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Mietrecht | 14.07.2020

Gewerbe­mietrecht

Corona-Pandemie & Gewerbe-Miete Teil I: Corona ist kein Mangel

Mieter und Pächter sollten nicht auf der Grundlage eines Mangels nach § 536 I 1 BGB die Miete / Pacht mindern

Mieter von Gewerbe­flächen – besonders im Einzel­handel – traf die Corona-Krise in der Phase des striktesten Lockdowns im März und April 2020 besonders hart: Umsätze brachen massiv ein, weil geöffnet bleiben durfte, aber der Ausgang massiv beschränkt war. Oder aber Umsätze fielen komplett weg, da z.B. Laden­geschäfte gar nicht geöffnet werden durften.

Zwar reagierte die Bundes­regierung schnell und regelte zeitnah, dass ausbleibende oder reduzierte Miet- und Pacht­zahlungen nicht zu einer Kündigung führen dürfen. Nicht abschließend geklärt ist aber, ob Mieter und Pächter von Laden­flächen, Büros oder Gastronomie-Flächen wegen der Einschränkungen durch Corona – seien sie rechtlicher oder faktischer Art – ihre Miete bzw. Pacht in voller Höhe bezahlen müssen bzw. mussten oder ob sie ggf. die Miete / Pacht (rückwirkend) mindern können.

Aus diesem Grund befasse ich mich in einem zwei­teiligen Beitrag mit der Frage, ob und auf welcher Rechts­grundlage Mieter von betroffenen Gewerbe­flächen ggf. berechtigt sein können, die Miete / Pacht wegen corona­bedingter Einschränkungen in der Nutzbarkeit (nachträglich) zu kürzen.

Regelung wie in Österreich gibt es nicht

Im österr­eichischen Mietrecht befreit § 1104 ABGB den Mieter unter bestimmten Umständen davon, Miete oder Pacht zu bezahlen, wenn die z.B. Gewerbe­flächen, Büros etc. wegen „außer­ordentlicher Zufälle“ nicht genutzt werden können, z.B. wegen Feuer, Krieg oder Seuchen, großen Über­schwemmungen, Wetter­schlägen oder „gänzlichem Mißwachs“.

Eine vergleichbar ausdrückliche Regelung existiert in Deutschland leider nicht. In Deutschland könnte aber eine Reduzierung der Miete / Pacht wegen „Mangel­haftigkeit der Mietsache“ bis auf Null gem. § 536 I 1 BGB möglich sein. Diese Regelung geht als speziellere Vorschrift (sog. lex specialis) einer allgemeinen Regelung vor, die ebenfalls greifen könnten: der Anspruch auf Anpassung des Vertrags wegen Störung der Geschäfts­grundlage nach § 313 I BGB. (Teil II dieses Beitrags).

Corona-Krise als Mangel nach iSd § 536 Abs. 1 S. 1 BGB?

Ob Gewerbe­mieter im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie die Miete wegen eines Mangels gem. § 536 I 1 BGB mindern oder ganz einbehalten können, hängt davon ab, ob die Einschränkungen, die mit der Corona-Krise verbunden sind, ein Mietmangel sind.

Ein Mangel im (Gewerbe-) Mietrecht ist nach allgemeiner Auffassung, wenn die Ist-Beschaffenheit von der (vereinbarten) Soll­beschaffenheit abweicht und die „Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufgehoben ist oder stark eingeschränkt ist“. Das bezieht sich auf die physische Beschaffenheit der Gewerbe­fläche einerseits, aber auch auf die rechtliche Nutzbarkeit. Eine faktisch vollkommen gebrauchs­taugliche Gewerbe­fläche kann also mangelhaft sein, wenn sie wegen bestimmter direkter / indirekter behördlicher / gesetzlicher Regelungen nicht (mehr) so genutzt werden kann, wie vereinbart. Und auch wenn sich um Umfeld der Gewerbe­fläche etwas verändert, das Einfluss auf die Gebrauchs­tauglich­keit der Fläche hat (Baustelle, veränderte Mieter­struktur in der Umgebung etc.), kann das unter Umständen ein Mangel im Sinne des § 536 I 1 BGB sein.

Insofern ist es grund­sätzlich denkbar, dass die eingeschränkte Nutzbarkeit von Gewerbe­flächen wegen Auswirkungen der Corona-Pandemie ein (rechtlicher) Mangel ist, der zur Miet­minderung – sogar bis auf „null“ berechtigt.

Interessant dabei vor allem für Mieter: der Vermieter muss nicht „schuld“ sein am Mangel. Der Vermieter muss - juristisch gesagt – den Mangel zu vertreten haben, damit der Mieter ggf. die Miete wegen eines Mangels mindern kann.

Corona doch kein „Mangel“

grund­sätzlich geht die höchst­richterliche Rechtsprechung des Bundesgerichts­hofes (BGH) aber auch davon aus, dass die Mieter im Gewerbe­mietrecht das sog. Nutzungs­risiko tragen. Mieter­schutz existiert im Gewerbe­mietrecht quasi nicht. Das gilt z. B. auch im Zusammenhang mit nach­träglichen behördlichen / gesetzgeberischen Beschränkungen, die sich negativ auf den Umsatz des Nutzers / Nutzbarkeit der Mietsache auswirken – so der BGH im Jahr 2011.

Vor allem diese Rechtsprechung könnte im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie bedeuten, dass Mieter von Gewerbe­flächen auch das wirtschaftliche Risiko für Beschränkungen im Zusammenhang mit der Pandemie trifft. Eine Minderung nach § 536 I 1 BGB wäre dann ausgeschlossen.

Die Rechtsprechung zum Nutzungs­risiko und der Gedanke, sie auf die Pandemie anzuwenden ist grund­sätzlich nachvollziehbar. Denn einerseits kann und soll ein Vermieter nicht für jede Gebrauchs­beeinträchtigung eintreten müssen, auch wenn die Beeinträchtigung mit der Mietsache – ihrer Beschaffenheit, Lage etc. – rein gar nichts zu tun hat. Anderer­seits ist eine komplette Abwälzung eines solchen Risikos auf Mieter im Falle dieser Pandemie und der umfassenden Anordnung der Schließung von Gewerbe­flächen im Hinblick auf „Treu und Glauben“ im Miet­verhältnis ebenso wenig denkbar. Denn diese Situation geht in ihrer Dimension deutlich über das allgemeine Nutzungs­risiko hinaus: Die Corona-Pandemie mit all ihren im Frühjahr 2020 unabschätzbaren und nie dagewesenen Auswirkungen ist etwas anderes als eine lästige Baustelle oder sich verändernde Kunden­ströme in einer Fußgängerzo­ne durch eine Straßen­sperrung etc.

Das ökonomische Risiko dieser Situation einer Mietpartei – dem Vermieter! – über das Minderungs­recht des Mieters zuzuordnen, wird der Situation genauso wenig gerecht wie der komplette Ausschluss des Minderungs­rechts für Mieter. Das gilt vor allem, da sich die Einzel­fälle hinsichtlich Beeinträchtigungen und wirtschaftlichen Folgen so stark voneinander unter­scheiden, dass eine „gerechte“ Anwendung des § 536 I 1 BGB quasi unmöglich ist.

Mein Fazit

„Corona“ und die mit der Pandemie verbundenen Einschränkungen z.B. auf Grundlage behördlicher Verfügungen, sind meines Erachtens kein mietrechtlicher Mangel iSd § 536 I BGB. Das gilt vor allem, da Art und Umfang der behördlichen Verfügungen in diesem Kontext nicht vergleichbar sind mit behördlichen Verfügungen in der Vergangenheit, die sich auf Einzel­fälle in einer konkreten / konkretisier­baren / ggfs sogar absehbaren Form bezogen haben.

Mieter und Pächter sollten demnach nicht auf der Grundlage eines Mangels nach § 536 I 1 BGB die Miete / Pacht mindern – auch nicht nachträglich für die Phase des härtesten Lockdowns im Frühjahr 2020! Hat man als Mieter von der Stundungs­möglichkeit Gebrauch gemacht und Miet­zahlungen zwischen April und Juni 2020 einbehalten, müssen die ausstehenden Miet­beträge grund­sätzlich in vollem Umfang innerhalb der gesetzlichen Frist – also bis Ende Juni 2022 – an den Mieter bezahlt werden, wenn keine anderweitigen Ver­einbarungen, z.B. im Wege der Anpassung des Miet­vertrages getroffen wurden.

Ob Sie als Mieter Anspruch auf eine Anpassung des Gewerbemiet­vertrages hat, z.B. auf Grundlage von § 313 I BGB erfahren Sie hier.

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