Die Bedeutung der Nachunternehmerhaftung
Der Generalunternehmer muss einstehen, wenn der Nachunternehmer seinen Arbeitskräften nicht den tariflichen Mindestlohn bezahlt oder die Sozialabgaben nicht abführt.
Haftungsrisiko kann Baubetrieb schnell in finanzielle Schwierigkeiten bringen
Diese Rechtslage kann auch einen seriösen Baubetrieb in handfeste finanzielle Probleme bringen. Das zeigt sich in der Realität immer wieder. Es genügt ja schon, dass der Subunternehmer in eine Liquiditätsklemme gerät, deshalb den Lohn schuldig bleibt und auch keine Beiträge an die Einzugsstellen überweist. Schließlich meldet er Insolvenz an – für die ausstehenden Zahlungen wird nun der Auftraggeber zur Kasse gebeten.
Oder: Der Zoll deckt bei einer Kontrolle auf, dass der Subunternehmer Schwarzarbeiter angeheuert hat. Beim diesem selbst sind die fälligen Nachzahlungen nicht zu holen. Auch in diesem Fall darf der Auftraggeber die Zeche bezahlen.
Nachunternehmer zahlte keine Beiträge zur Unfallversicherung
In die Falle der Nachunternehmerhaftung tappte zunächst auch ein Bauunternehmen, das als Hauptunternehmer den Rohbau für ein Ärztehaus errichten sollte. Mit dem Gießen der Bodenplatte beauftragte es einen Nachunternehmer. Dieser blieb der Berufsgenossenschaft die Beiträge zur Unfallversicherung für seine Arbeitsnehmer schuldig. Darauf forderte die BG Bau sie per Beitragsbescheid vom Hauptunternehmer, weil dieser den Auftrag für die Bodenplatte erteilt hatte.
Hauptunternehmer wollte nicht zahlen und klagte
Der Hauptunternehmer wehrte sich jedoch, er klagte gegen den Bescheid vor dem Sozialgericht. Sein Argument: Die gesetzliche Nachunternehmerhaftung gilt erst ab einem Mindestwert. Da das Auftragsvolumen der Bodenplatte niedriger lag, wollte er die Unfallversicherungsbeiträge nicht übernehmen.
Dieser Mindestwert lag damals bei 500.000 Euro als geschätztem Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen. Inzwischen wurde er auf 275.000 Euro abgesenkt.
Das Urteil des Bundessozialgerichts und seine Bedeutung
Genau an diesem Punkt bestand allerdings eine wesentliche Unklarheit, die dafür sorgte, dass dieser Rechtsstreit sich über drei Instanzen zog. Am Ende wurde die Frage vom Bundessozialgericht entschieden.
Unklar war bis dahin nämlich, worauf sich der minimale Auftragswert konkret bezieht: Auf das Gesamtvolumen an Aufträgen, die der Bauherr für Realisierung des Bauprojekts vergibt, oder auf den Gesamtwert der Aufträge, die der Hauptunternehmer mit dem säumigen Subunternehmer vereinbart hat?
Das Bundessozialgericht hat mit seiner Entscheidung in diesem Punkt für Klarheit gesorgt. Als Minimalwert, ab dem Nachunternehmerhaftung eintritt, zählt demnach der Gesamtwert der Bauleistungen, die ein Bauunternehmer an seine sämtlichen Nachunternehmen vergeben hat (in Bezug auf ein bestimmtes Bauwerk).
Unteraufträge des Generalunternehmers entscheidend
Dieser Punkt ist keineswegs abstrakt. Er bestimmt, ab welcher Auftragssumme zahlungsunfähige oder zahlungsunwillige Subunternehmer zum finanziellen Risiko werden können. So lag das Gesamtvolumen des Bauprojekts „Ärztehaus“ bei rund 3,6 Mio. Euro. Der Rohbau, mit dem der Hauptunternehmer beauftragt worden war, entsprach einer Auftragssumme von rund einer Million Euro. Der Hauptunternehmer hatte selbst jedoch nur einen einzigen Auftrag an einen Nachunternehmer erteilt – die Bodenplatte, deren Nettoauftragssumme bei knapp 20.000 Euro lag.
Damit hatte er insgesamt nur Aufträge im Wert von 20.000 Euro vergeben, weit unter der Minimalgrenze. Deshalb war die Nachunternehmerhaftung hinfällig. Das Bauunternehmen musste die offenen Unfallversicherungsbeiträge des Subunternehmers nicht begleichen.
Wichtig für Bauunternehmen und Handwerksbetriebe
Der wichtigste Ratschlag: Handwerksfirmen und Bauunternehmen sollten genau im Auge behalten, welchen Gesamtwert die Aufträge haben, die sie für ein Bauprojekt weitervergeben. Kommen mehr als 275.000 Euro zusammen, ist es ganz besonders wichtig, seriöse, finanziell stabile Auftragnehmer zu finden.
Nahe der 275.000-Euro-Grenze lohnt es sich, darüber nachzudenken, welche Teile des Auftrags man überhaupt vergibt. Vom Hauptunternehmer selbst ausgeführte Arbeiten bleiben bei der Berechnung des Grenzwerts außen vor. Deshalb kann es sinnvoll sein, bestimmte Leistungen selbst dann zu erbringen, wenn es kaum Rendite bringt: dann nämlich, wenn so die Nachunternehmerhaftung ausgeschlossen bleibt.
Falls das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist: genau hinschauen. Bevor man die Löhne, SOKA-Beiträge oder Sozialversicherungsbeiträge des Nachunternehmers übernimmt, muss wirklich klar sein, dass man tatsächlich Leistungen im Umfang von mehr als 275.000 Euro vergeben hat. (Und selbst dann lohnt die genaue rechtliche Prüfung der Ansprüche.)
Ganz wichtig: Wenn der Unternehmer nachweisen kann, dass er nach sorgfältiger Prüfung davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer seine Zahlungspflichten erfüllt, dann kann die Haftung unabhängig von der Auftragssumme entfallen.
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