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Insolvenzrecht | 17.06.2020

Insolvenz

Corona-Pandemie: Unternehmen-Neustart durch Insolvenz

Hier erfahren Sie wie ein Neustart mit der Corona-Insolvenz gelingen kann

Das Corona-Virus hat in wirtschaftlicher Hinsicht eine höhere Verschuldung vieler Unternehmen bis hin zur Insolvenz­gefahr zur Folge. Ein Insolvenz­antrag kann einem Unternehmer die Möglichkeit zum Neustart geben. Lesen Sie, wie das geht.

Zum jetzigen Zeitpunkt sind die wirtschaftlichen Folgen der COVID 19-Pandemie noch nicht in Gänze absehbar. Dass sie gravierend sein werden und fast alle Unternehmer betroffen sind, steht fest. Für angeschlagene Unternehmen verschärft sich die Situation, andere Firmen geraten un­verschuldet in Schieflage.

Die vorläufige Aussetzung der Insolvenz­antrag bis zum 30. September 2020 gibt dem Unternehmer Zeit, Entscheidungen über den wirtschaftlichen Fortgang zu treffen und umzusetzen.

Es stellen sich Fragen zum Unternehmen und der eigenen Zukunft

  • Ist eine Insolvenz vermeidbar?
  • Und wenn ja, möchte ich sie aufgrund der notwendigen Neu­verschuldung überhaupt vermeiden?
  • Wie gehe ich mit der persönlichen Haftung für Unter­nehmens­kredite um?
  • Kann ich mein Unternehmen aus der Insolvenz „heraus­kaufen“?

Um hier richtige Entscheidungen treffen zu können, sollten Grund­kenntnisse zur Insolvenz und der Arbeit eines Insolvenz­verwalters vorhanden sein. Wir geben Unter­nehmern dieses Basis­werkzeug an die Hand.

Ab wann eine Insolvenzantragspflicht besteht

Die Insolvenz­antrags­pflicht soll das Hinaus­zögern einer Insolvenz, die sogenannte Insolvenz­verschleppung, verhindern. Üblicherweise reduziert ein solches Hinaus­zögern die Insolvenz­masse und schädigt damit die Gläubiger des Unternehmens.

Die Pflicht, einen Insolvenz­antrag zu stellen, obliegt allerdings nicht jedermann. Allein Mitglieder von Vertretungs­organen einer juristischen Person sind hierzu verpflichtet. In besonderen Einzel­fällen können auch Gesellschafter einer GmbH aufgerufen sein, einen Insolvenz­antrag zu stellen. In den häufigsten Fällen haben Geschäfts­führer einer GmbH oder einer GmbH & Co. KG, sofern die geschäfts­führende GmbH die alleinige Komplementärin der Gesellschaft diese Aufgabe zu erledigen. Auch sogenannte faktische Geschäfts­führer sind zur Antrag­stellung verpflichtet. Dies sind Personen, die als Geschäfts­führer im Geschäfts­verkehr auftreten, diese Funktion formal aber nicht innehaben.

Die Insolvenz­antrags­pflicht ist dann gegeben, wenn einer der insgesamt zwei Insolvenz­gründe gegeben ist:

  • einen liegt die sogenannte Insolvenz­reife vor, wenn das Unternehmen bzw. die juristische Person nach § 19 InsO überschuldet ist;
  • zum anderen besteht eine Insolvenz­antrags­pflicht, wenn das Unternehmen zahlungs­unfähig ist.

Verstößt das Vertretungs­organ gegen seine Pflicht einen Insolvenz­antrag bei Gericht einzureichen, so kann dies eine persönliche Haftung und straf­rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Auch kann der Insolvenz­verwalter gewisse Zahlungen anfechten bzw. rück­gängig machen, die im Zeitraum der Insolvenz­reife geleistet werden.

Diese Besonderheiten gelten bis zum 30. September 2020?

Rückwirkend zum 1. März 2020 wurde ein Gesetz verkündet, deren Name bereits seinen Inhalt beschreiben soll. Das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Straf­verfahrens­recht“ sieht für das Insolvenz­recht im Wesentlichen 5 Maßnahmen vor, die die dargestellten Grundsätze zunächst bis zum 30.9.2020 teilweise aussetzt.

Hiernach gilt bis zum 30. September 2020 Folgendes:

  • Die Insolvenz­antrags­pflicht wird unter 2 Voraus­setzungen ausgesetzt: Zum einen muss die Über­schuldung oder Zahlungs­unfähigkeit Folge der Corona-Pandemie sein. Zum anderen sollen Aussichten auf eine Beseitigung des oder der bestehenden Insolvenz­gründe sein.
  • Die Haftung der Geschäfts­führer für Zahlungen der Gesellschaft trotz Insolvenz­reife ist eingeschränkt
  • Die Kredit­gewährung an Unternehmen wird in dieser Zeit nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenz­verschleppung angesehen.
  • Die Möglichkeit von Gläubigern, Insolvenz­antrag gegen das Unternehmen zu stellen, ist eingeschränkt
  • Zahlungen oder Leistungen des Unternehmens an die eigenen Vertrags­partner sind insolvenz­rechtlichen nur in bestimmten Fällen anfechtbar.

Sinn und Zweck dieser Maßnahmen ist, dass dem Unternehmer ausreichend Zeit verschafft wird, um sich um die Sanierung seines Unternehmens bemühen bzw. Förderg­elder zur Rettung beantragen zu können.

Das Unternehmen aus der Insolvenz „herauszukaufen“

Ist die Stellung eines Insolvenz­antrages unvermeidbar, so stellt sich für die Gesellschafter und/oder Geschäfts­führer häufig die Frage, ob die Möglichkeit besteht, dieses Unternehmen dem Insolvenz­verwalter abzukaufen. Die gleiche Frage drängt sich auch auf, wenn ein solcher Insolvenz­antrag zwar vermieden werden könnte. Der Preis hierfür aber eine erhebliche Neu­verschuldung ist, weshalb das Unternehmen erst in vielen Jahren wieder rentabel werden kann.

Die Antwort auf die Frage ist einfach: grund­sätzlich kann ich mein Unternehmen aus der Insolvenz heraus­kaufen, wenn ich aus Sicht des Insolvenz­verwalters das beste Angebot abgegeben habe.

Kaufpreissumme und Konzept zur Fortführung des Unternehmens für Zuschlag zum Angebot entscheidet

Will man wissen, welches Angebot aus Sicht des Insolvenz­verwalters das für ihn beste darstellt, so muss man zunächst die Aufgabe und die Interessen des Insolvenz­verwalters kennen.

Ein Insolvenz­verwalter, der für einen laufenden Betrieb oder ein bestehendes Unternehmen bestellt wird, hat gemäß gesetzlicher Vorgaben grund­sätzlich zwei Interessen zu verfolgen:

  • einerseits soll er für das Vermögen des Unternehmens einen möglichst hohen Kaufpreis erzielen, damit sich am Ende für die Gläubiger eine möglichst hohe Insolvenz­quote ergibt.
  • Auf der anderen Seite steht der Erhalt des Unternehmens und einer möglichst hohen Anzahl an Arbeits­plätzen im Fokus.

Im Rahmen eines Bieter­verfahrens entscheidet damit nicht allein die Höhe der angebotenen Kaufpreis­summe, sondern auch das Konzept zur Fortführung des Unternehmens über den Zuschlag.

Frühzeitig Erstgespräche führen und Wissensvorteile ausnutzen

Besteht Interesse am Kauf des Unternehmens vom Insolvenz­verwalter, so sollte man frühzeitig nach dem Insolvenz­antrag Kontakt zum Insolvenz­verwalter aufnehmen und Erst­gespräche führen.

Rechtzeitig sollte dann auch ein Konzept zur Fortführung des Unternehmens dem Insolvenz­verwalter vorgelegt werden, aus dem unter anderem die Zahl der erhaltenen Arbeits­plätze hervorgeht. Ist die Schieflage des Unternehmens allein auf die Corona-Epidemie zurückzuführen, so sind unter Umständen keine großen Änderungen vorzunehmen, wenn mit einer Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage in diesem Bereich zeitnah zu rechnen ist.

Hinsichtlich des Kaufpreises ist zu beachten, dass ein Insolvenz­verwalter in der Regel nicht unter dem Zerschlagungs­wert eines Unternehmens verkaufen wird. Der Zerschlagungs­wert ist dabei die Geldsumme, die sich bei einem Verkauf der einzelnen Vermögens­gegenstände des Unternehmens rechnerisch ergibt, also dem Einzel­verkauf aller Wirtschafts­güter eines Betriebes.

Hinsichtlich beider Gesichts­punkte kann der Unternehmer seinen Wissens­vorsprung nutzen. Er kennt das Geschäfts­modell, die entscheidenden Mitarbeiter und die einzelnen Vermögensw­erte des Unternehmens. Die Erstellung eines realistischen Geschäfts­modells und die Einschätzung eines realistischen Kaufpreises fällt ihm verglichen mit außen­stehenden Kauf­interessenten damit ungleich leichter.

Diese Chancen bietet ein Insolvenzverfahren

Im Rahmen der Erstellung eines Geschäfts­konzeptes kann der Unternehmer zudem Möglichkeiten der Insolvenz­ordnung nutzen, die ohne ein Insolvenz­verfahren nicht eröffnet wären.

Der Insolvenz­verwalter hat die Möglichkeit sich unter vereinfachten Bedingungen von ungewollten Verträgen zu lösen.

Dies kann zum Beispiel teure oder nutzlose Leasing­verträge betreffen. Gleichermaßen können aber auch einzelne Mitarbeiter unter vereinfachten Bedingungen vom Insolvenz­verwalter gegebenenfalls entlassen werden, wenn diese nicht in das vorgelegte Geschäfts­konzept passen.

Zur persönlichen Haftung für Unternehmenskredite und was zu beachten ist

Insbesondere bei kleineren Unternehmen lassen sich Banken ihre Kredite durch persönliche Sicherheiten des Unter­nehmers absichern. Dieser muss vor der Auszahlung von Darlehen oder der Einräumung von Kredit­linien an das Unternehmen eine persönliche Bürgschaft erbringen und/oder eine Grundschuld an dem eigenen Familien­heim bestellen.

Entscheidet sich der Unternehmer für einen Insolvenz­antrag werden zunächst zwangs­läufig die Unter­nehmens­kredite gekündigt. Zeitgleich droht dem Unternehmer dann u. U. die Zwangs­voll­streckung in sein persönliches Vermögen.

Zudem sollten insolvenz­rechtliche Gegebenheiten berücksichtigt werden. Wurden innerhalb eines Jahres vor Stellung des Insolvenz­antrages seitens des Unternehmens tilgungs­relevante Zahlungen auf diesen Kredit geleistet, so wurde zeitgleich auch die persönliche Haftung des Unter­nehmers verringert. Diesen Umstand berücksichtigt die Insolvenz­ordnung und gibt dem Insolvenz­verwalter unter gewissen Voraus­setzungen ein Anfechtungs­recht gegenüber dem Unternehmer. Als Konsequenz könnte eine Zahlungs­verpflichtung des Unter­nehmers gegenüber dem Insolvenz­verwalter entstehen, die in die Liquiditäts­planungen einzubeziehen ist.

Diese Szenarien sollten unbedingt bedacht werden, bevor man sich für die Stellung eines Insolvenz­antrages entscheidet, obwohl dieser eventuell hätte vermieden werden können. Die persönliche Haftungs­situation sollte zuvor von einem Rechtsanwalt überprüft und hiernach das Gespräch mit dem Insolvenz­verwalter und dem Bank­institut gesucht werden.

Wer in diesen Krisen­zeiten ein klares Konzept in der Hand hat, kann mit starken Argumenten in diese Verhandlungen gehen. Auf diese Weise wird eine Insolvenz eine Sanierung für ein Unternehmen und kann im Endeffekt Arbeits­plätze retten.

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