Dies war auch am 16.01.2018 der Fall, nachdem ein PKW-Fahrer in den Morgenstunden zwischen den Anschlussstellen Bochum-Wattenscheid-West und Gelsenkirchen-Süd bei einem Fahrstreifenwechsel zunächst auf einen im Stau stehenden Motorradfahrer und anschließend auf einen vor dem Motorradfahrer stehenden PKW auffuhr. Der Motorradfahrer wurde dabei schwer verletzt und musste mittels Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden. Während die Polizei zur Unfallaufnahme alle drei Fahrspuren in der betreffenden Fahrtrichtung absperrte, bildete sich auf der Gegenfahrbahn ein von Gaffern verursachter Stau. In diesem ereigneten sich zwei weitere Auffahrunfälle mit sechs beteiligten Fahrzeugen und drei leicht verletzten Personen.
Schaulustige behindern und bedrohen Rettungskräfte
Es ist längst ein Massenphänomen, dass an einer Unfallstelle vorbeifahrende Autofahrer ihre Geschwindigkeit reduzieren, um mit dem Smartphone Bild- und Videoaufnahmen zu erstellen die anschließend über die sozialen Medien verbreitet werden. Einzelne Verkehrsteilnehmer bleiben zu diesem Zweck sogar stehen. Die eigene Verpflichtung Hilfe zu leisten wird dabei verdrängt und mitunter werden sogar die herbeigerufenen Rettungskräfte bei ihren Rettungseinsätzen behindert oder gar bedroht. Eine sehenswerte Filmdokumentation eines Autounfalls finden sie hier.
Fotografieren und Filmen von Unfallopfern ist strafrechtlich relevant
Der Gesetzgeber hat auf diese Situation reagiert, indem er die Gesetze angepasst und neue Straf- oder Owi-Tatbestände geschaffen hat. Die Folge ist, dass wer Rettungskräfte angreift oder behindert, sich strafbar macht. Kraftfahrer die auf der Autobahn bei unfallbedingtem Stau keine Rettungsgasse bilden handeln zumindest ordnungswidrig. Hierzu verweisen wir auf unseren Artikel „Wenn Böller und Raketen zweckentfremdet werden“.
„Unterlassene Hilfeleistung“ ist strafbar
Jedoch kann sich nicht nur derjenige strafbar machen, der nach einem Unfall Polizeibeamte oder Rettungskräfte bei den Rettungsmaßnahmen behindert. Soweit noch keine Rettungskräfte an der Unfallstelle anwesend sind und nicht bereits ausreichend von anderen Personen Hilfe geleistet wird, ist nach § 323 c Abs. 1 StGB jede vor Ort befindliche Person zur Hilfe verpflichtet. Wer vor Ort keine aktive Hilfe leistet macht sich grundsätzlich strafbar, wenn es ihm nach den Umständen zuzumuten und ohne eigene erhebliche Gefährdung möglich ist, einem Unfallopfer Hilfe zu leisten. Das Gesetz sieht in diesem Fall eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr vor. grundsätzlich strafbar macht sich auch, wer ein Unfallopfer filmt oder fotografiert. Der Wortlaut des § 201 a Abs. 1 Nr. 2 StGB lautet:
„... wird bestraft, wer ... 2. eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.“
Wer sein Smartphone oder anderes technisches Gerät während der Fahrt oder im Stand bei laufendem Motor zum Filmen oder Fotografieren nutzt, begeht losgelöst von etwaigen Straftatbeständen immer eine Ordnungswidrigkeit, die mindestens mit 100 Euro und einem Punkt sanktioniert werden kann.
ETL Kanzlei Voigt Praxistipp
Nach einem Unfall sollte die Unfallstelle zunächst mittels Warndreieck abgesichert und das Warnblinklicht an den vor Ort befindlichen Fahrzeugen eingeschaltet werden. Zur eigenen Sicherheit sollte dabei eine Warnweste angelegt werden. Wenn Sie die Polizei oder Rettungskräfte verständigen, bleiben Sie so lange in der Leitung, bis sie darauf hingewiesen werden, dass Sie das Gespräch beenden können. Beginnen Sie anschließend mit der Ersten Hilfe. Sobald die Rettungskräfte eintreffen, überlassen Sie diesen alles Weitere und warten in ausreichendem Abstand auf etwaige Fragen der den Unfall aufnehmenden Polizei. Achten Sie auf Ihre eigene Sicherheit und leisten Sie den Anweisungen von Polizei und Mitarbeitern des Rettungsdienstes unbedingt Folge.
Sollten Sie selber in einen Unfall verwickelt oder gar verletzt werden, gehen Sie bei der Abwicklung mit Bedacht vor. Um den Ihnen zustehenden Schadensersatz vollständig zu erhalten, sollten Sie sich nicht dem Schadenmanagement des gegnerischen Versicherers, sondern einem Anwalt anvertrauen.