Nachdem verschiedene Landgerichte Daimler im Abgasskandal bereits zu Schadensersatz verurteilt haben, hat Daimler nun auch eine Schlappe vor einem Oberlandesgericht einstecken müssen. Das dürfte auch im Hinblick auf die verbraucherfreundliche Rechtsprechung in den vergangenen Wochen und Monaten der Durchbruch im Mercedes-Abgasskandal sein“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser aus Kiel.
Gebrauchtwagenkauf mit folgen
Der Kläger hatte einen Mercedes GLK 220 CDI 4Matic im Jahr 2014 als Gebrauchtwagen erworben. In dem Fahrzeug, Baujahr 2013, kommt der Dieselmotor des Typs OM 651 mit der Abgasnorm Euro 5 zum Einsatz.
Gekauftes Modell vom Rückruf betroffen
Im Juni 2019 hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen verpflichtenden Rückruf für das Modell aufgrund der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung angeordnet. Diese sorgt dafür, dass die Kühltemperatur künstlich niedrig gehalten wird und sich dadurch die Aufwärmung des Motoröls verzögert. Das hat zur Folge, dass der Stickoxid-Ausstoß auf dem Prüfstand im zulässigen Rahmen ist. Im realen Straßenverkehr ist diese Funktion jedoch oft deaktiviert, so dass der Stickoxid-Ausstoß steigt und die Grenzwerte nicht eingehalten werden. Das KBA wertet dies als unzulässige Abschalteinrichtung.
Kläger forderte Schadensersatz wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen
Der Kläger machte daher Schadensersatzansprüche wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen geltend. Neben der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung komme auch noch ein unzulässiges Thermofenster bei der Abgasrückführung zum Einsatz.
OLG bejahrt Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung
Im Berufungsverfahren sprach das OLG Naumburg dem Kläger Schadensersatz nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu. Daimler habe potenzielle Käufer getäuscht, indem es ein Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht habe. Damit sei konkludent erklärt worden, dass das Fahrzeug über einer uneingeschränkten Betriebserlaubnis verfügt. Dies war aber nicht der Fall, da dem Fahrzeug die Betriebserlaubnis aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung hätte entzogen werden können, so das OLG.
Daimler ist der sog. sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen
Der Kläger habe hinreichend substanziiert vorgetragen, dass in seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung zum Einsatz komme. Daimler habe dies im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht widerlegen können. Die Schreiben vom KBA habe der Autobauer entweder gar nicht oder zum größten Teil geschwärzt vorgelegt, kritisierte das Gericht. Daimler könne sich hier nicht auf den Schutz von Betriebsgeheimnissen berufen.
OLG: Fahrzeug ist mangelhaft
Unterm Strich werde erkannt, ob sich das Fahrzeug im Prüfmodus befindet und dann die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung aktiviert, während sie im realen Straßenverkehr häufig deaktiviert sei. Im Ergebnis seien die Erwerber eines Mercedes GLK 220 CDI genauso getäuscht worden wie die Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs mit dem Dieselmotor EA 189, führte das OLG Naumburg aus.
Käufer muss sich eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen
Der Schaden liege schon im Abschluss eines ungewollten Kaufvertrags und können auch nicht durch eine Software beseitigt werden. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs könne der Kläger daher die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer verlangen.
Chancen auf Durchsetzung von Schadenersatz hat sich noch einmal deutlich erhöht
„Für Daimler ist das eine empfindliche Niederlage im Abgasskandal. Die Chance, Schadenersatzansprüche durchzusetzen, wird dadurch noch einmal deutlich erhöht. Das gilt umso mehr, nachdem auch die EuGH-Generalanwältin Eleanor Sharpston Ende April klargemacht hat, dass sie Abschalteinrichtungen grundsätzlich für unzulässig hält, wenn sie zu einem höheren Emissionsausstoß im Straßenverkehr führen“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gasser, Kooperationspartner der IG Dieselskandal.