Unser Gesetzgeber war der Auffassung, dass zu schnelle Verkehrsteilnehmer wohl offensichtlich nicht durch Bußgelder allein zu zähmen seien und hat vor wenigen Tagen deshalb die Grenzen, ab denen ein Fahrverbot droht, herabgesetzt.
Innerorts genügt hierfür nun bereits eine Geschwindigkeitsübertretung von 21 km/h (abzüglich aller Toleranzen) – außerorts eine solche von 26 km/h (ebenfalls abzüglich aller Toleranzen).
Was ist eigentlich „Toleranz“?
An dieser Stelle weise ich darauf hin, dass üblicherweise bei Geschwindigkeiten bis 100 km/h 3 km/h Toleranz abgezogen werden, bei Geschwindigkeiten über 100 km/h sind es 3 % der gemessenen Geschwindigkeit (Beispiel: Gemessene Geschwindigkeit 160 km/h – 3 % hieraus = 4,8 km/h, ergibt aufgerundet einen Abzug von 5 km/h).
Nun aber zum Fahrverbot:
Juristen bezeichnen das Fahrverbot als sogenannte „Nebenstrafe“. Es wird üblicherweise für die Dauer von 1-3 Monaten (im Strafrecht sogar für die Dauer von 6 Monaten) verhängt.
Wichtiger Hinweis: 1 Monat entspricht keinesfalls 4 Wochen!
Wer also ein Fahrverbot verbüßt und glaubt, bereits nach 4 Wochen (Ausnahme: Das Fahrverbot wird außerhalb eines Schaltjahres am 1. Februar angetreten) bereits wieder fahren zu dürfen, begeht für den Zeitraum vom 2 oder 3 Tagen eine Straftat (nämlich Fahren ohne Fahrerlaubnis), die mit Geldstrafe und Entzug der Fahrerlaubnis über einen längeren Zeitraum (10-12 Monate sind nicht unüblich) geahndet wird. Wer ein Fahrverbot verbüßt, darf (im Gegensatz zum Entzug der Fahrerlaubnis) nicht einmal ein Mofa bewegen!
Fahrverbote bei „grober Pflichtwidrigkeit“
Der Gesetzgeber hat das Fahrverbot für besonders schwerwiegende Verkehrsverstöße normiert – hierzu zählen Geschwindigkeitsüberschreitungen ebenso wie Verstöße gegen Abstandsregeln oder das Überfahren einer roten Ampel in bestimmten Fällen. In objektiver sowie subjektiver Hinsicht muss stets eine „grobe Pflichtwidrigkeit“ erfüllt sein.
Diese definieren Juristen wie folgt:
Eine grobe Pflichtwidrigkeit liegt in einer Verhaltensweise, die objektiv von besonderem Gewicht ist, da sie immer wieder die Ursache schwerer Unfälle bildet und im subjektiven Bereich auf besonders grobem Leichtsinn, grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit beruht – also eine besondere Verantwortungslosigkeit darstellt und besonders verwerflich ist.
Die im Bußgeldkatalog genannten Fälle eines Fahrverbots unterliegen einen sogenannten „Regel- Ausnahme-Verhältnis“. Bei ihnen wird die grobe Pflichtwidrigkeit als gegeben angenommen – das Fahrverbot ist der Regelfall, von dem es jedoch Ausnahmen gibt.
Im Einzelfall kann auch zugunsten des Fahrers entschieden werden.
Nun auch einmal etwas Positives:
Nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte soll § 25 I 1 StVG die alleinige Rechtsgrundlage für die Anordnung von Fahrverboten bilden – bei dieser Norm handelt es sich Gott sei Dank um eine sogenannte „widerlegliche Vermutung“.
Dies heißt nichts anderes, als dass man, selbst wenn man nach dem Bußgeldkatalog ein Fahrverbot verwirkt hat, durch die besonderen Umstände des Einzelfalls die Vermutung und Indizwirkung für eine grobe Pflichtwidrigkeit möglicherweise entkräften kann. Hat ein Täter also ausnahmsweise nicht besonders verantwortungslos gehandelt oder hat er nicht den erforderlichen Grad einer sogenannten „Gefahr“ geschaffen, können diese Argumente gegen ein Fahrverbot vorgebracht werden.
Das häufig angeführte Argument, man habe doch nur eine geringfügige Überschreitung der für ein Fahrverbot gültigen km/h-Grenze (27 km/h außerorts) begangen, reicht aber definitiv nicht aus.
„Augenblicksversagen“ kann gegen Fahrverbot sprechen
Es würde zu weit führen, sämtliche Möglichkeiten, sich gegen ein Fahrverbot zur Wehr zu setzen, im Rahmen dieser Kolumne aufzulisten - jedoch bleibt festzuhalten: Im Falle eines sogenannten „Augenblicksversagens“ wurde vom BGH zum Beispiel die Anordnung eines Fahrverbots in Fällen abgelehnt, wenn man das die Geschwindigkeit beschränkende Verkehrszeichen in Folge leichter Fahrlässigkeit (eben jenes Augenblickversagens) übersah. Hier fehlt es laut unseren höchsten Richtern am subjektiven Element der groben Pflichtwidrigkeit.
Jedoch besteht auch die Möglichkeit, von einer „anderen Seite“ gegen ein Fahrverbot zu argumentieren. Ein solches soll immer eine „Denkzettel – und Besinnungsmaßnahme“ sein. Sollte also ein milderes Mittel zur Verfügung stehen, um diesen Zweck in gleicher Weise zu erreichen, muss, nachdem man Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid einlegte, der mit der Sache befasste Amtsrichter/ die Amtsrichterin prüfen, ob (gegebenenfalls im Zusammenhang mit dem Vorliegen bestimmter Umstände) der gleiche Zweck, den ein Fahrverbot erfüllt, beispielsweise auch durch eine höhere Geldbuße erreicht werden kann.
Erhebliche Härten können Ausnahmen rechtfertigen
Nach der Herrschenden Meinung kann von einem Fahrverbot auch abgesehen werden, wenn es für einen Betroffenen „erhebliche Härten“ bedeutet oder bei ihm eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher oder durchschnittliche Umstände zusammen kommen. Hier ist jeweils die Verteidigung gefragt und verpflichtet, nach Erhalt aller Informationen für den Betroffenen entsprechend vorzutragen.
Welche Gründe im Einzelfall gegen ein Absehen von Fahrverbot sprechen und ob eine Existenzgefährdung oder sogar Existenzvernichtung mit dem Fahrverbot einhergeht, muss akribisch herausgearbeitet und bewiesen werden – möglicherweise lässt sich hierdurch ein Gericht umstimmen und sieht (zum Beispiel gegen die bereits genannte Erhöhung der Geldbuße) von der Verhängung eines Fahrverbots ab.
Manchmal hilft auch der Zeitablauf. Liegen zwischen der Tat und dem Urteil 24 Monate oder mehr, ist überwiegend davon auszugehen, dass ein Fahrverbot eine „Denkzettelfunktion“ sicher nicht mehr erfüllen kann.