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Ordnungswidrigkeitenrecht und Verkehrsrecht | 12.05.2020

Kolumne zu Fahr­verboten

Neuer Bußgeld­katalog: Jetzt drohen deutlich schneller Fahrverbote

So wehren sich Autofahrer gegen Scheuers Fahrverbots-Hammer

Fachbeitrag von Rechtsanwalt Michael Winter

Verkehrs­regeln sind dazu da, um eingehalten zu werden. Doch dass mit dem neuen Bußgeld­katalog jetzt deutlich schneller Fahrverbote drohen, geht vielen Autofahrern zu weit. Was kann man tun, wenn es einen erwischt hat?

Unser Gesetzgeber war der Auffassung, dass zu schnelle Verkehrs­teilnehmer wohl offen­sichtlich nicht durch Bußgelder allein zu zähmen seien und hat vor wenigen Tagen deshalb die Grenzen, ab denen ein Fahrverbot droht, herab­gesetzt.

Innerorts genügt hierfür nun bereits eine Geschwindigkeits­übertretung von 21 km/h (abzüglich aller Toleranzen) – außerorts eine solche von 26 km/h (ebenfalls abzüglich aller Toleranzen).

Was ist eigentlich „Toleranz“?

An dieser Stelle weise ich darauf hin, dass üblicherweise bei Geschwindigkeiten bis 100 km/h 3 km/h Toleranz abgezogen werden, bei Geschwindigkeiten über 100 km/h sind es 3 % der gemessenen Geschwindigkeit (Beispiel: Gemessene Geschwindigkeit 160 km/h – 3 % hieraus = 4,8 km/h, ergibt aufgerundet einen Abzug von 5 km/h).

Nun aber zum Fahrverbot:

Juristen bezeichnen das Fahrverbot als sogenannte „Nebenstrafe“. Es wird üblicherweise für die Dauer von 1-3 Monaten (im Strafrecht sogar für die Dauer von 6 Monaten) verhängt.

Wichtiger Hinweis: 1 Monat entspricht keinesfalls 4 Wochen!

Wer also ein Fahrverbot verbüßt und glaubt, bereits nach 4 Wochen (Ausnahme: Das Fahrverbot wird außerhalb eines Schalt­jahres am 1. Februar angetreten) bereits wieder fahren zu dürfen, begeht für den Zeitraum vom 2 oder 3 Tagen eine Straftat (nämlich Fahren ohne Fahrerlaubnis), die mit Geldstrafe und Entzug der Fahrerlaubnis über einen längeren Zeitraum (10-12 Monate sind nicht unüblich) geahndet wird. Wer ein Fahrverbot verbüßt, darf (im Gegensatz zum Entzug der Fahrerlaubnis) nicht einmal ein Mofa bewegen!

Fahrverbote bei „grober Pflichtwidrigkeit“

Der Gesetzgeber hat das Fahrverbot für besonders schwerwiegende Verkehrs­verstöße normiert – hierzu zählen Geschwindigkeits­überschreitungen ebenso wie Verstöße gegen Abstands­regeln oder das Überfahren einer roten Ampel in bestimmten Fällen. In objektiver sowie subjektiver Hinsicht muss stets eine „grobe Pflicht­widrigkeit“ erfüllt sein.

Diese definieren Juristen wie folgt:

Eine grobe Pflicht­widrigkeit liegt in einer Verhaltens­weise, die objektiv von besonderem Gewicht ist, da sie immer wieder die Ursache schwerer Unfälle bildet und im subjektiven Bereich auf besonders grobem Leichtsinn, grober Nachlässigkeit oder Gleich­gültig­keit beruht – also eine besondere Verantwortungs­losigkeit darstellt und besonders verwerflich ist.

Die im Bußgeld­katalog genannten Fälle eines Fahrverbots unterliegen einen sogenannten „Regel- Ausnahme-Verhältnis“. Bei ihnen wird die grobe Pflicht­widrigkeit als gegeben angenommen – das Fahrverbot ist der Regelfall, von dem es jedoch Ausnahmen gibt.

Im Einzelfall kann auch zugunsten des Fahrers entschieden werden.

Nun auch einmal etwas Positives:

Nach der Rechtsprechung der Oberlandes­gerichte soll § 25 I 1 StVG die alleinige Rechts­grundlage für die Anordnung von Fahr­verboten bilden – bei dieser Norm handelt es sich Gott sei Dank um eine sogenannte „wider­legliche Vermutung“.

Dies heißt nichts anderes, als dass man, selbst wenn man nach dem Bußgeld­katalog ein Fahrverbot verwirkt hat, durch die besonderen Umstände des Einzelfalls die Vermutung und Indiz­wirkung für eine grobe Pflicht­widrigkeit möglicher­weise entkräften kann. Hat ein Täter also aus­nahmsweise nicht besonders verantwortungslos gehandelt oder hat er nicht den erforderlichen Grad einer sogenannten „Gefahr“ geschaffen, können diese Argumente gegen ein Fahrverbot vorgebracht werden.

Das häufig angeführte Argument, man habe doch nur eine gering­fügige Über­schreitung der für ein Fahrverbot gültigen km/h-Grenze (27 km/h außerorts) begangen, reicht aber definitiv nicht aus.

„Augenblicksversagen“ kann gegen Fahrverbot sprechen

Es würde zu weit führen, sämtliche Möglichkeiten, sich gegen ein Fahrverbot zur Wehr zu setzen, im Rahmen dieser Kolumne aufzulisten - jedoch bleibt fest­zuhalten: Im Falle eines sogenannten „Augenblicks­versagens“ wurde vom BGH zum Beispiel die Anordnung eines Fahrverbots in Fällen abgelehnt, wenn man das die Geschwindigkeit beschränkende Verkehrs­zeichen in Folge leichter Fahrlässigk­eit (eben jenes Augenblick­versagens) übersah. Hier fehlt es laut unseren höchsten Richtern am subjektiven Element der groben Pflicht­widrigkeit.

Jedoch besteht auch die Möglichkeit, von einer „anderen Seite“ gegen ein Fahrverbot zu argumentieren. Ein solches soll immer eine „Denkzettel – und Besinnungs­maßnahme“ sein. Sollte also ein milderes Mittel zur Verfügung stehen, um diesen Zweck in gleicher Weise zu erreichen, muss, nachdem man Einspruch gegen einen Bußgeld­bescheid einlegte, der mit der Sache befasste Amtsrichter/ die Amts­richterin prüfen, ob (gegebenenfalls im Zusammenhang mit dem Vorliegen bestimmter Umstände) der gleiche Zweck, den ein Fahrverbot erfüllt, beispiels­weise auch durch eine höhere Geldbuße erreicht werden kann.

Erhebliche Härten können Ausnahmen rechtfertigen

Nach der Herrschenden Meinung kann von einem Fahrverbot auch abgesehen werden, wenn es für einen Betroffenen „erhebliche Härten“ bedeutet oder bei ihm eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher oder durchschnittliche Umstände zusammen kommen. Hier ist jeweils die Verteidigung gefragt und verpflichtet, nach Erhalt aller Informationen für den Betroffenen entsprechend vorzutragen.

Welche Gründe im Einzelfall gegen ein Absehen von Fahrverbot sprechen und ob eine Existenz­gefährdung oder sogar Existenz­vernichtung mit dem Fahrverbot einhergeht, muss akribisch heraus­gearbeitet und bewiesen werden – möglicher­weise lässt sich hierdurch ein Gericht umstimmen und sieht (zum Beispiel gegen die bereits genannte Erhöhung der Geldbuße) von der Verhängung eines Fahrverbots ab.

Manchmal hilft auch der Zeitablauf. Liegen zwischen der Tat und dem Urteil 24 Monate oder mehr, ist überwiegend davon auszugehen, dass ein Fahrverbot eine „Denkzettel­funktion“ sicher nicht mehr erfüllen kann.

Ein Fachbeitrag von [Anbieter­kenn­zeichnung]

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