Erst kam in einem Arbeitsrechtsstreit zwischen der AUDI AG und einem nach seiner Auffassung als „Bauernopfer“ entlassenen Ingenieur heraus, dass der Audi-Vorstandschef Rupert Stadler lange vor der Aufdeckung des Abgasskandals durch die amerikanische Umweltbehörde EPA von den Schwierigkeiten bei der Einhaltung der NO2 -Werte wusste. Nach Auffassung der Anwälte noch viel pikanter: Er soll sich nach Aussage des Ingenieurs selbst nach einem Spiegel-Artikel bei einer Präsentation für den Einsatz der Betrugssoftware ausgesprochen haben. Damit liege auf der Hand, dass der innere Führungszirkel des Konzerns seit Jahren eingeweiht gewesen sei. Ein besonderes Schlaglicht werfe diese Entwicklung auf die selektiven Erinnerungslücken Martin Winterkorns vor dem Untersuchungsausschuss. Das erkläre zudem, weshalb Herr Winterkorn sich in einem Verfahren wegen der VW-Betrugssoftware vor dem Landgericht Paderborn auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berief. Hätte er die Wahrheit gesagt, hätte er sich selbst des Betruges bezichtigt, erläutern die Anwälte; zudem sei den Aktionärsklagen gegen Volkswagen in diesem Fall wohl endgültig Erfolg beschieden gewesen.
Öffentliche Hand richtet sich gegen den Rückruf
Gestern ist zudem bekannt geworden, dass der Freistaat Bayern laut Minister Herrmann wegen der Befürchtung, durch die Teilnahme an der Rückrufmaßnahme für vom Abgasskandal betroffene 500 Polizeifahrzeuge weitergehende Gewährleistungsansprüche auf Rückabwicklung/Schadenersatz zu verlieren, die Fahrzeuge vorerst nicht dem Rückruf zuführen werde. Damit richte sich erstmalig auch die öffentliche Hand gegen den Rückruf. Die Düsseldorfer Anwälte warnen schon lange vor den juristischen und technischen Nachteilen der Rückrufteilnahme und berufen sich wegen der technischen Nachteile auf eine offizielle Warnung der EU-Kommission, technische Erläuterungen von Motoreningenieuren und die negativen Praxiserfahrungen ihrer Mandanten.
Kraftfahrt-Bundesamt droht mit Fahrzeugstilllegung von Rückrufverweigerern
„Jetzt wird auch der letzte Bürger begreifen, dass das Bundesverkehrsministerium, das Kraftfahrt-Bundesamt und der VW-Konzern eine unheilige Allianz gegen den Bürger geschmiedet haben“, glaubt Rechtsanwalt Prof. Dr. Marco Rogert, Gründungspartner der Sozietät und Wirtschaftsprofessor an der FOM: „Nachdem der Bürger von Volkswagen betrogen wurde, wie die Landgerichte Hildesheim und Krefeld in den Verfahren, die die Kanzlei Rogert und Ulbrich feststellten, folgt jetzt eine Erpressung durch die rechtswidrige Androhung der HU-Plakettenversagung beim TÜV Nord und die Androhung der Fahrzeugstilllegung für Fahrzeuge von Rückrufverweigerern durch das Kraftfahrt-Bundesamt“, erläutert der Anwalt.
Rückrufaktion muss gestoppt werden
„Rechtswidrig“ sei die gesamte Rückrufaktion, so Rogert weiter, weil die EU-Typgenehmigung nach § 19 Abs. 7 i.V.m § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StVZO kraft gesetzlicher Anordnung erloschen sei und die Rückrufmaßnahme als Auflage gem. § 25 Abs. 2 EG-FGV zur EU -Typgenehmigung nur dann rechtmäßig erfolgen könne, wenn die Genehmigung noch bestünde. Das sei vorliegend aber aufgrund des Erlöschens der Typgenehmigung nicht der Fall, weshalb die gesamte Rückrufaktion „sofort gestoppt“ werden müsse. Die Teilnahme an der Rückrufaktion sei deshalb auch „kein geeignetes Unterscheidungskriterium für die Frage, ob eine Stilllegungsverfügung zu erfolgen habe oder nicht“. „Entweder alle oder keines“, so der Anwalt.
„Wer nicht klagt, wird am Ende der Dumme sein“
Das am 21.2.2017 beschlossene Dieselfahrverbot in Stuttgart ab 2018 „werde die Talfahrt des Wertes der betroffenen Fahrzeuge beschleunigen, da dies nur der Anfang sei und weitere große Städte spätestens nach der Bundestagswahl nachziehen“, glaubt der Anwalt.
„Bedauerlicherweise muss jeder Geschädigte individuell sein Recht durchsetzen, da Sammelklagen in Deutschland unzulässig sind“, gibt Rogert zu verstehen. Entsprechende Angebote im Internet seien mit großer Vorsicht zu genießen, warnt der Anwalt die Betroffenen. „Wer nicht klagt, wird am Ende der Dumme sein“.