Die Sachverständigengesellschaft VUT hat hierzu bereits ausführlich Stellung genommen. In der dem Urteil (AG Meißen, Urteil vom 29.05.2015, Az.: 13 OWi 703 Js 21114/14) vorausgehenden Hauptverhandlung wurden etliche technische Detailfragen rund um das Messgerät erörtert, auch der ehemalige Entwicklungsleiter der Firma war als Zeuge geladen. Das Ergebnis – ES 3.0 ist kein standardisiertes Messverfahren – lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Was das Messgerät kann:
- alle 10 Millisekunden mittels Sensoren Helligkeitsunterschiede erkennen
- die Helligkeitsunterschiede als Spannungswerte erfassen
- die Spannungswerte zu vergleichen und statistisch weitgehend ähnliche Spannungswerte zu erkennen
- die Reihenfolge der Erfassung dieser ähnlichen Spannungswerte feststellen und daraus einen Geschwindigkeitswert bilden
- errechnen, wann sich ein gleicher Spannungswert in ca. 3 Metern Entfernung vom mittleren der drei Sensoren befindet und in diesem Zeitpunkt ein Foto auslösen
- mittels der Kriterien Seitenabstand, Fahrtrichtungsanzeige und Fotoposition eine nachträgliche Überprüfung der Messwertzuordnung zu einem Fahrzeug ermöglichen
Was das Messgerät nicht kann:
- fahrzeugfremde Helligkeitserfassungen von solchen durch Fahrzeugteile unterscheiden
- abbilden, wodurch der Helligkeitsunterschied hervorgerufen wurde
- die errechnete Geschwindigkeit nachträglich kontrollieren
Was man nicht weiß
- die erforderliche statistische Übereinstimmung der erfassten Spannungswerte für die Speicherung der Messung als gültig
- wie der ausgeworfene Geschwindigkeitswert berechnet wurde (die sog. „Rohdatenproblematik“)
Was man weiß
- ein einziger (!) übereinstimmender Spannungswert („Peak“) genügt, um eine Messung als gültig zu speichern
Hieraus ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:
Da das Messgerät nicht dazu in der Lage ist, fahrzeugfremde Helligkeitsveränderungen von solchen, welche durch Fahrzeugteile ausgelöst wurden, zu unterscheiden, kann man nie sicher feststellen, dass die Messung tatsächlich von einem Fahrzeug ausgelöst wurde. Dies gilt insbesondere bei Nachtmessungen, zu einer Überzeugung wird man jedoch auch „am Tage“ nicht gelangen können.
Auch die Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung kann nicht zuverlässig bestätigt werden. Wenn schon eine einzige Übereinstimmung genügt, kann sich diese ohne Weiteres aus einer Erfassung der Fahrzeugfront, einer Erfassung der A-Säule und einer Erfassung der Rückleuchten ergeben. Erforderlich für die Ermittlung eines Geschwindigkeitswertes wäre jedoch die zuverlässige Feststellung, dass die Einzelwerte von denselben Fahrzeugteilen stammen. Dies ist nicht möglich. Es kann überhaupt bestenfalls ein Wahrscheinlichkeitswert angegeben werden, dass die Helligkeitsprofile identisch sind.
Damit hat sich auch das maßgebliche Plausibilitätskriterium der Fotolinie erledigt. Grundsätzlich spricht man von einer plausiblen Fotoposition, wenn sich die Fahrzeugfront an der Fotolinie befindet. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn die für die Vorausberechnung zu Rate gezogenen Helligkeitsveränderungen auch von der Fahrzeugfront stammen, was sich nachträglich nicht sicher feststellen lässt. Vielmehr befindet sich allenfalls diejenige Helligkeitsveränderung, die die Messung ausgelöst hat, an der Fotolinie.
Aufgrund der gerätebedingten Schwächen ist eine sichere Beweisführung mit dem Messgerät nicht möglich. Es kann nicht stets von gleichen Messwerten unter gleichen Bedingungen ausgegangen werden, weshalb es sich nicht um ein standardisiertes Messverfahren handelt. Daher wäre es erforderlich, bei jeder Messung eine Rohdatenanalyse einzuholen. Dies ist jedoch nur über den Hersteller zu teuren Preisen möglich, eine Überprüfung durch unabhängige Sachverständige ist aufgrund einer trotz fehlenden Urheberrechts durchgeführten Verschlüsselung nicht möglich. Dem tragen mehrere Gerichte bereits Rechnung und stellen zahlreiche Verfahren auf unsere Intervention hin ein.
Gegen Bußgeldbescheid wehren
Es lohnt sich daher, Bußgeldbescheide aufgrund von Messungen mit ES 3.0 stets anzugreifen!