Oftmals hängt die Verurteilung wegen einer Vergewaltigung oder eines sexuellen Missbrauchs nur von einer einzigen Zeugenaussage ab (Stichwort: Aussage gegen Aussage). Dabei sind verzerrte Sachverhaltsschilderungen, Übertreibungen, unwahre Aussagen oder gar falsche Verdächtigungen leider keine Ausnahme, insbesondere wenn Kinder in Sorgerechtstreitigkeiten instrumentalisiert werden oder Rache an einem Ex-Partner geübt werden soll.
Häufig gibt es nur Zeugenaussagen und keine objektiven Sachbeweise
Im Gegensatz zu anderen Strafverfahren sind bei Sexualstrafverfahren, insbesondere bei Missbrauch und Vergewaltigung, selten objektive Sachbeweise vorhanden, sodass sich die Tatvorwürfe meist auf eine bloße Zeugenaussage beschränken. Aber auch in Konstellationen wo es vermeintliche Sachbeweise gibt, z.B. beim Fund von (kinder)pornographischen Schriften, wird oftmals aus Unkenntnis oder vorschnell unterstelltem Vorsatz vorbei an den rechtlichen Bestimmungen und höchstrichterlichen Entscheidungen falsch geurteilt. Dies macht Sexualstrafverfahren sehr gefährlich, da es oftmals nur darauf ankommt, wem die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht mehr Glauben schenkt – dem Opfer oder dem Täter.
Zunehmende Übersensibilisierung
Des Weiteren ist eine zunehmende Übersensibilisierung seitens Gericht und Medien festzustellen, sodass Handlungen die noch vor wenigen Jahren keinen ernsthaft anzunehmenden Sexualbezug aufwiesen oder noch weit unter der Erheblichkeitsschwelle lagen, Grundlage polizeilicher Ermittlungen werden. Noch deutlicher wird dies im Zusammenhang mit der Nutzung moderner Kommunikationsmittel, wie facebook, WhatsApp oder anderen Chatforen, bei denen Bilder oder Texte sexuellen Inhaltes ausgetauscht werden und schnell zu strafrechtlichen Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs! oder sexueller Beleidigung führen können.
Das polizeiliche Ermittlungsverfahren
Das Verfahren in Sexualstrafsachen beginnt in der Regel mit einer polizeilichen Anzeige des Opfers. Im Anschluss hieran wird der Angezeigte von der Polizei angeschrieben oder gar persönlich aufgesucht und zu den Vorwürfen des Opfers vernommen. Hierbei ist auf Seiten des Beschuldigten höchste Vorsicht geboten, da der Angezeigte zu diesem Zeitpunkt in der Regel überhaupt nicht weiß, was ihm konkret zur Last gelegt wird, was das Opfer ausgesagt hat und welcher Sachverhalt bzw Tatvorwurf letztlich im Raum steht. Nicht selten versucht die Polizei wegen dem oben erwähnten Problem der mangelnden Sachbeweise mit einer vorläufigen Festnahme oder gar der Vorführung beim Haftrichter erheblichen Druck beim Beschuldigten aufzubauen, um so zu einer schnellen Aussage und einem möglichen Geständnis des Beschuldigten zu kommen. (Bei über 50 % aller Vergewaltigungs- und Missbrauchvorwürfen wird sogar die Festnahme erklärt oder im Laufe der Ermittlungen sogar die Untersuchungshaft angeordnet!) Deshalb ist es gerade bei den Sexualstrafverfahren auch so wichtig, so schnell wie möglich einen spezialisierten Anwalt zu konsultieren und die Aussage zunächst zu verweigern, um erst einmal aufgrund des anwaltlichen Akteneinsichtsrecht umfassende Kenntnis von den Vorwürfen des Opfers zu erhalten! Selbst wenn man der festen Überzeugung ist nichts unrechtes getan zu haben und unschuldig ins Visier der Ermittlungen geraten zu sein oder die polizeilichen Vorwürfe nicht mit der tatsächlichen Realität im Einklang stehen, ist es dennoch unabdingbar von seinem gesetzlich verankertem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, selbst wenn man immer wieder Sätze hört wie „wenn man nichts zu verbergen hat, dann kann man auch aussagen“ etc... Denn in der Situation einer polizeilichen Vernehmung - gepaart mit dem Tatvorwurf einer Sexualstraftat, die zumeist mit hohen Haftstrafen bewährt ist - ist der Laie oftmals mit der überlegenen Frage- und Vernehmungstechnik der Polizei überfordert und weiß vor allem nicht, was das Opfer ihm konkret vorwirft. Sagt man jedoch aus, ist eine solche Aussage nicht rückgängig zu machen und wird zur Grundlage aller weiteren Ermittlungen und einer etwaigen Verurteilung, zumal die Polizei nicht wörtlich protokolliert sondern nur inhaltlich, also so wie der vernehmende Polizist es meint gehört oder verstanden zu haben - eine immense Fehlerquelle also, die Missverständnisse und Ungereimtheiten geradezu vorprogrammiert! Andererseits darf die Verweigerung der Aussage dem Beschuldigten zu keinem Zeitpunkt negativ ausgelegt werden, wobei es dem Beschuldigten natürlich unbenommen bleibt, sich zu einem späteren Zeitpunkt z.B. nachdem ein Anwalt Akteneinsicht genommen hat und man daher auch den konkreten Tatvorwurf des Opfers kennt, auszusagen.
Welche Maßnahmen drohem dem Beschuldigten einer Sexualstraftat?
Nicht selten drohen aber auch weitere Maßnahmen, wie erkennungsdienstliche Behandlung, Abnahme des genetischen Fingerabdrucks (DNA Speichelproben) zur Aufnahme in der Sexualstraftäterkartei, Sicherstellung und Beschlagnhme von Gegenständen sowie die Durchsuchung von Wohnung und Arbeitsplatz! Auch diese Maßnahmen gilt es anwaltlich auf Rechtmäßigkeit und Durchsetzbarkeit hin überprüfen zu lassen, da viele Beschuldigte aus einer falsch verstandenen Kooperationsbereitschaft solche Maßnahmen über sich ergehen lassen ohne dass dies gerechtfertigt oder gar rechtmäßig wäre!
Warum sollte man sich als Täter oder Opfer an einen spezialisierten Anwalt im Sexualstrafrecht wenden?
Wie oben gezeigt sollte man sich - egal ob Täter oder Opfer einer Sexualstraftat - schon unmittelbar nach der angezeigten Straftat sofort an einen spezialisierten Anwalt wenden – also bevor man sich überhaupt zu der Sache äußert – der dann den Beschuldigten von einem polizeilichen Erscheinen zur Vernehmung entschuldigt und erst einmal Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft nimmt oder einem Opfer bei der Vernehmung Rechtsbeistand leistet. Nach erfolgter Akteneinsicht bespricht der Anwalt den Akteninhalt und vor allem die Aussage des Opfers mit dem Beschuldigten. In diesem Zusammenhang hat der Beschuldigte die Möglichkeit auf die Vorwürfe konkret Stellung zu nehmen die der Anwalt dann ggf. der Staatsanwaltschaft in einer sog. Verteidigerschrift mitteilt, mit dem regelmäßigen Ziel eine Einstellung des Strafverfahrens zu erwirken. Als Besonderheit gerade für das Sexualstrafrecht gilt es in diesem Zusammenhang zu wissen, dass das Ermittlungsverfahren oft – vor allem auch von Anwälten – in seiner Bedeutung unterschätzt wird. Denn wie das Hauptverfahren (also ein Gerichtsverfahren) abläuft, ausgeht und wie das Urteil ausfällt ist weitgehend vom Ermittlungsverfahren bestimmt. Im Ermittlungsverfahren werden die Weichen für ein etwaiges richtige oder aber auch falsche Urteil gestellt sodass Mängel, falsche Beratung und falsche Vorgehensweise im Ermittlungsverfahren in der Regel in einem gerichtlichen Hauptverfahren nicht mehr zu beseitigen sind.
Das gerichtliche Verfahren
Stellt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren nicht ein, weil sie der Meinung ist, dass aufgrund der Beweislage eine gerichtliche Verurteilung wahrscheinlich ist, klagt sie die angezeigte Tat zum Strafgericht an. Nach Eingang der Anklage bei Gericht prüft das Gericht die Akten und entscheidet anhand der Aktenlage ob es das Verfahren gegen den Beschuldigten eröffnet (97 % aller staatsanwaltschaftlichen Anklagen werden in Sexualstrafverfahren eröffnet!). Wenn das Gericht das Verfahren eröffnet, kommt es zu einer Verhandlung vor Gericht. Der Ablauf eines solchen gerichtlichen Verfahrens gestaltet sich in der Regel so, dass sich zunächst der Angeklagte zu der Tat äußern kann, dann das Opfer und etwaige Zeugen vernommen werden und im Anschluss etwaige Sachbeweise in Augenschein genommen werden und sich ggf. Sachverständige äußern. Hierauf folgen dann die Plädoyers von Staatsanwalt, Opfervertreter und dem Verteidiger und schließlich die Urteilsverkündung des Richters. Ziel einer anwaltlichen Verteidigung muss es jedoch aufgrund der oben geschilderten Gefahren sein, schon im Anfangsstadium eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens – also bevor es überhaupt zu einer Gerichtsverhandlung kommt - alles juristisch Mögliche zu unternehmen, um ein gerichtliches Verfahren abzuwenden. Ein erfahrener Strafverteidiger wird in der Regel versuchen unwahre, übertriebene oder nicht nachweisbare Vorwürfe bereits im Ermittlungsverfahren zu entkräften, Zeugenaussagen auf Widersprüche und Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen und ggf. durch entsprechende Anträge auf Gutachten und andere Beweismittel die Staatsanwaltschaft von der Verfahrenseinstellung zu überzeugen.
Beschuldigter einer Sexualstraftat sollte sich einen erfahrenen Rechtsanwalt suchen
Wer einer Sexualstraftat beschuldigt wird, braucht dringend einen kompetenten und erfahrenen Rechtsanwalt, der nicht nur durch Fachkunde und Kompetenz, sondern vor allem durch Erfahrung, Feinfühligkeit und Fingerspitzengefühl überzeugt. Dies liegt wie einleitend gezeigt daran, dass einerseits der Vorwurf eines Sexualdelikts nicht selten instrumentalisiert wird, beispielsweise in der Folge von Streitigkeiten, Rache, Erpressung und Vorteilsnahme, andererseits vor allem daran, dass der Vorwurf einer Sexualstraftat mit gravierenden rechtlichen aber auch persönlich-familiären Konsequenzen verbunden ist. Darüber hinaus findet die Verteidigung auf dem Gebiet des Sexualstrafrechts vor dem Hintergrund einer hohen Emotionalisierung statt, weshalb die Verteidigung hier besonders darauf achten muss, dass das Verfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen ohne Vorurteile und einer Emotionalisierung der Prozessorgane durchgeführt wird. Gleichzeitig sollte auch der verteidigende Rechtsanwalt die Belange des Opfers bei der Entwicklung der konkreten Verteidigungsstrategie im Auge behalten und in geeigneten Fällen als Strafmilderungsgrund zum Einsatz bringen.