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Vertragsrecht | 28.04.2020

Vertrags­kündigung

Verträge kündigen – wie geht das und wenn ja wann?

Ein grober Überblick, was es dabei zu beachten gibt

Seit Beginn des Corona-Lockdown tauchen immer wieder Fragen auf, ob eine Kündigung von Verträgen möglich ist bzw. ob eine ausgesprochene Kündigung akzeptiert werden muss.

Sind Vertragskündigungen wegen der Corona-Pandemie überhaupt notwendig?

Im Moment herrscht große Verunsicherung in der Wirtschaft und bei Verbrauchern. Aufgrund der Vorgaben der Verwaltungs­gerichte und Verfassungs­gerichts­höfe gelten die jeweiligen Landes­verordnungen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie immer nur zeitlich begrenzt. Das bedeutet, sie haben von Anfang an ein so genanntes „Ablaufdatum“.

Die meisten Verordnungen der Länder sind bis Anfang Mai 2020 gültig. Das bedeutet für Unternehmen und auch für Private eine andauernde Phase der Unsicherheit. Sie wissen, was im Moment erlaubt ist und was sie nicht machen dürfen. Sie wissen aber nicht, was in 3 Wochen erlaubt sein wird.

Hinzu kommen massive wirtschaftliche Einbußen aufgrund des nun schon über mehrere Wochen andauernden Lockdowns bzw. Shutdowns. Niemand weiß heute, wann es Lockerungen geben wird und in welchem Umfang. Diese Unsicherheit führt bei Unternehmen und Privaten zu der Überlegung, durch Kündigung wenigstens hier für sich selbst „Rechts­sicherheit“ zu schaffen.

Das ist eine trügerische Sicherheit. Zwar kann man einen Vertrag immer kündigen. Es stellt sich aber dann die Frage, ob ein Recht zur Kündigung bestanden hat und ob der richtige Zeitpunkt gewählt worden ist. Sollte eines der beiden nicht der Fall sein, können aus einer unberechtigten Kündigung schnell erhebliche finanzielle Schäden drohen.

Kann ein Vertrag überhaupt wegen des Coronavirus gekündigt werden?

Ob ein Vertrag überhaupt gekündigt werden muss oder sollte bzw. gekündigt werden kann, hängt in erster Linie vom Vertrag selbst ab. Grund­sätzlich muss zwischen

  • ordentlicher – also gegebenenfalls frist­gerechter – und
  • außer­ordentlicher Kündigung

unterschieden werden.

Da die meisten Verträge – wenn überhaupt – Fristen für eine ordentliche Kündigung vorsehen, ist diese Art der Beendigung meist weniger interessant. Die meisten Anfragen, die wir erhalten haben, beziehen sich auf außer­ordentliche Kündigungen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie. Es soll also möglichst sofort Schluss sein.

Nun ist die Coronavirus-Pandemie als solche erst einmal kein Grund, den Vertrag zu kündigen. Das wird an einem ganz einfachen Beispiel schnell klar: Wer als Käufer eines noch zu liefernden Autos einen Vertrag geschlossen hat und jetzt auf seinen Neuwagen wartet, wird nicht einfach sagen können: ich will das Auto nicht mehr, weil es Corona gibt und sich die Lieferung deshalb verzögert.

Es ist vielmehr zunächst danach zu schauen, welche vertraglichen Verpflichtungen durch das Coronavirus betroffen sind. Wenn einzelne oder alle Pflichten aus dem Vertrag nicht erfüllt werden können, kommen zunächst erst einmal die vertraglichen bzw. gesetzlichen Lösungs­möglichkeiten in Betracht.

Liegt ein Fall der Unmöglichk­eit vor, entfällt unter Umständen ohnehin der Anspruch auf Gegen­leistung, sodass es einer Kündigung gar nicht bedarf. Die Grundlagen hierzu haben wir in einem gesonderten Blogbeitrag dargestellt, denn Sie hier

Coronavirus Coronavirus und Recht – Teil 2 – Coronavirus und Unmöglichkeit

nachlesen können.

Möglich ist eine Lösung über die Störung bzw. den Wegfall der Geschäfts­grundlage, die wir hier

Coronavirus und Recht – Teil 3 – Corona und Störung der Geschäftsgrundlage bei Verträgen

bereits ausführlicher dargestellt haben.

In Betracht kommt auch eine Lösung über sogenannte Force-Majeure-Klauseln, die regeln, wie mit bestimmten Fällen der Leistungs­störung umgegangen wird. Diese haben wir hier

Coronavirus und Recht – Teil 4 – Force Majeure Klauseln und Höhere Gewalt

ausführlich dargestellt.

Auch sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu verschiedenen Vertrags­typen Regelungen enthalten, wie mit Leistungs­störungen innerhalb der jeweiligen Verträge umgegangen wird.

Es ist also auf der ersten Stufe zunächst zu fragen, ob es überhaupt erforderlich ist, den Vertrag zu kündigen. Wenn es eine Lösungs­möglichkeit zu dem konkreten Leistungs­hindernis im Vertrag selbst gibt, ist unter Umständen eine Kündigung nicht erforderlich.

Besteht ein Recht zur außerordenlichen Kündigung?

Sollte es nach den vorherigen Ausführungen unumgänglich sein, den Vertrag zu kündigen, so ist auf der zweiten Stufe zu klären, ob eine solche meist außer­ordentliche Kündigung möglich ist. Eine ordentliche Kündigung dürfte in den meisten Fällen ohnehin zulässig sein. Wegen der möglichen Kündigungs­fristen ist diese aber meist nicht interessant.

Es muss für eine außer­ordentliche Kündigung zunächst ein Kündigungs­recht bestehen. Ohne ein Recht zur außerordentlichen Kündigung ist die Kündigung unwirksam. Das klingt jetzt zwar erst einmal nicht dramatisch, kann aber zum Problem werden. Wenn in der ausgesprochenen Kündigung eine Leistungs­verweigerung gesehen wird, kann es z.B. passieren, dass man sich schadens­ersatz­pflichtig macht oder Storno­gebühren anfallen.

Ein solches Recht zur außerordentlichen Kündigung kann sich aus dem Vertrag oder aus dem Gesetz ergeben. Der Kündigungs­grund sollte angegeben werden, um den Vertrags­partner zu ermöglichen, die Kündigung in einem frühen Stadium auf Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Wann eine außer­ordentliche Kündigung zulässig ist, lässt sich allgemein nicht sagen, denn es kommt eben darauf an,

  • wo und in
  • wessen Verantwortungs­bereich
  • welches konkrete Leistungs­hindernis fällt.

Wir können aber aus der bisherigen Beratungs­praxis Beispiele nennen, wann eine außer­ordentliche Kündigung nicht möglich ist bzw. auf welche Umstände eine solche nicht gestützt werden kann:

  • Eine Kündigung pauschal wegen „Wegfall der Geschäfts­grundlage“ ist nicht möglich, denn selbst, wenn eine solche Geschäfts­grundlage weggefallen wäre, müsste zunächst versucht werden, eine Vertrags­anpassung vorzunehmen. Das sieht das Gesetz ausdrücklich so vor.
  • Eine Kündigung des Vertrages, weil man für die vertragliche Leistung keine „Verwendung“ hat, sie aber gleichwohl möglich ist, dürfte ebenfalls ausscheiden. Wenn zum Beispiel ein Brautkleid gemietet wurde, die Hochzeit zwar Grund­sätzlich, aber nicht im geplanten Umfang stattfinden kann, ist das kein Grund den Vertrag zu kündigen.

Auch eine Kündigung aufgrund persönlicher, individueller Probleme im Zusammenhang mit dem Vertrag scheidet in den meisten Fällen aus. Nicht über die finanziellen Mittel zu verfügen, um die Leistung bezahlen zu können, ist kein Grund für eine außergerichtliche Kündigung.

Auch die Tatsache, dass man selbst verhindert ist, diese Verhinderung aber vermeidbar wäre, kann nicht zu einer Kündigung des Vertrages führen.

Bei uns tauchte der Fall auf, dass jemand angeblich nicht nach Deutschland einreisen durfte. Es wurde aber nicht erklärt, inwiefern er sich um eine Grund­sätzlich mögliche Ausnahme­genehmigung bemüht hatte. Damit war die Kündigung unwirksam.

  • Eine fristlose Kündigung mit dem pauschalen Verweis auf behördliche Verbote – wie z.B. bei Veranstaltungen – ist ebenfalls schwierig. Maßgeblich ist hier, ob es für den konkreten Zeitraum und den konkreten Ort überhaupt ein Verbot gibt.

Nur weil es eine unsichere Rechtslage bzw. keine Planungs­sicherheit gibt, kann der Vertrag nicht so einfach fristlos gekündigt werden. Konkret ging es bei uns z.B. darum, dass eine Kündigung eines Veranstaltungs­vertrages für Herbst ausgesprochen wurde. Für Herbst gibt es aber noch gar keine Regelungen zu etwaigen Veranstaltungen.

Wie die Beispiele zeigen, sind die Fall­konstellationen der Kündigungen viel­schichtig und eine generelle Darstellung, was erlaubt ist, nicht möglich. In jedem Falle sollte vor dem Ausspruch einer Kündigung genau abgewogen werden, ob diese möglich ist und welche Folgen aus einer möglicher­weise unberechtigten Kündigung resultieren. Letztlich ist keinem Unternehmen damit gedient, wenn sich eine spontan richtig erscheinende Entscheidung in Nachherein als kostspielig heraus­stellt.

Welche Fristen und Zeiträume müssen bei einer fristlosen Kündigung beachtet werden?

Bei einem Schuld­verhältnis, das auf wieder­kehrende Leistungen gerichtet ist (Dauerschuld­verhältnis), ist eine Kündigung nur innerhalb angemessener Frist möglich. Dies sind in der Regel 14 Tage. Danach wäre eine Kündigung ausgeschlossen. Hierbei handelt es sich aber um eine spezielle Vorschrift, die auf Verträge mit einmaligen Leistungs­verpflichtungen nicht so ohne weiteres übertragen werden kann.

Angesichts der Tatsache, dass Rechtsprechung zu Kündigungs­möglich­keiten im Zusammenhang mit der Pandemie noch nicht wirklich vorhanden ist, empfehlen wir, bei bestehendem Leistungs­hindernis, was zu einer Kündigung berechtigen soll, mit einer Kündigung eines nicht auf wieder­kehrende Leistungen gerichteten Vertrages nicht zu lange zu warten. Unter Umständen müsste man sich anderenfalls den Einwand entgegenhalten lassen, man habe durch eine verspätete Kündigung einen Schaden verursacht oder vergrößert. Ein weiterer Punkt spricht für eine genaue Prüfung des Kündigungs­zeitpunktes. Zum Teil haben wir Kündigungen gesehen für Verträge, bei denen das Leistungs­hindernis noch gar nicht klar war. Es gab eben noch keine verbindliche Regelung für den betreffenden Vertrags­zeitpunkt, sodass eine Kündigung mit der Begründung, die „Durchführung des Vertrages sei unmöglich“, nicht erklärt werden konnte. Es lag eben zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht einmal ein Leistungs­hindernis vor. Damit war die Kündigung in jedem Fall unwirksam. Eine darauf gestützte Kündigung zeigt sich dann als finanzieller Bumerang.

Welche Folgen kann eine Kündigung ohne rechtliche Grundlage haben?

Die Folgen einer unwirksamen, weil unberechtigten Kündigung werden vielfach übersehen. Zwar entfaltet eine unwirksame Kündigung als solche erst einmal keine Wirkungen, da sie schlicht unwirksam ist. Eine unwirksame Kündigung kann aber z.B. als Stornierung eines Vertrages ausgelegt werden, was dazu führen kann, dass vertraglich vereinbarte Storno­gebühren in Rechnung gestellt werden. Diese können sich auf erhebliche Anteile der ursprünglichen Zahlungs­verpflichtung belaufen und es kann richtig teuer werden.

Auch kann die unberechtigte Kündigung als Leistungs­verweigerung bzw. Annahme­verweigerung angesehen werden. In einem solchen Falle bleibt unter Umständen sogar der Anspruch des Vertrags­partners auf die Gegen­leistung (= Preis) bestehen und er muss sich nur anrechnen lassen, was er in Folge der Nicht­aus­führung des Vertrages erspart hat (ersparte Aufwendungen) bzw. nicht anderweitig kompensieren konnte. Auch hier geht man ein Risiko ein, wenn man sich vor einer Kündigung nicht die Folgen vor Augen führt.

Unberechtigte Kündigung akzeptieren oder widersprechen?

Wenn der Vertrags­partner den Vertrag auf Basis eines vermeintlichen Rechtes zur Kündigung gekündigt hat, muss man zunächst gar nichts tun. Eine Kündigung ist eine einseitige empfangs­bedürftige Willens­erklärung, die – so sie wirksam ist – mit Zugang ihre Wirkung entfaltet. Dies kann und muss man nicht dadurch verhindern, dass man der Kündigung „wider­spricht“. Eine „Widerspruch“ ändert schlicht gar nichts. Aus den gleichen Gründen ist übrigens auch eine „Rücknahme“ der Kündigung nicht möglich.

Wenn der Vertrags­partner gekündigt hat, sollte zunächst geprüft werden, ob die Kündigung wirksam ist. Sollte das nicht der Fall sein, so ist zu analysieren, welche Folgen aus dieser unberechtigten Kündigung resultieren. Sollten Storno­gebühren oder Vertrags­strafen vertraglich vereinbart sein, so wären diese zu fordern. Sollte die Gegenseite die Leistung nicht annehmen, so läge unter Umständen ein Annahmev­erzug vor, aus dem sich weitere Ansprüche und auch hohe Risiken ergeben können.

Wie setzt man eine Kündigung taktisch ein?

Vielfach werden Kündigungen ausgesprochen, um die Gegenseite an den Verhandlungs­tisch zu zwingen. Das kann gut gehen, muss es aber nicht.

Wenn die Vertrags­parteien auch in Zukunft partnerschaftlich umgehen wollen, ist nach unserer Auffassung der kommentar­lose Ausspruch einer Kündigung immer der denkbar ungünstigste Weg. Zunächst sollte man eine Lösung der Situation suchen. Das sieht das Gesetz beim Wegfall bzw. der Störung der Geschäfts­grundlage auch so vor.

Wenn die grundsätzliche vertragliche Beziehung zum Vertrags­partner gleichgültig ist, wird jedoch eine Kündigung in den meisten Fällen nicht dazu führen, dass man sich nach der Kündigung an den Verhandlungs­tisch setzt und den Vertrag neu aushandelt. In diesen Fällen wird der Vertrags­partner ohne Zögern im Falle einer unberechtigten Kündigung alle daraus resultierenden Folgen durchsetzen – notfalls auch gerichtlich. In einer solchen Situation also eine Kündigung in der Hoffnung einzusetzen, man könne dann „reden“, könnte nach hinten losgehen.

Wie gehe ich vor, wenn ich kündigen möchte?

Das Vorgehen, was wir in diesen Fällen immer vorschlagen sieht wie folgt aus: Drei Schritte wie ich am besten bei einer Kündigung vorgehe.

  • Prüfen
  • Reden
  • Kündigen

Der Hintergrund ist, dass dann, wenn die Kündigung einmal ausgesprochen ist, daran unter Umständen für beide – auch für die kündigende Partei – negative Folgen geknüpft sein können und es meist auch zu einer Eskalation zwischen den Parteien kommt. Daher bietet es sich an, erstens seine Möglichkeiten zu kennen, zweitens daraus eine Lösung mit dem Vertrags­partner zu suchen und nur wenn das nicht möglich ist, drittens zu kündigen.

Ein Anwalt kennt alle diese Spielregeln und kann deshalb hilfreich sein.

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