Ein mittelständisches Unternehmen der Metallindustrie mit rund 400 Mitarbeitern wollte bestimmte Teile der Produktion dauerhaft verringern und deshalb die Stammbelegschaft um rund 15 Prozent abbauen. Der Betriebsrat schlug vor, stattdessen Kurzarbeit einzuführen. Das Management lehnte ab. Daraufhin beantragte der Betriebsrat beim Arbeitsgericht Bochum die Einrichtung einer Einigungsstelle – mit Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Hamm bestätigte den Beschluss in einer Eilentscheidung.
Doppelter Anspruch auf Einrichtung einer Einigungsstelle
Die Arbeitgeberseite fand, dass dem Betriebsrat kein Initiativrecht zur Einrichtung einer Einigungsstelle zustehe. Außerdem hatte das Landesarbeitsgericht am Vortag dieser Verhandlung bereits eine Einigungsstelle in denselben Betrieb angeordnet, in diesem Fall zum Interessenausgleich und Sozialplan infolge der Personalkürzungspläne. Damit, so das Argument des Arbeitgebers, habe sich die Kurzarbeit als Grund für die Einrichtung erledigt.
Das Gericht hielt jedoch an dem doppelten Einigungsstellen-Anspruch des Betriebsrats fest, einmal zur Einführung von Kurzarbeit, zum anderen zur Klärung von Interessensausgleich und Sozialplan.
Einigungsstelle zu Kurzarbeit als Druckmittel des Betriebsrats
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm macht klar: Wenn Arbeitgeber in größerem Umfang Personal abbauen wollen, kann der Betriebsrat grundsätzlich von seinem Initiativrecht Gebrauch machen. Die Arbeitnehmerseite kann die Einführung von Kurzarbeit nicht nur vorschlagen, sondern konkrete Verhandlungen dazu fordern. Je nach Einzelfall führt das dann dazu, dass eine Einigungsstelle eingerichtet werden muss, auch und gerade dann, wenn der Arbeitgeber die Einführung von Kurzarbeit als Alternative kategorisch ablehnt.
Ob das Einigungsstellenverfahren dann tatsächlich den Bezug von Kurzarbeitergeld anstelle von Massenentlassungen bringt, ist eine andere Frage. In jedem Fall bedeutet das Procedere für die Arbeitgeberseite Zeitverlust und zusätzliche Kosten. Damit steht dem Betriebsrat bei Verhandlungen im Vorfeld ein durchaus wirksames Druckmittel zur Verfügung.
Das Einigungsstellenverfahren
Einigungsstellen sind gesetzlich geregelte Schlichtungsstellen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Sie werden vom Arbeitsgericht eingesetzt, wenn beide Seiten bei einem „erzwingbaren“ Thema von sich aus zu keiner Lösung finden. Erzwingbar sind zum Beispiel Arbeitszeitregelungen oder Sozialpläne – Fragen, die in die Zuständigkeit des Betriebsrats fallen und bei denen er zur Mitsprache (und nicht nur zur Anhörung) berechtigt ist.
Die Einigungsstelle besteht aus einer je gleichen Anzahl von Vertretern der Geschäftsführung und des Betriebsrats und einem neutralen Vorsitzenden, der in der Regel Arbeitsrichter ist. Unter seiner Leitung wird verhandelt. Ergibt sich keine Einigung, entscheidet seine Stimme. Die Kosten des Einigungsstellenverfahrens trägt der Arbeitgeber.
Die Durchführung von Einigungsstellen ist in der Regel von taktischen Gesichtspunkten bestimmt. Erfahrung und Kompetenz im kollektiven Arbeitsrecht zahlen sich dabei aus. So führt bereits die Einrichtung der Einigungsstellen schnell zu zahlreichen Streitpunkten, von der Zahl der Beisitzer bis zur Frage, wer als Vorsitzender fungieren soll. Dennoch enden viele Verfahren vor Einigungsstellen mit einer Verhandlungslösung und ohne einen Spruch, bei dem der Vorsitzende den Ausschlag gibt.
Zwei zentrale Themen im Pandemiejahr: Kurzarbeit und Personalabbau
Angesichts anhaltender wirtschaftlicher Einschränkungen und erneut ansteigender Infektionszahlen setzen Arbeitgeber seltener auf die vorübergehenden Effekte von Kurzarbeit. Stattdessen planen viele Entlassungen, reduzieren die Geschäftstätigkeiten dauerhaft oder denken über Betriebsstilllegungen nach.
Dabei können sich neben der Einigungsstellen-Thematik viele weitere arbeitsrechtliche Fragen ergeben. Einige Beispiele:
- Wurde zuvor Kurzarbeit eingeführt, kann dies betriebsbedingte Kündigungen sehr erschweren.
- Viele kleinere Arbeitgeber unterschätzen die Arbeitgeberpflichten bei Massenentlassungen. Diese können bereits bei sechs Kündigungen innerhalb von 30 Tagen gelten.
- Geplanter Personalabbau kann von Arbeitsgerichten als eine Betriebsänderung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gewertet werden. Dann hat der Betriebsrat umfangreiche Mitspracherechte, zudem stehen ein erzwingbarer Sozialplan und Interessensausgleich im Raum.
Wir helfen Ihnen gerne!
Rechtsanwalt Dr. Meides berät als Fachanwalt für Arbeitsrecht zu Kurzarbeit, Personalkürzungen, geplanten Betriebsänderungen bzw. Betriebsstilllegungen und damit verbundenen Rechtsfragen. Die Kanzlei vertritt seit vielen Jahren sowohl Arbeitgeber wie Betriebsräte und hat große Erfahrung mit den Details des Einigungsstellenverfahrens.