Die Bürgschaft ist allerdings von einer ähnlichen, gesetzlich nicht geregelten Einstandsverpflichtung, dem sog. Schuldbeitritt, zu unterscheiden.
Hierbei übernimmt der Beitretende – anders als bei der Bürgschaft – die Schuld gemeinsam mit dem bisherigen Schuldner als eigene Verpflichtung. [2] Beim Schuldbeitritt wird der Beitretende auf die gleiche Ebene wie der bisherige Schuldner gestellt, sodass er primär als Gesamtschuldner i.S.d. §§ 421 ff. BGB haftet. [3] Im Gegensatz dazu haftet der Beitretende bei der Bürgschaft subsidiär; nach der rechtlichen Richtlinie muss der Gläubiger zunächst versuchen, seinen Anspruch gegen den bisherigen Schuldner durchzusetzen.
Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn der Bürge auf die Einrede der Vorausklage (§ 771 S. 1 BGB) verzichtet sowie eine sog. selbstschuldnerische Bürgschaft übernimmt. [4] In diesem Fall kann sich der Gläubiger direkt an den Bürgen wenden (§ 773 I Nr. 1 BGB). [5] Zu beachten ist, dass der Schuldbeitritt keiner besonderen Form bedarf, sodass eine formnichtige Bürgschaft durchaus in einen formfreien Schuldbeitritt umgedeutet werden kann (§ 140 BGB). [6]
In der Praxis kommt es vor, dass eine Bürgschaft unwirksam ist. Der rein formale Schutz des § 766 BGB (Schriftform der Bürgschaftserklärung) berücksichtigt insofern die Interessen des Bürgen nicht immer in angemessener Weise. [7]
Demzufolge gibt es Fälle, in denen die Bürgschaft sittenwidrig ist (§ 138 I BGB) und der Bürgschaftsvertrag daher als nichtig anzusehen ist.
Die Grundsätze der Sittenwidrigkeit von Schuldbeitritt und Bürgschaft gelten gleichermaßen für Ehepaare sowie auf nichteheliche oder nicht eingetragene Lebensgemeinschaften. [8]
Im Falle der Ehegattenbürgschaft ist dies insbesondere dann der Fall, wenn von der Verbürgung des beitretenden Ehegatten die Kreditwürdigkeit des anderen Ehegatten abhängt. [9] In solchen Fällen kann das besondere Näheverhältnis regelmäßig dazu führen, dass auf den bürgenden Ehegatten Druck ausgeübt wird. [10]
Der BGH geht somit laut seinen neusten Entscheidungen davon, dass eine massive finanzielle Überforderung eines emotional verbundenen Bürgen gegenüber dem Hauptschuldner die widerlegbaren Vermutung einer sittenwidrigen Bürgschaft begründet. [11] Eine massive finanzielle Überforderung liegt vor, wenn eine Prognose, die auf den Zeitpunkt der Abgabe der Bürgschaftserklärung abstellt und dabei die Ausbildung, Fähigkeiten sowie familiären Belastungen berücksichtigt, ergibt, dass der Bürge vermutlich nicht in der Lage sein wird, dauerhaft die laufenden Zinsen der gesicherten Forderung mit dem pfändbaren Teil seines Vermögens und Einkommens zu begleichen. [12] In der Praxis wird die Grundvoraussetzung für die Annahme einer sittenwidrigen Ehegattenbürgschaft somit auf das Vorliegen eines massiven finanziellen Überforderung reduziert, wobei das bei Vertragsschluss vorhandene Vermögen des Bürgen als Maßstab dient. [13]
Ebenfalls müsste der Vertragsschluss eine unausgeglichene Verhandlungsbasis zwischen den Vertragspartnern (Bürge und Gläubiger) darstellen. [14] Eine solche entsteht nicht nur durch eine emotionale Verbundenheit zwischen den Ehegatten, sondern auch durch eine Verharmlosung des Bürgschaftsrisikos seitens des Gläubigers. [15]
Ebenso erfordert ein Verstoß gegen § 138 I BGB, dass der Gläubiger sich pflichtwidrig verhält, indem er es unterlässt, sich über die Vermögenslage des Hauptschuldners zu informieren. Zudem kann sich der Gläubiger auch nicht darauf berufen, ein Interesse daran zu haben, sich durch die Bürgschaft vor möglichen Vermögensverschiebungen zwischen den Ehegatten schützen zu wollen, um die Sittenwidrigkeit (§ 138 I BGB) auszuschließen. [16]
Allerdings kann der Gläubiger die in der BGH-Rechtsprechung angenommene widerlegbare Vermutung entkräften, indem er darlegt, dass ihm weder die massive finanzielle Überforderung noch die emotionale Nähe des Bürgen zum Hauptschuldner bekannt war. [17] Zudem reicht es bereits aus, wenn der Gläubiger nachweisen kann, dass der Bürge ein eigenes wirtschaftliches oder persönliches Interesse an der Kreditaufnahme hatte. [18]
Jedoch schließt die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) eine Sittenwidrigkeit von Schuldbeitritten finanziell benachteiligter Ehepartner oder existenzbedrohenden Bürgschaften nicht aus. [19] Laut dem BGH entspricht es nicht dem Zweck eines langwierigen und komplexen Restschuldbefreiungsverfahrens, Kreditinstitute vor der Nichtigkeitssanktion des § 138 I BGB zu schützen, wenn diese bewusst die Willensschwäche eines finanziell überforderten Partners zu ihren eigenen Gunsten auszunutzen versuchen. [20]
Fraglich ist zudem, welche Auswirkungen eine Scheidung zwischen den Ehegatten auf die Ehegattenbürgschaft hat. Die Bürgschaft bleibt auch nach einer Scheidung weiterhin bestehen, da die Ehe die Geschäftsgrundlage für die Übernahme der Bürgschaft bildet. [21] Mit der Scheidung entfällt ist die Geschäftsgrundlage jedoch nicht automatisch, da die frühere gemeinschaftliche Lebensplanung weiterhin fortwirkt. [22] Dies gilt auch in Bezug auf die Bewältigung von Lasten, die sich aus der gemeinsamen Bemühung um eine wirtschaftliche Grundlage der Ehe ergeben. [23]