Chefarzt kämpfte 10 Jahre gegen seine Kündigung
Aufgrund seiner zweiten Heirat wurde einem Chefarzt, der in einem in kirchlicher Trägerschaft befindlichen Krankenhaus beschäftigt war, bereits im Jahr 2009 gekündigt. Diese Kündigung ist nunmehr vom Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 20.2.2019, Az.: 2 AZR 746/14) als diskriminierend und damit unwirksam qualifiziert worden. Mit Veröffentlichung des vollständigen Urteils scheint die gerichtliche Odyssee für den klagenden Chefarzt nach zehn Jahren nun endlich zu Ende gegangen zu sein, denn das Erzbistum Köln hat erklärt, gegen das Urteil des BAG keine Verfassungsbeschwerde einlegen zu wollen.
Kirchliche Grundordnung verlangt Anerkennung und Beachtung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre
Die Beklagte ist kirchliche Trägerin des Krankenhauses, in dem der katholische Kläger seit 2000 als Abteilungsarzt („Chefarzt“) beschäftigt war, und unterliegt dabei der Aufsicht des Erzbischofs von Köln. Dieser hatte für die kirchlichen Arbeitsverhältnisse eine kirchenrechtliche Grundordnung erlassen, welche auch dem Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zugrunde lag.
Nach dieser kirchlichen Grundordnung durfte die Beklagte von katholischen Mitarbeitern die Anerkennung und Beachtung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre einfordern und nur diesen leitende Aufgaben übertragen. Zur Glaubenslehre der katholischen Kirche gehört auch das Sakrament der Ehe. Die katholische Ehe ist grundsätzlich unverbrüchlich, weshalb eine – selbst nach zuvor rechtsgültiger Scheidung erfolgte - zweite Eheschließung vor dem Standesamt einen kirchenrechtlichen Verstoß darstellt.
Zweite Eheschließung führt in Augen der katholischen Kirche zu Bigamie
Aufgrund dieser „Verfehlung“ wurde dem bei der Beklagten beschäftigten Chefarzt bereits im Jahr 2009 ordentlich gekündigt. Die Kündigung wurde allein auf die Tatsache gestützt, dass der katholische Chefarzt, nach der Scheidung seiner ersten (auch nach katholischem Ritus) geschlossenen Ehe, im Jahr 2008 seine zweite Ehefrau standesamtlich heiratete. Die Beklagte behauptete, seine erste Ehe bestünde in den Augen der katholischen Kirche noch fort, da sie kirchenrechtlich nicht für nichtig erklärt worden war. Bigamie ist jedoch ein Verstoß gegen geltendes Kirchenrecht („ungültige Ehe“, vgl. Canon 1085 § 1 CIC), welcher für den Chefarzt im vorliegenden Fall die Kündigung nach sich zog.
Uneinigkeit zwischen BVerfG und EuGH
Der Fall hatte nicht nur national bereits sämtliche denkbaren Instanzen befasst. Nachdem sich der Chefarzt zunächst vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf (Urt. v. 30.7.2009, Az.: 6 Ca 2377/09), dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urt. v. 1.7.2010, Az.: 5 Sa 996/10) und dem BAG (Urt. v. 8.9.2011, Az.: 2 AZR 543/10) erfolgreich gegen seine Kündigung gewehrt hatte, rief die Beklagte das Bundesverfassungsgericht an.
Dieses stellte sich auf die Seite der Kirche und befand, dass das im Grundgesetz verbürgte Recht der Religionsgemeinschaften zu respektieren sei, ihre inneren Angelegenheiten autonom zu regeln, als es die Sache an das BAG zurückverwies (Urt. v. 22.10.2014, 2 BvR 661/12).
Das BAG wollte sich hiermit aber nicht zufrieden geben und rief den Europäischen Gerichtshof an, welcher anschließend klarstellte (Urt. v. 11.9.2018, Az: C-68/17), dass eine solche Handhabe gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot verstoße und den entsprechenden Anti Diskriminierungsrichtlinien der EU zuwiderläuft. Insbesondere ist eine Ungleichbehandlung von kirchlichen Arbeitnehmern nur dann gerechtfertigt, wenn die kirchliche Verhaltensanforderung auch gleichzeitig eine berufliche Anforderung darstellt, „die angesichts des Ethos der in Rede stehenden Kirche oder Organisation wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht„ darstellt.
BAG: Kündigung des Chefarztes war diskriminierend und unwirksam
Das BAG entschied nun, dass die Kündigung des Chefarztes durch die Beklagte unwirksam war. Zum einen verstieß sie hinsichtlich der Ungleichbehandlung des katholischen Chefarztes (im Verhältnis zu seinen konfessionslosen oder protestantischen Kollegen, deren zweite Ehe kein Kündigungsgrund darstellen würde) gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und sei deshalb diskriminierend. Zum anderen sei das Sakrament der Ehe für die Tätigkeit als Chefarzt keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung.