Dieser Schritt sei längst überfällig, so Bundesjustizministerin Lambrecht. Zu häufig sei ein massiver Sanierungsstau bei Wohnanlagen zu beobachten. Mit den neuen Regeln würde die energetische Sanierung erleichtert und ein Anspruch auf den Einbau einer Lademöglichkeit für Elektrofahrzeuge geschaffen. Das sei ein wichtiger Schritt sowohl für die Erfüllung der Klimaziele als auch für die Verwirklichung der Verkehrswende.
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
Der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kommt künftig eine zentrale Rolle zu, da sie nicht mehr nur als „Vehikel“ zur Umsetzung von Verwaltungsmaßnahmen dient. Vielmehr obliegt ihr die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums. Die Gemeinschaft entsteht künftig auch im Fall des § 8 WEG mit dem Anlegen der Wohnungsgrundbücher. Die „werdende“ Wohnungseigentümergemeinschaft wird es also nicht mehr geben. Im Zuge mehr oder weniger allumfassender Zuständigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlieren Wohnungseigentümer nicht nur Individualansprüche gegen den Verwalter, sondern auch solche gegenüber anderen Wohnungseigentümern.
Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wird unumschränkt rechtsfähig sein, ihr obliegt künftig auch die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums.
Folge hiervon ist etwa eine vollständige Veränderung der Wahrnehmung der Rechte und Pflichten (§ 9 a II WEG), die immerhin dazu führt, dass die kaum zu verstehende bisherige Trennung von „geborenen“ und „gekorenen“ Zuständigkeiten endgültig Teil der Rechtsgeschichte ist. Für Ansprüche aus § 1004 BGB bezüglich des Gemeinschaftseigentums ist allerdings nunmehr – überganglos (§ 48 WEG) – die Gemeinschaft zuständig.
Eigentümerversammlung
Verändert worden sind die Regelungen zur Eigentümerversammlung dahingehend, dass nunmehr die Einberufungsfrist drei Wochen beträgt (§ 24 IV WEG). Die Beschlussfähigkeitsregelung in § 25 III WEG aF – die Erschienen mussten mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile berechnet nach der Grundbucheintragung – ist abgeschafft. Ebenfalls dem Rechtsausschuss ist es zu verdanken, dass die Nutzung der Beschlussfassung im Umlaufverfahren deutlich erleichtert wurde: In Zukunft kann für einzelne Gegenstände beschlossen werden, dass ein Umlaufbeschluss mit Mehrheit zustande kommt (§ 23 III 2 WEG).
Dem Gesetzgeber war es ferner ein Anliegen, eine Teilnahme Abwesender an einer Präsenz-Eigentümerversammlung, die der Gesetzgeber als beschlussfeste Zusammenkunft geschützt ansieht, „im Wege elektronischer Kommunikation“ zu ermöglichen, womit er eine „Online-Teilnahme“ verbindet. Will sich ein Eigentümer auf einer Eigentümerversammlung vertreten lassen, benötigt er nunmehr eine Vollmacht in Textform (§ 25 III WEG).
Verwalter
Das neue Recht bringt wesentliche Veränderungen: Ein Verwalter kann in Zukunft jederzeit abberufen werden (§ 26 III WEG). Die Abberufung des Verwalters kann nicht mehr auf einen wichtigen Grund beschränkt werden. Der Verwalter kann in Zukunft also jederzeit auch grundlos von seinem Amt abberufen werden.
Dies war ein wichtiges Anliegen des Gesetzgebers, um den Wohnungseigentümern jederzeit eine Trennung vom Verwalter zu ermöglichen. Um durch den gleichwohl fortlaufenden Verwaltervertrag keine unzumutbaren Verpflichtungen bei der Gemeinschaft zu begründen, hat der Rechtsausschuss ein automatisches Ende des Verwaltervertrags („spätestens“) sechs Monate nach seiner Abberufung aufgenommen, § 26 III 2 WEG.
Zertifizierter Verwalter
Mit der WEG-Reform wird der „zertifizierte Verwalter“ eingeführt. Damit kommt der Gesetzgeber jahrzehntelangen Rufen nach einem Sachkundenachweis in eleganter Art und Weise nach.
Ein derartiges Zertifikat ist kein Teil der gewerberechtlichen Erlaubniserteilung (§ 34 c GewO), sondern eine Qualifikation die für die Führung des Verwalteramts „notwendigen rechtlichen, kaufmännischen und technischen Kenntnisse“ betreffend, die vor einer Industrie- und Handelskammer „durch eine Prüfung nachgewiesen“ wird. Die Einzelheiten wird eine noch zu erlassende Verordnung des BMJV (§ 26 a II WEG), und zwar auch solche Bestimmungen, wonach Personen aufgrund anderweitiger Qualifikation von der Prüfung befreit werden, „insbesondere weil sie die Befähigung zum Richteramt, einen Hochschulabschluss mit immobilienwirtschaftlichem Schwerpunkt, eine angeschlossene Berufsausbildung zum Immobilienkaufmann oder zur Immobilienkauffrau oder einen vergleichbaren Berufsabschluss besitzen“.
Gem. § 19 II Nr. 6 WEG entspricht nur die Wahl eines zertifizierten Verwalters ordnungsmäßiger Verwaltung. Ausnahmen sind unter gewissen Bedingungen dauerhaft für Kleinst-Gemeinschaften vorgesehen. Für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren besteht der Anspruch nicht (§ 48 IV 1 WEG). Bereits gewählte Verwalter stehen für einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren in diesen Gemeinschaften zertifizierten Verwaltern gleich (§ 48 IV 2 WEG).
Die Bestellung eines nicht zertifizierten Verwalters nach Ablauf der Übergangsfrist wird ein Paradebeispiel für eine erfolgreiche Anfechtungsklage darstellen.
Verwaltungsbeirat nach der WEG-Reform
Bezüglich des Beirats ist zunächst die Mitgliederzahl flexibilisiert worden (§ 29 I WEG); die Anforderung von drei Mitgliedern entfällt, und zwar nach unten wie nach oben. Falls der Beirat „mehrere Mitglieder“ hat, „ist ein Vorsitzender und ein Stellvertreter zu bestimmen“, § 29 I 2 WEG. Damit ermöglicht es der Gesetzgeber den Wohnungseigentümergemeinschaften, eine für die Bedürfnisse ihrer Gemeinschaft ausgerichtete Anzahl von Wohnungseigentümern zu Verwaltungsbeiräten zu bestellen.
Erweitert worden sind im Rechtsausschuss die Kompetenzen des Beirats, der nun ausdrücklich nicht nur die Aufgabe hat, den Verwalter zu unterstützen; vielmehr „überwacht“ er ihn bei seiner Aufgabendurchführung (§ 29 II 1 WEG).15 Auch wenn der Wortlaut demjenigen des § 111 I AktG entspricht,16 wird der Beirat nicht die Rechte und vor allem Pflichten eines Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft übernehmen.17 Die Haftung des Beirats ist in § 29 III WEG für unentgeltlich tätige Beiräte auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt worden.
Abrechnungswesen
Erhebliche Änderungen gibt es auch im Bereich des Abrechnungswesens. § 28 WEG ist dahingehend reformiert worden, dass die Aufstellung von Wirtschaftsplan und Abrechnung nur noch eine vorbereitende Aufgabe des Verwalters für die Beschlussfassung ist. Diese selbst ist dahingehend kupiert worden, dass beim Wirtschaftsplan lediglich über die Vorschüsse (also die Einzelergebnisse) beschlossen wird (§ 28 I 1 WEG). Beschlussgegenstand der Abrechnung sind Nachschüsse sowie die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse (§ 28 II 1 WEG). Dies entspricht im Wesentlichen der Abrechnungsspitze, löst aber das Problem einer sog. negativen Abrechnungsspitze durch eine Vorschussanpassung.
Neu hinzugekommen ist die Verpflichtung, nach Ablauf eines Kalenderjahres einen Vermögensbericht vorzulegen, der allerdings nicht der Beschlussfassung unterliegt, sondern den Eigentümern lediglich „zur Verfügung“ zu stellen ist (§ 28 IV 2 WEG).
Bauliche Veränderungen
Wesentliche Änderungen bringt die WEG-Reform bezüglich der baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums. § 20 I WEG sieht nunmehr eine Möglichkeit für Baumaßnahmen durch Mehrheitsbeschluss vor. Schranken sind allein die unbillige Benachteiligung eines Eigentümers und die grundlegende Umgestaltung der Anlage (§ 20 IV WEG). Auf privilegierte Maßnahmen hat der Eigentümer einen Anspruch (§ 20 II WEG): Hierzu gehören bauliche Veränderungen, die
– dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen,
– dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge,
– dem Einbruchsschutz und
– dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität
dienen. Der Anspruch besteht indes nur bezüglich des „Ob“ der Maßnahme, über das „Wie“ entscheiden die Eigentümer im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 20 II 2 WEG). Nur wenn keine Beeinträchtigung vorliegt oder alle beeinträchtigten Wohnungseigentümer zugestimmt haben, besteht ein Gestattungsanspruch, dass ein Wohnungseigentümer die Maßnahmen in Eigenregie durchführen darf (§ 20 III WEG).
Die „Beschlussklage“ und der Verbandsprozess
Neu eingeführt ist der Begriff der sog. Beschlussklage (§ 44 I WEG), der Anfechtungs-, Nichtigkeits- und Beschlussersetzungsklage umfasst. Eingeführt wird der Verbandsprozess (§ 44 II WEG), der mit Inkrafttreten des Gesetzes für alle neu erhobenen Klagen gilt.
Fazit
Aufgrund der Fülle der gesetzlichen Neuregelungen im Rahmen der WEG- Reform hat vorstehender Beitrag keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es ist jedoch ersichtlich, dass mit Inkrafttreten der WEG- Reform de facto ein komplett neues Wohnungseigentumsrecht gilt.
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