börsennotierten und ihnen nahestehenden Unternehmen verhindern
Problematisch ist zudem weiter die bestehende Regelung der Transaktionen eines börsennotierten Unternehmens mit nahestehenden Unternehmen und nahestehenden Personen. Um Missbrauch zu verhindern soll die EU-Aktionärsrichtlinie diese Fragen insbesondere durch Einführung von Bekanntmachungs- und Zustimmungserfordernissen neu regeln.
Bundestag will auf Einführung europaweit einheitlicher Stichtagsregelungen hinwirken
Ein weiteres Problem bleibt die Stichtagsregelung zur Bestimmung der teilnahme- und stimmberechtigten Aktionäre. Vorgesehen war eine Frist von 21 Tagen vor einer Hauptversammlung. Da den innerhalb der EU enorm unterschiedlichen Regelungen hiermit eine weitere Stichtagsregelung hinzugefügt worden wäre, hat der Bundestag beschlossen, europaweit auf die Einführung einer einheitlichen Stichtagsregelung hinzuwirken.