Die Sozialkasse selbst bejahte diese Fragen – und hatte damit vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg. Doch entschieden ist der Beitragsstreit noch nicht. Der Restaurator, um dessen Unternehmen es geht, hat nicht aufgegeben.
Nun muss das Bundesarbeitsgericht entscheiden, ob Restaurierungsarbeiten mit künstlerischem Bezug unter den VTV fallen, den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe, und damit SOKA-beitragspflichtig sind.
Auf historische Fassaden spezialisiertes Restaurieren
Mit feinen Bohrern sowie mit Spritzen und Skalpellen wie in einer Arztpraxis gehen Restauratoren zu Werke, wenn sie den Putz alter Fassaden oder andere Teile historischer Gebäude Restaurieren, Schäden ausbessern und so die denkmalgeschützte Bausubstanz oder kunsthistorisch bedeutsame Monumente vor Verfall und schädlichen Umwelteinwirkungen schützen.
Neben dem Konservieren und Restaurieren der Bausubstanz selbst fällt ein großer Teil der Arbeitszeit auf detaillierter Befunderhebung und Dokumentation sowie das Ausarbeiten eines Konzepts für Restaurierungs- und Erhaltungsmaßnahmen. Bestimmte Elemente oder Stücke wie etwa Fassadenschmuck aus Außenstuck müssen zudem abgeformt und modelliert werden. Diese Arbeiten sind so nur für Restauratoren typisch sind.
Für die SOKA-Bau nur Stuck- und Putzarbeiten und keine künstlerische Tätigkeit
Dass Restaurationsbetriebe sich deshalb nicht dem klassischen Baugewerbe zurechnen, liegt nahe. Viel eher verorten sie sich im Kunsthandwerk oder sehen sich als künstlerisch tätig. Restauratoren mit akademischem oder künstlerischem Hintergrund werden vom Finanzamt als Freiberufler anerkannt.
Doch wie so häufig gibt die Sozialkasse der Bauwirtschaft auch bei Restaurationsbetrieben wenig auf deren Selbstdefinition oder die Rechtsform. Sie verklagte einen Restaurator aus dem Raum Ulm auf Beitragsnachzahlungen in Höhe von mehr als 10.000 Euro. Der Betrieb habe arbeitszeitlich überwiegend Stuck- und Putzarbeiten durchgeführt und Mauerrisse verfugt, dies seien laut VTV SOKA-pflichtige Tätigkeiten.
Schwerpunkt der Tätigkeiten entscheidend
Vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden wies der Restaurationsbetrieb darauf hin, dass er gar keine Stuckarbeiten durchgeführt habe. Der Großteil der Arbeitszeit sei auf Untersuchung und Dokumentation entfallen, etwa auf die Entnahme von Putzproben, also baufremde Arbeiten. Ansonsten, so sagte ein Arbeitnehmer als Zeuge aus, habe der Schwerpunkt der Arbeiten auf dem Verfüllen von Hohlstellen in der Fassade gelegen.
Das Arbeitsgericht ließ sich davon überzeugen. Die Sozialkasse wurde ihrem klagefreudigen Ruf allerdings auch in diesem Fall gerecht und ging in Berufung. Vor dem Landesarbeitsgericht Hessen hatte sie dann Erfolg.
LAG: Restaurieren - nicht immer Kunst
Die Richter am LAG befanden, der Restaurator habe Putz- und Stuckarbeiten und damit gemäß VTV bauliche Tätigkeiten erbracht. Als Künstler sei er nicht tätig geworden. Außerdem seien die Befunderhebungen zum Erhaltungszustand der Fassaden nur eine Zusammenhangstätigkeit mit dem Beheben dieser Mängel, da der Zweck des Betriebs nicht in einer Gutachtertätigkeit bestanden habe, sondern im Restaurieren.
Die Frage nach der künstlerischen Tätigkeit ist für die Frage der SOKA-Pflicht zentral: Künstlerische Arbeiten sind vom Sozialkassenverfahren ausgenommen, weil sich dieses auf gewerbliche Tätigkeiten beschränkt. Restaurieren ist gemäß der LAG-Entscheidung jedoch nur dann eine künstlerische Tätigkeit und damit freiberuflich, wenn der Restaurator an Kunstwerken arbeitet und dabei individuell gestalten kann. Mauern und Außenfassaden von Kirchen und Klöstern seien keine Kunstwerke. Deshalb liege keine schöpferische Gestaltung vor.
Restorator gibt nicht auf und hat Revision beim BAG eingelegt
Da der Restaurator Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt hat, muss dieses nun entscheiden, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen Restaurierungsbetriebe künstlerisch tätig sind und wann sie unter den Tarifvertrag über die Sozialkassenpflicht fallen.
Bis dahin sollten Restauratoren klug reagieren, falls die SOKA-Bau sich mit Beitrags- oder Auskunftswünschen melden. Darauf bereitwillig einzugehen ist genauso unklug, wie den Kopf in den Sand zu stecken. Zur optimalen Strategie berät Sie Fachanwalt Dr. Meides – er ist seit vielen Jahren auf Sozialkassenrecht spezialisiert.