Dabei ging es um Mercedes-Benz-Diesel-Fahrzeuge mit dem Motor OM 651: einen C 250 D Baujahr 2016 und einen E 250 CDI Baujahr 2011. Der Motortyp OM 651 war seinerzeit der meistverkaufte Dieselmotor bei Mercedes-Benz. Er wurde ab dem Jahre 2016 sukzessive durch den neueren Motortyp OM 654 ersetzt. In einem weiteren Fall ging es um einen Motor OM 626, Euro 6. Dieser war in einen Mercedes Benz Typ C 200d eingebaut. Auch Fahrzeuge der S-Klasse stehen im Verdacht, vom Abgasskandal betroffen zu sein. Das betrifft Fahrzeuge mit dem Motor OM 642. Dieser wurde von 2008-2016 in zahlreichen Modellreihen verbaut, so auch in der S-Klasse.
Rückruf durch KBA
Einige Modelle mit dem Motortyp OM 651 wurden mittlerweile vom Kraftfahrtbundesamt zurückgerufen. Neben dem Transporter Vito sind u.a. auch Modelle der C-, E- und S-Klasse sowie die Geländewagen GLC, ML und der G-Klasse davon umfasst. Bei vielen Fahrzeugmodellen ist nur ein bestimmter Produktionszeitraum vom Rückruf betroffen.
Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung
Nach den Feststellungen des Landgerichts Stuttgart verfügten die Fahrzeuge über eine unzulässige Abschalteinrichtung. Deshalb sprach es den Käufern Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu. Die Rechtsgrundlage ist § 826 BGB. Selbst wenn es keinen offiziellen Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt gibt, bestehen sehr gute Erfolgsaussichten.
LG Stuttgart bewertet Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtungen
Die Fahrzeuge verfügten über die sogenannte Abgasrückführung, eine Technologie zur Reduktion des Stickoxidausstoßes (NOx). Die Abgasrückführung wird bei den Motoren des Typs OM 651 bei bestimmten Temperaturen zurückgefahren (Thermofenster). Dies stellt nach Auffassung des LG Stuttgart eine Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 EG VO 715/2007 dar, da gerade das Abgasrückführungssystem bzw. eine Software die Außentemperatur erkennt und die Funktion des Emissionskontrollsystems verändert. Dadurch wird die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems infolge der Reduktion der Abgasrückführung unter normalen Bedingungen des Fahrzeugbetriebs verringert. Die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems wird durch das entsprechende System an die Fahr- und Umweltbedingungen, die bei normalem Fahrbetrieb herrschen, angepasst. Unerheblich ist dabei, in welchem Maß eine Verringerung der Abgasrückführung erfolgt, da Art. 3 Nr. 10 EG VO 715/2007 eine solche Differenzierung nicht erlaubt und schlicht jede Veränderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems als Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist. Eine solche Abschalteinrichtung wäre nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen (Art. 5 Abs. 2 lit. a EG VO 715/2007). Das ist vorliegend nach den Feststellungen des Gerichts nicht der Fall.
Einbau einer Abschalteinrichtung nicht gerechtfertigt
Die Ausnahmeregelung des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 EG VO 715/2007 ist sehr eng auszulegen. Wer als Fahrzeughersteller von dem Verbot abweichen will, muss dies besonders rechtfertigen. Der Notwendigkeit im Sinne des Art. 5 Abs. 2 EG VO 715/2007 liegt insbesondere dann nicht vor, wenn sich die Abschalteinrichtung durch Konzeption, Konstruktion oder Werkstoffwahl vermeiden lässt.
Es ist demnach nicht bereits ausreichend, dass überhaupt individuelle technische Situationen auftreten können, in denen die Abschalteinrichtung zum Motorschutz oder zum sicheren Betrieb erforderlich ist, sondern darüber hinaus wäre unter Einbeziehung der zu dieser technischen Situation führenden Gründe erforderlich, dass auch diese notwendigerweise vorliegen, also generell unvermeidbar sind. Derartige Gründe liegen jedoch nicht vor. Unzweifelhaft nicht notwendig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a EG VO 715/2007 ist eine solche Abschalteinrichtung, die aus Motorschutzgesichtspunkten ununterbrochen arbeitet und damit den Zielsetzungen der Verordnung hinsichtlich einer eingehenden Kontrolle der Emissionswerte im Straßenbetrieb und einem grundsätzlichen Verbot von Abschalteinrichtung ein komplett zuwiderläuft.
Anspruch auf Schadensersatz auch nach Software-Updates
In Bezug auf den zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch des Käufers gegen den Hersteller bleibt der Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung trotz des Software-Updates bestehen, selbst wenn das Thermofenster durch ein Software-Update oder sonstige Maßnahmen nachträglich verändert oder beseitigt wird. Nach der Rechtsprechung ist der Schaden bereits mit Eingehen des ungewollten Vertrages eingetreten und wird durch nachträgliche Maßnahmen nicht beseitigt.
Nutzen Sie Ihre Chancen - machen Sie Ihre Ansprüche geltend
Betroffene Erwerber sollten nicht zögern, ihre Ansprüche geltend zu machen! Das gilt auch für Leasingnehmer. Klagen können nach Wahl des Klägers sowohl beim Landgericht Stuttgart, als auch bei dem für den Wohnsitz des Erwerbers zuständigen Landgericht anhängig gemacht werden.