Der Entscheidung des BGH ging folgender Sachverhalt voraus
Der Geschädigte musste mit ansehen, wie ein alkoholisierter Autofahrer in einer langgezogenen Kurve die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor, dabei auf die Gegenfahrbahn geriet und mit dem Motorrad seiner Frau frontal zusammen stieß. Ihm selber war es noch geglückt, dem Fahrzeug auszuweichen. Die Ehefrau verstarb.
In der Folgezeit litt der Ehemann unter Angstzuständen, Schweißausbrüchen und Zittern im Straßenverkehr und musste daher seinen Beruf als Lkw-Fahrer aufgeben. Zudem verließ er auf Rat seines Arztes die Familienwohnung, um den Unfall psychisch besser verarbeiten zu können. Ferner wurde bei dem Ehemann eine akute Belastungsreaktion nach ICD F43.9 G festgestellt. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers zahlte an den Ehemann daher außergerichtlich ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 Euro. Dies war ihm aber zu wenig, sodass er Klage auf Zahlung eines weiteren Betrags von 8.000 Euro erhob.
LG verneint Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld
Das Landgericht Arnsberg verneinte ein weiteres Schmerzensgeld nach § 823 Abs.1 BGB, da der Anspruch durch die außergerichtliche Zahlung der 4.000 Euro erloschen sei.
Auch OLG verneint grundsätzlichen Anspruch auf Schmerzensgeld
Das Oberlandesgericht Hamm wies die vom Ehemann gegen das Urteil eingelegte Berufung zurück. § 823 Abs.1 BGB sei in diesem konkreten Fall bereits nicht anwendbar, da dieser eine Gesundheitsverletzung voraussetze. Eine solche würde hier jedoch nicht vorliegen. Seelische Schmerzen oder Trauer alleine reichen nicht aus. Vielmehr müssen die psychischen Beeinträchtigungen des Betroffenen infolge des Unfalltodes eines nahen Angehörigen nach Art und Schwere deutlich über das hinausgehen, was nahestehende Personen von Getöteten erfahrungsgemäß an seelischem Schmerz erleiden. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts hätten sich die psychischen Beeinträchtigungen noch im Rahmen dessen gehalten, was als übliche Trauerreaktion nach dem Unfalltod der Ehefrau zu erwarten ist.
BGH: Miterleben des Unfalltods der Ehefrau begründet regelmäßig Schmerzensgeldanspruch
Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten des Klägers und hob daher die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf. Dieses habe die Anforderungen an das Vorliegen einer Gesundheitsverletzung im Falle einer psychischen Beeinträchtigung überspannt. Aus Sicht des Bundesgerichtshofs muss bei der Abwägung, ob eine entsprechende Gesundheitsbeeinträchtigung vorliegt, berücksichtig werden, dass der Kläger den Unfalltod seiner Ehefrau unmittelbar miterlebt hat und zudem selbst dem Unfallgeschehen ausgesetzt war. In einem solchen Fall könne regelmäßig ein Schmerzensgeldanspruch angenommen werden.
OLG muss neu verhandeln
Der Bundesgerichthof wies den Rechtsstreit zur Neuverhandlung über den Schmerzensgeldanspruch des Klägers an das Oberlandesgericht zurück.