Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der seit fast zwanzig Jahren in einem kleineren Betrieb zur Herstellung von Spritzgießwerkzeugen in Tornesch in Schleswig-Holstein beschäftigt gewesen war. Der Betrieb beschäftigte rund 40 Mitarbeiter, es gab keinen Betriebsrat. Einige Jahre zuvor hatte ihn eine internationale Unternehmensgruppe mit Sitz in Nordrhein-Westfalen übernommen, die technische Bauteile für die Automobil-, Elektronik- und Möbelindustrie fertigt.
Hersteller von Spritzgusswerkzeugen wird liquidiert
Da es nicht gelang, den zugekauften Betrieb kostendeckend zu führen oder weiterzuverkaufen, beschloss die Muttergesellschaft als einzige Gesellschafterin im Rahmen eines Gesellschafterbeschlusses die Liquidierung. Sie übermittelte der Arbeitsagentur die in diesem Fall erforderliche Massenentlassungsanzeige und ließ die Auflösung des Betriebs im Handelsregister eintragen. Außerdem wurde den Arbeitnehmern betriebsbedingt gekündigt. Gleichzeitig wurden sie bis auf den kaufmännischen und den Betriebsleiter freigestellt.
Sozialauswahl fehlerhaft und Kündigung ungerechtfertigt
Ein zentrales Argument des Arbeitnehmers war, dass das Werk in Schleswig-Holstein nicht eigenständig, sondern ein gemeinsamer Betrieb mit der Muttergesellschaft gewesen sei. Deshalb sei die Sozialauswahl fehlerhaft und die Kündigung sozial ungerechtfertigt. Als Begründung führte er an, dass wichtige Unternehmensaufgaben wie die IT-Verwaltung, der Einkauf und die Lohnbuchhaltung von der Muttergesellschaft in Nordrhein-Westfalen erledigt worden waren. Diese hatte dazu einen Service-Vertrag mit der Tochter in Schleswig-Holstein abgeschlossen, genau wie mit ihren anderen Tochtergesellschaften. Außerdem wurden beide Gesellschaften vom gleichen Geschäftsführer geführt.
Arbeitsgericht bestätigt die Massenentlassung
Der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers war allerdings kein Erfolg beschieden. Das galt sowohl für das Arbeitsgericht Elmshorn als erste Instanz, wie auch für die Berufung ans Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in Kiel.
Schon das Arbeitsgericht stellte fest, dass mit den Gesellschafterbeschlüssen zur Betriebsstillegung und Liquidation das „Beschäftigungsbedürfnis“ weggefallen sei. Damit lag dem Gericht ein stichhaltiger Grund für eine betriebsbedingte Kündigung vor. Die Richter ließen sich auch nicht vom Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs überzeugen. Eine Sozialauswahl sei entbehrlich gewesen. Die Massenentlassungsanzeige sei wirksam.
Betriebsstilllegung und Kündigungsschutz
Das Landesarbeitsgericht schloss sich dieser Sichtweise im Wesentlichen an. Die Richter verwiesen auf die laufende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Demnach ist bei Stilllegung eines gesamten Betriebs eine sozial gerechtfertigte Kündigung aus betrieblichen Gründen möglich.
Die Motive der Muttergesellschaft für die Stilllegung waren für die Richter unerheblich. Sie sahen auch keinen Grund für eine verpflichtende Sozialauswahl, da sämtlichen Arbeitnehmern des Betriebs gekündigt worden war.
Dafür, dass über eine unternehmerische Zusammenarbeit innerhalb des Konzerns hinaus ein gemeinsamer Betrieb mit mehreren Arbeitgebern und arbeitgeberübergreifendem Personaleinsatz bestand, sahen die Richter keine Belege. Dies hätte der Arbeitnehmer beweisen müssen.
Längst nicht jede Kündigungsschutzklage hat Erfolg
Unterm Strich ergibt sich das Bild einer Kündigungsschutzklage, die trotz wenig tauglicher Argumente bis in die zweite Instanz verfolgt wurde.
Zum einen ist es für Arbeitgeber natürlich erfreulich, dass längst nicht jede Kündigungsschutzklage von Erfolg gekrönt ist. Auch im Fall von Massenentlassungen gilt: Wenn eine Kündigung auf solider Grundlage erfolgt, wird sie selbst vor dem Arbeitsgericht standhalten.
Auf der anderen Seite zeigt sich erneut, dass Arbeitnehmer mitunter trotz schlechter Prognose Kündigungsschutzklage erheben. Darauf sollte man als Arbeitgeber eingestellt sein.
Ein weiterer, wichtiger Aspekt: Auf Diskussionen über die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit einer Betriebsstillegung müssen Arbeitgeber sich im Kündigungsschutzprozess nicht einlassen. Das OLG Schleswig-Holstein drückte es klar aus: „Selbst, wenn keine schwierige wirtschaftliche Situation vorgelegen hätte, wäre die Kündigung infolge der beabsichtigten Betriebsstilllegung gerechtfertigt.“
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