Ehegatten setzten sich im Testament zu gegenseitigen Vollerben ein
Der spätere Erblasser errichtete gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau – der Beklagten in dem späteren Rechtsstreit – ein gemeinsames Testament. Darin setzten sich die Ehegatten gegenseitig zu Vollerben ein. Sie regelten darin weiterhin, dass der längstlebende Ehegatte für den Fall, dass er wieder heiraten sollte, den gesamten Nachlass nur an die gemeinsamen Kinder vererben dürfte.
Das Gericht legte diese und weitere Klauseln des Testaments dahingehend aus, dass zwischen den Ehegatten Einigkeit über die Einsetzung der Kinder als Schlusserben bestand. Bei anderer Auslegung des Testaments wäre die Klausel über die Wiederverheiratung als auflösende Bedingung für die Vollerbenstellung des überlebenden Ehegatten zu sehen, der damit zugleich als aufschiebend bedingter Vorerbe und die Kinder als aufschiebend bedingte Nacherben eingesetzt wäre.
Welche dieser Interpretationen letztlich „richtig“ ist, musste das Gericht für diesen Rechtsstreit nicht entscheiden, weil in jedem Falle die Kinder – und damit auch die klagende Tochter – nach diesem Testament Erben waren: Entweder Schlusserben oder aufschiebend bedingte Nacherben nach dem längstlebenden Ehegatten.
Eine Tochter des Erblassers war mit diesen Regelungen nicht zufrieden
Sie wollte ihren Pflichtteil haben.
Nach dem Tode des Erblassers (17.10.2010) hatte das zuständige Nachlassgericht der überlebenden Ehefrau – der jetzigen Beklagten – am 19.1.2011 einen Erbschein als befreite Vorerbin erteilt, verbunden mit dem Vermerk, dass im Falle ihrer Wiederverheiratung Nacherbfolge eintreten werde.
Mit Schreiben vom 26.8.2013 machte die unzufriedene Tochter gegenüber der Witwe die Pflichtteilsansprüche geltend und forderte sie unter Fristsetzung auf, Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen. Die Witwe lehnte dies ab.
Daraufhin erhob die Tochter Stufenklage und forderte in erster Linie Auskunft sowie – nach Erhalt der begehrten Auskünfte – Zahlung des Pflichtteils. Die Tochter ließ vortragen, sie sei aufgrund des Testamentes nur als Nacherbin unter einer aufschiebenden Bedingung eingesetzt und enterbt. Deswegen stünden ihr nach ihrer Auffassung auch ohne Ausschlagung die Ansprüche einer Pflichtteilsberechtigten zu.
Das Landgericht wies die Klage ab, das OLG Köln vertrat die gleiche Auffassung
In der Entscheidung des OLG Köln wird die Klägerin nochmals darüber informiert, dass Voraussetzung für einen Pflichtteilsanspruch eine Situation ist, in der das pflichtteilsberechtigte Kind durch letztwillige Verfügung des Erblassers als Erbe ausgeschlossen wurde. Ein derartiger Ausschluss liegt dann nicht vor, wenn das Kind erbberechtigt ist. In diesem Sinne hat auch die Nacherbin die Stellung einer Erbin, und zwar gleichgültig, ob die Position als Nacherbin auflösend oder aufschiebend bedingt ist. Solange diese Nacherbenstellung besteht, hat die Klägerin keinen Anspruch auf den Pflichtteil.
Die einzige Möglichkeit wäre die rechtzeitige Ausschlagung gemäß § 2306 Abs. 2 BGB gewesen. Die gesetzliche Ausschlagungsfrist von (im Regelfall) sechs Wochen ab Kenntnis des Todes des Erblassers und des Testaments war in dem hier entschiedenen Fall aber lange verstrichen. Die Klägerin hatte nicht ausgeschlagen. Eine Heilung dieser Unterlassung war nicht möglich, so dass das Gericht der Klägerin im Urteil mitteilte, dass ihr Pflichtteilsansprüche – und demzufolge auch die notwendigen Auskunftsansprüche zur Erlangung des Pflichtteils – endgültig nicht zustanden.
Der Fall macht deutlich, wie notwendig es ist, bei einem Sterbefall eines nahen Verwandten dringend schnellstmöglich Rechtsrat einzuholen.
MEIN TIPP:
Sollten Sie in eine derartige Situation kommen, fragen Sie sich als erstes, welches Ihre Prioritäten sind. Trauerarbeit braucht ihre Zeit, möglicherweise viele Wochen oder Monate. Darauf nimmt das Gesetz aber keine Rücksicht – mit Fristablauf der Ausschlagungsfrist tritt der entsprechende Rechtsverlust ein, der testamentarisch berufene Nacherbe bleibt an den Willen des Erblassers endgültig gebunden, ob es ihm gefällt oder nicht.
Sie sollten deswegen umgehend – am besten innerhalb von drei Tagen ab Kenntnis des Sterbefalles – bei einem Fachanwalt oder einer Fachanwältin für Erbrecht einen Termin für eine erste Beratung wahrnehmen, also bereits an diesem Tag in der Kanzlei das Gespräch führen. Nehmen Sie das Testament mit zu der Besprechung, wenn es möglich ist, gegebenenfalls auch nur eine Kopie, die der Erblasser Ihnen lebzeitig gegeben hat, und besprechen Sie mit Ihrem Berater auch Ihre Optionen, die das Testament eröffnet, und vor allen Dingen: welche Fristen einzuhalten sind.
Denken Sie daran, dass wahrscheinlich vor dem Ergreifen von Maßnahmen (zum Beispiel: Erklärung der Ausschlagung) noch weitere Prüfungsschritte erforderlich sind, die im faktischen Bereich oder in der rechtlichen Situation liegen können, jedenfalls aber Zeit benötigen. Diese Zeit hat der von Ihnen beauftragte Fachanwalt nur dann, wenn Sie ihn soweit als möglich vor Fristablauf einschalten.