Bei vielen Dieselfahrzeugen unterschiedlicher Hersteller werden sogenannte Thermofenster verwendet, um die Abgasrückführung in einem bestimmten Temperaturbereich zu reduzieren. Die Autohersteller halten dies für notwendig, um den Motor vor Versottungsschäden zu schützen.
LG: Thermofenster stellen unzulässige Abschalteinrichtung dar
Das Landgericht Stuttgart sieht in dem Thermofenster allerdings eine unzulässige Abschalteinrichtung und verurteilte deshalb schon Mercedes und nun auch Audi zu Schadensersatz, weil der Käufer durch die unzulässige Abschalteinrichtung vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden sei. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
Die Reduzierung der Abgasrückführung sei zwar in Ausnahmefällen zulässig. Allerdings habe Audi in dem zu Grunde liegenden Verfahren nicht hinreichend dargelegt, dass eine solche Ausnahme zum Schutz des Motors vorliegt, so das Landgericht Stuttgart.
Audi: Reduzierung soll Motor vor massiven Schäden schützen
Der Kläger hatte einen Audi A4 3 Liter TDI bei einem unabhängigen Händler erworben. Neben einem SCR-Katalysator zur Reduktion des Stickoxid-Ausstoßes verfügt das Fahrzeug auch über eine sogenannte Abgasrückführung. Diese wird bei bestimmten Temperaturen allerdings zurückgefahren und bei Temperaturen unter 5 Grad Celsius signifikant reduziert. Audi legte dar, dass die Abgasrückführung bei dem A4 3 Liter TDI bei einer Außentemperatur zwischen 20 und 38 Grad Celsius bei 100 Prozent, bei Temperaturen zwischen 20 und 5 Grad zwischen ca. 100 und 96 Prozent und bei Temperaturen zwischen 5 und minus 10 Grad noch zwischen 96 und 82 Prozent liege. Diese Reduzierung, das sog. „Ausrampen“ sei notwendig, um den Motor vor ggf. massiven Schäden zu schützen. Solche Thermofenster würden in den meisten Dieselfahrzeugen aller Hersteller eingesetzt.
Dauerhafte Abgasrückführung keine Ausnahme im Sinne des EU-Gesetzgebers
Diese Argumentation überzeugte das Landgericht Stuttgart nicht. Eine Abschalteinrichtung sei nur ausnahmsweise zulässig, um den Motor vor Beschädigungen zu schützen. Dies sei hier aber nicht der Fall. Bei einer jährlichen Durchschnittstemperatur von 10 Grad in Stuttgart oder 4,8 Grad in Helsinki würde die Abschalteinrichtung fast ununterbrochen arbeiten. Dies könne keine Ausnahme im Sinne des EU-Gesetzgebers sein, stellte das Landgericht Stuttgart klar. Dagegen spreche auch, dass in Art. 3 Nr. 9 Durchführungsverordnung festgelegt sei, dass die Stickoxid-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart des Motors bei minus 7 Grad Celsius innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreicht haben muss. Ohne diesen Nachweis dürfe keine Typengenehmigung erteilt werden. Damit sei auch klargestellt worden, dass es für ein daneben bestehendes Thermofenster bei niedrigen Temperaturen keine Rechtfertigung geben kann. Zudem könnte eine Versottungsgefahr des Motors möglicherweise auch durch andere technische Maßnahmen erreicht werden, ohne dass eine Reduzierung der Abgasrückführung notwendig ist.
Audi wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz verpflichtet
Unterm Strich sei das Thermofenster daher als unzulässige Abschalteinrichtung einzustufen, durch die der Käufer vorsätzlich sittenwidrig geschädigt wurde und Audi daher zum Schadensersatz verpflichtet ist, so das Landgericht Stuttgart. Zudem verurteilte das Gericht den Händler zur Rücknahme des Fahrzeugs und Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer.
Nutzen Sie Ihre Möglichkeiten
„Das Landgericht Stuttgart hat erneut deutlich gemacht, dass es in Thermofenstern bei der Abgasrückführung unzulässige Abschalteinrichtungen sieht und die Käufer dadurch vorsätzlich sittenwidrig geschädigt wurden. Es bestehen daher gute Aussichten, Schadensersatzansprüche gegen VW, Audi und Porsche aber auch gegen andere Hersteller geltend zu machen“, so Rechtsanwalt Marcel Seifert, Brüllmann Rechtsanwälte, aus Stuttgart.
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