Der dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zugrundeliegende Kläger war seit 1992 bei der Beklagten tätig. Zuletzt war er als ungelernter Pflegehelfer beschäftigt. Aufgrund des anwendbaren Tarifvertrages war der Kläger ordentlich unkündbar. Dies war nach Vollendung des 40. Lebensjahres und mehr als 15 Jahren Betriebszugehörigkeit gegeben.
Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen
Der Kläger war vom 29.09.2011 bis zum 28.3.2013 ununterbrochen krankheitsbedingt arbeitsunfähig. In der Zeit vom 01.08.2013 bis zum 31.07.2016 fehlte der Kläger jeweils kürzere Zeiträume von höchstens zehn Arbeitstagen. In der Summe waren dies - nach Vortrag der Beklagten - 279 Arbeitstage. Somit waren es durchschnittlich 93 Arbeitstage pro Jahr. Die Beklagte kündigte deshalb das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit notwendiger Auslauffrist zum 31.03.2017. Sowohl das Arbeitsgericht sowie auch das Landesarbeitsgericht gaben der Kündigungsschutzklage statt.
BAG erteilt LAG Vorgaben zur Prüfung
Das Bundesarbeitsgericht hat die Sache im Ergebnis zurückverwiesen und Vorgaben zur Prüfung gemacht.
Strengerer Prüfungsmaßstab bei außerordentlicher Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen
Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, der Prüfungsmaßstab bei einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist wegen häufigen Kurzerkrankungen sei im Vergleich zur ordentlichen Kündigung erheblich strenger.
Neben der negativen Gesundheitsprognose müssen die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt sein. Dadurch müsse ein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen. Zusätzlich sei in einer umfassenden Interessensabwägung zu prüfen, ob die gravierende Äquivalenzstörung dem Arbeitgeber dauerhaft zumutbar sei. Dies ist bei vielen Kurzerkrankungen möglich.
Regelmäßige Gesundheitsprognose im Referenzzeitraum von drei Jahren notwendig
Nach Auffassung des Gerichts sei zur Erstellung der Gesundheitsprognose regelmäßig ein Referenzzeitraum von drei Jahren maßgeblich. Zu erwartende hohe Entgeltfortzahlungskosten könnten ein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung begründen. Das Maß hänge hierbei ab von der Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes. Stelle dieser nicht eine Gegenleistung für den Verzicht des Arbeitnehmers auf bestimmte Ansprüche dar, sondern hänge, wie hier, nur von einer nicht allzu langen Beschäftigungsdauer und einem vergleichsweise niedrigen Lebensalter ab, übernehme der Arbeitgeber nicht das Risiko, dass das Austauschverhältnis aus in der Sphäre des Arbeitnehmers liegenden Gründen – ggf. über Jahrzehnte bis zur Rente – außergewöhnlich schwer gestört sei.
Schwelle bei 1/3 der jährlichen Arbeitstage erreicht
In diesem Fall liege infolge der vielen Kurzerkrankungen mit Entgeltfortzahlung eine solche Störung gemäß dem Bundesarbeitsgericht vor. Nämlich, wenn damit zu rechnen sei, dass der Arbeitgeber für mehr als ein Drittel der jährlichen Arbeitstage Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall werde leisten müssen. Damit gehe das Maß der Entgeltfortzahlungskosten deutlich über das einer ordentlichen Kündigung hinaus. Ein Drittel der jährlichen Arbeitstage entspreche fast dem Dreifachen des Wertes von sechs Wochen im Sinne des § 3 Absatz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz.
BAG hält nicht mehr an alter Rechsprechung fest
Das Gericht weicht vorliegend vom Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.01.2014, wo er Entgeltfortzahlung für jährlich 18,81 Wochen nicht habe ausreichen lassen. An dieser Rechtsprechung werde nicht mehr festgehalten. Vorliegend reichten pro Jahr bei 251 Arbeitstagen 84 mit Entgeltfortzahlung unterlegte Arbeitstage aus.