Die Miete hatte die Gemeinde zuletzt in den 1950er Jahren erhöht. Sanierungsmaßnahmen an dem Gebäude hatte die Gemeinde seit Jahrzehnten nicht durchgeführt, weshalb das Haus mittlerweile einen erheblichen Investitionsstau aufwies.
Gemeinde klagt auf Räumung des Hauses
Die Gemeinde plante im Jahr 2016, sich der Immobilie zu entledigen. Sie bot sie deshalb an ihrem „Schwarzen Brett“ zu einem Mindestkaufpreis von 60.000 Euro zum Verkauf an. Gleichzeitig kündigte die Gemeinde das Mietverhältnis mit dem letzten verbliebenen Mieter mit der Begründung, die notwendige Sanierung des Hauses durch die Gemeinde sei wirtschaftlich nicht darstellbar. Der Verkauf des Hauses stelle die einzig sinnvolle Nutzung der Immobilie dar. Ein Käufer lasse sich aber nur finden, so die Gemeinde, wenn das Haus nicht mehr vermietet sei. Der Mieter lehnte einen Auszug ab. Er sah die Kündigung als unwirksam an. Die Gemeinde klagte schließlich vor dem zuständigen Amtsgericht gegen den Mieter auf Räumung des Hauses.
AG verurteilt Mieter erstinstanzlich zur Räumung der Wohnung
Das Amtsgericht gab der Gemeinde in erster Instanz Recht und verurteilte den Mieter zur Räumung der Wohnung. Beraten durch einen Sachverständigen für Immobilienbewertung kam das Amtsgericht zu dem Ergebnis, die Gemeinde habe eine sogenannte Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB aussprechen dürfen. Sie habe ein berechtigtes Interesse daran, das Haus zu einem bestmöglichen Kaufpreis auf den Markt zu bringen. Veräußerbar sei das Haus aber nur im geräumten Zustand.
Im vermieteten Zustand sei hingegen ein Verkauf unmöglich, da durch die geringe Miete eine Sanierung nicht zu refinanzieren sei. Die Alternative zum Verkauf, eine Sanierung des Gebäudes durch die Gemeinde, sei aus demselben Grund ebenfalls wirtschaftlich nicht zumutbar. Dabei spiele es keine Rolle, dass die Gemeinde zuvor jahrzehntelang nicht in das Haus investiert habe. Denn der Mieter habe in dieser Zeit weder Mängel angezeigt noch sonst Reparaturmaßnahmen verlangt.
LG: Verwertungskündigung nicht gerechtfertigt
Die Berufung des Mieters gegen dieses Urteil war erfolgreich. Das Landgericht hob das Urteil des Amtsgerichts auf und wies die Räumungsklage der Gemeinde schlussendlich ab. Anders als das Amtsgericht sah das Landgericht keine Grundlage für eine Verwertungskündigung. Zur Begründung führte das Landgericht aus, ob eine Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar sei, sei eine Frage der Abwägung. Diese falle hier eindeutig zum Nachteil der Gemeinde aus.
Geringe Rendite auf Versäumnisse der Gemeinde zurückzuführen
Nach Überzeugung des Landgerichts war zunächst zu berücksichtigen, dass die geringe Rendite des Objekts letztlich auf Versäumnissen der Gemeinde beruhte, ebenso der hohe Sanierungsaufwand. Die Gemeinde hatte nach den Feststellungen des Landgerichts die Miete seit mehr als 50 Jahren nicht erhöht, obwohl dies möglich gewesen wäre. Zudem hatte sie das Haus über Jahrzehnte verfallen lassen. Dabei spielte in den Augen des Landgerichts keine Rolle, dass dies nicht von vorneherein mit dem Ziel geschehen war, später eine Verwertungskündigung auszusprechen.
Vermieter ist zur Instandhaltung verpflichtet
Unerheblich war für das Landgericht auch, dass der Mieter seinerseits nie Mängel angezeigt hatte. Als Vermieter wäre die Gemeinde vielmehr von sich aus verpflichtet gewesen, die Immobilie laufend instand zu halten. Die Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht ist eine wesentliche mietvertragliche Pflicht eines jeden Vermieters konstatierte das Landgericht. Gegen diese Pflicht habe die Gemeinde nach Auffassung des Landgerichts erkennbar verstoßen und das Haus dem sichtbaren Verfall preisgegeben.
Bemühungen zum Verkauf in vermietetem Zustand unzureichend
Das Landgericht kam außerdem zu dem Ergebnis, die Gemeinde habe nicht ausreichend belegen können, dass tatsächlich ein Verkauf des Hauses im vermieteten Zustand nicht zu wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen möglich sei. Bei der Frage, ob zur wirtschaftlichen Verwertung einer Immobilie die Kündigung der bestehenden Mietverhältnisse erforderlich sei, komme es generell darauf an, welcher Preis im vermieteten Zustand und welcher im unvermieteten Zustand zu erzielen sei. Ein gewisser Preisnachteil durch einen Verkauf im vermieteten Zustand sei dem Vermieter dabei zumutbar. Bei einer Gemeinde als öffentlich-rechtlicher Körperschaft gelte dies noch mehr als bei einem privaten Vermieter. Insoweit hatte die Gemeinde aus Sicht des Landgerichts keine ausreichenden Bemühungen unternommen, das Haus überhaupt im vermieteten Zustand anzubieten.
Das Angebot am „Schwarzen Brett“ habe erkennbar nur einen sehr kleinen Kreis lokaler Interessenten angesprochen. Dies zeigte sich in den Augen des Landgerichts nicht zuletzt daran, dass sich auf dieses Angebot nur ein einziger Kaufinteressent gemeldet hatte. Den aus Sicht des Landgerichts gebotenen Versuch, durch Angebote im Internet oder über einen Makler die Immobilie einem größeren Personenkreis im vermieteten Zustand anzubieten, habe die Gemeinde dagegen nicht unternommen. Angesichts der aktuellen Lage auf dem Immobilienmarkt war jedoch nach Überzeugung des Landgerichts keineswegs fernliegend, dass so ein Käufer hätte gefunden werden können, der das Haus auch im vermieteten Zustand zu einem attraktiven Preis übernommen hätte.
Bedeutung der Entscheidung
Einmal wurde seitens der Gerichte mit vorstehender Entscheidung konstatiert, dass eine sog. Verwertungskündigung strenge Anforderungen zu stellen sind. Grundsätzlich gilt diesbezüglich:
Will ein Vermieter eine Wohnimmobilie „angemessen wirtschaftlich verwerten“, darf er Mietern aus diesem Grund kündigen (sog. Verwertungskündigung). Voraussetzung ist, dass er ohne Kündigung der Mieter an der Verwertung gehindert wäre oder ihm Nachteile entstehen würden (§ 573 II Nr. 3 BGB).
Jedoch gelten für die Verwertungskündigungen formell strenge Anforderungen. Zudem ist die inhaltlich gesetzliche Hürde für eine wirksame Verwertungskündigung relativ hoch.
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