Wo fängt Mobbing an, d. h. wo verläuft die Grenze zwischen normalen „Reibungsverlusten“ unter Kollegen und aktiver Manipulation?
Die Abgrenzung zwischen Mobbing und anderen sozial unerwünschten Verhaltensweisen, z.B. aktive Manipulation, kann sich im Einzelfall als schwierig erweisen. Die arbeitsgerichtlichen Fachgerichte mühten sich bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2007 - 8 AZR 809/06 - ab, durch Anwendung zum Teil sehr umfangreicher und komplizierter Definitionen festzustellen, ob Mobbing vorliegt oder nicht.
Mobbing ist jedoch kein Rechtsbegriff, der in die deutsche Gesetzgebung Eingang gefunden hat, stellt somit auch keine mit einer Rechtsnorm vergleichbare Anspruchsgrundlage dar.
Gerichte müssen Einzelvorkommnisse sorgfältig anhand der vorhandenen Gesetze bewerten
In der Grundsatzentscheidung hat das Bundesarbeitsgericht den arbeitsgerichtlichen Fachgerichten „ins Stammbuch geschrieben“, wie sie bei Mobbingsachverhalten vorgehen müssen. Zunächst sind die vorgetragenen Einzelvorkommnisse sorgfältig anhand der vorhandenen Gesetze zu bewerten, anstatt nur zu diskutieren, ob systematisches Mobbing vorliegt. Danach ist eine Gesamtschau der einzelnen Handlungen, die Mobbing darstellen könnten, vorzunehmen und zu klären, ob die Teilakte zusammengenommen eine rechtlich verbotene Verletzung der Persönlichkeit oder der Gesundheit des Gemobbten darstellen.
Gesetzgeber erfasst durch Definition der Belästigung ebenfalls den Begriff des Mobbings
Das Bundesarbeitsgericht hat in einer weiteren Entscheidung vom 25. Oktober 2007 den Tatbestand der Belästigung in § 3 Abs.3 Antidiskriminierungsgesetz (AGG) als maßgeblich für die Frage angesehen, ob Mobbing vorliegt oder nicht. Mit der Definition der Belästigung in § 3 Abs.3 AGG habe der Gesetzgeber auch den Begriff des Mobbing umschrieben. Der Begriff der Belästigung könne auf alle Fälle der Benachteiligung eines Arbeitnehmers, gleich aus welchem Rechtsgrund übertragen werden. Die Vorschrift stelle darauf ab, dass ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen werde. Wesensmerkmal der als Mobbing bezeichneten Form der Rechtsverletzung sei damit die systematische, sich aus vielen einzelnen Handlungen / Verhaltensweisen zusammensetzende Verletzung, wobei den einzelnen Handlungen für sich allein betrachtet oft keine rechtliche Bedeutung zukomme.
Mobbing im rechtlichen Sinne beginnt erst bei Verletzung der Persönlichkeit oder der Gesundheit des Betroffenen
Zusammenfassend kann gesagt werden: Von Mobbing im rechtlich relevanten Sinn kann in der Regel erst dann gesprochen werden, wenn die genannten Vorfälle der Einschüchterung, Anfeindung, Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung mehrfach auftreten und sich über einen längeren Zeitraum (mindestens einem halben Jahr) erstrecken und die Persönlichkeit des Betroffenen oder seine Gesundheit verletzen.
Lesen Sie auch Teil 2:
Mobbing am Arbeitsplatz: Gibt es typische Verhaltensmuster bei Tätern und Opfern?