Wenn dann der Betreuer plötzlich im Testament als Erbe des Betreuten auftaucht, stellt sich die Frage der Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung.
Verwirrtheit nach ihren Infarkt
Einen solchen Fall hatte das Oberlandesgericht Celle zu entscheiden (OLG Celle, Urteil vom 7. Januar 2021 - 6 U 22/20). Der Erblasser litt aufgrund eines sicheren Infarkts unter zunehmender Verwirrtheit. Er lebte in einer psychiatrischen Pflegeeinrichtung. Zu seiner Betreuerin wurde eine Berufsbetreuerin bestellt. In Anwesenheit dieser Betreuerin errichtete der Erblasser ein notarielles Testament mit nachfolgender Erbeinsetzung:
„Ich setze hier mit Frau Rechtsanwältin (___) und Herrn (___) zu meinen Erben ein, und zwar untereinander zu gleichen Teilen.“
Bei der begünstigten Rechtsanwältin handelte es sich um die Berufsbetreuerin. Als der Betreute verstarb, beantragte diese entsprechend einen Erbschein auf der Grundlage der letztwilligen Verfügung. Das Nachlassgericht lehnte den Erbscheinsantrag ab und verwies dabei auf die Testierunfähigkeit des Erblassers. Die darauffolgende Beschwerde der Anwältin wurde zurückgewiesen.
Stattdessen wurde ein Nachlasspfleger für die unbekannten Erben bestellt. Dieser sollte die Erben ermitteln sowie den Nachlass sichern und später verwalten.
Ermittlung wegen des Verdachts der Untreue
Es stellte sich heraus, dass die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Untreue gegen einige Berufsbetreuer und Notare ermittelte. Zu den Verdächtigen zählte auch die Berufsbetreuerin sowie der Mann, der im notariellen Testament als weiterer Erbe auftauchte. Dieser hatte über einen Zeitraum von mehreren Jahren Rechnungen für erbrachte Dienstleistungen zugunsten des betreuten Erblassers erstellt und an die anwaltliche Berufsbetreuerin adressiert. Bei den Dienstleistungen handelte es sich insbesondere um Einkäufe, Besorgungen, Spaziergänge und Arztbesuche. Die Rechnungsbeträge setzten sich zusammen aus Monatspauschalen, sonstigen Kosten und verauslagte Aufwendungen.
Nachlasspfleger verklagt die vermeintlichen Erben
Auch dem Nachlasspfleger kam dieses „Geschäftsmodell“ merkwürdig vor. Er erhob Stufenklage gegen die genannten Abrechnungen. Hierdurch sahen sich wiederum die Betreuerin und ihr vermeintlicher Miterbe genötigt, dagegen zu halten. Sie erhoben Widerklage gerichtet auf die Feststellung, dass sie den Betreuten jeweils zu ½ beerbt hätten.
Das Landgericht gab dem Auskunftsbegehren des Nachlasspfleger im Wesentlichen statt, wies aber die Widerklage der Gegenseite ab. Diese ging in Berufung, mit der Argumentation dass die Testierunfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht feststellbar sei.
OLG: Testament wegen Testierunfähigkeit und Sittenwidrigkeit unwirksam
Der Fall landete beim OLG Celle. Die dortigen Richter verneinten nicht nur die Testierfähigkeit des Erblassers. Für sie war das Testament auch wegen Sittenwidrigkeit unwirksam.
Zur Begründung zog das OLG unter anderem § 14 Abs. 5 Heimgesetz (HeimG) heran. Danach ist es der Leitung, den Beschäftigten oder sonstigen Mitarbeitern des Heims untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern neben der vom Träger erbrachten Vergütung Geld- oder geldwerte Leistungen für die Erfüllung der Pflichten aus dem Heimvertrag versprechen oder gewähren zu lassen, es sei denn, es handelt sich um geringwertige Aufmerksamkeiten.
Entsprechendes, so das OLG, müsse auch bei der Betreuung gelten. Schließlich sei hier das Näheverhältnis zwischen Betreuer und Betreuten dem zwischen Heimbewohner und Pflegepersonal vergleichbar. Dies rechtfertige zwar keine entsprechende Anwendbarkeit des HeimG, sei aber für die Frage einer möglichen Sittenwidrigkeit des Testaments von Bedeutung.
Auch ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts sehe ein Verbot letztwilligen Zuwendungen an berufliche Betreuer vor.
Weiter sei es den Grundsätzen des Betreuungsrecht zu entnehmen, dass es das Gesetz als sittenwidrig missbilligt, wenn ein Betreuer seine ihm gerichtlich verliehene Vertrauensstellung und seinen persönlichen Einfluss auf den Betreuten dazu benutzt, gezielt darauf hinzuwirken, dass der leicht beeinflussbare Betreute ohne reiflicher Überlegung über erhebliche Vermögenswerte zugunsten des Betreuers durch ein Testament vor einem Notar verfügt, der nicht von dem Betreuten als sein Berater hinzugezogen ist, sondern von dem begünstigten Betreuer.
Vertrauensmissbrauch offensichtlich
Einen solchen Fall des Vertrauensmissbrauchs sah das OLG hier vor als gegeben an. Die anwaltliche Berufsbetreuerin beauftragte eine ihr vertraute Notaren mit der Beurkundung des Testaments und war bei der Errichtung ohne erkennbaren Grund anwesend. Offenbar sollte die Beurkundung die nahe liegenden Zweifel an der testierte Fähigkeit ausräumen.
Nach dem Tod des Erblassers hatten die Beklagten versucht, den gesamten Nachlass unter sich aufzuteilen, zunächst ohne einen Erbschein zu beantragen. Das Betreuungsgericht wurde weder von der Erbenstellung noch von der Verteilung des Nachlasses informiert.
Vor diesem Hintergrund half den Beklagten auch nicht, dass die anwaltliche Berufsbetreuerin von einer guten Beziehung zum Erblasser und der andere Beklagte von einem freundschaftlichen Verhältnis sprach.
Vorsicht Erbschleicher!
Bei immer mehr Erbfällen tauchen familienfremde Personen als Erben oder Vermächtnisnehmer auf. Hierfür gibt es zahlreiche demografische und gesellschaftliche Erklärungen. In gleichem Maße steigen auch die Vorwürfe, dass die testamentarischen Erben ihre Einsetzung unlauter erlangt haben – also der Verdacht der Erbschleicherei besteht. Die Ausnutzung von persönlichen Abhängigkeitsverhältnissen steht dabei im Vordergrund. Häufig werden diese Verhältnisse bewusst von den Erbschleichern herbeigeführt. Solche Entwicklungen bleiben häufig von den gesetzlichen Erben, also den Angehörigen, unbemerkt.
Einen Überblick über Unwirksamkeits- und Anfechtungsgründe beim Testament finden Sie hier: Testament anfechten.