Zum jetzigen Zeitpunkt sind die wirtschaftlichen Folgen der COVID 19-Pandemie noch nicht in Gänze absehbar. Dass sie gravierend sein werden und fast alle Unternehmer betroffen sind, steht fest. Für angeschlagene Unternehmen verschärft sich die Situation, andere Firmen geraten unverschuldet in Schieflage.
Die vorläufige Aussetzung der Insolvenzantrag bis zum 30. September 2020 gibt dem Unternehmer Zeit, Entscheidungen über den wirtschaftlichen Fortgang zu treffen und umzusetzen.
Es stellen sich Fragen zum Unternehmen und der eigenen Zukunft
- Ist eine Insolvenz vermeidbar?
- Und wenn ja, möchte ich sie aufgrund der notwendigen Neuverschuldung überhaupt vermeiden?
- Wie gehe ich mit der persönlichen Haftung für Unternehmenskredite um?
- Kann ich mein Unternehmen aus der Insolvenz „herauskaufen“?
Um hier richtige Entscheidungen treffen zu können, sollten Grundkenntnisse zur Insolvenz und der Arbeit eines Insolvenzverwalters vorhanden sein. Wir geben Unternehmern dieses Basiswerkzeug an die Hand.
Ab wann eine Insolvenzantragspflicht besteht
Die Insolvenzantragspflicht soll das Hinauszögern einer Insolvenz, die sogenannte Insolvenzverschleppung, verhindern. Üblicherweise reduziert ein solches Hinauszögern die Insolvenzmasse und schädigt damit die Gläubiger des Unternehmens.
Die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, obliegt allerdings nicht jedermann. Allein Mitglieder von Vertretungsorganen einer juristischen Person sind hierzu verpflichtet. In besonderen Einzelfällen können auch Gesellschafter einer GmbH aufgerufen sein, einen Insolvenzantrag zu stellen. In den häufigsten Fällen haben Geschäftsführer einer GmbH oder einer GmbH & Co. KG, sofern die geschäftsführende GmbH die alleinige Komplementärin der Gesellschaft diese Aufgabe zu erledigen. Auch sogenannte faktische Geschäftsführer sind zur Antragstellung verpflichtet. Dies sind Personen, die als Geschäftsführer im Geschäftsverkehr auftreten, diese Funktion formal aber nicht innehaben.
Die Insolvenzantragspflicht ist dann gegeben, wenn einer der insgesamt zwei Insolvenzgründe gegeben ist:
- einen liegt die sogenannte Insolvenzreife vor, wenn das Unternehmen bzw. die juristische Person nach § 19 InsO überschuldet ist;
- zum anderen besteht eine Insolvenzantragspflicht, wenn das Unternehmen zahlungsunfähig ist.
Verstößt das Vertretungsorgan gegen seine Pflicht einen Insolvenzantrag bei Gericht einzureichen, so kann dies eine persönliche Haftung und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Auch kann der Insolvenzverwalter gewisse Zahlungen anfechten bzw. rückgängig machen, die im Zeitraum der Insolvenzreife geleistet werden.
Diese Besonderheiten gelten bis zum 30. September 2020?
Rückwirkend zum 1. März 2020 wurde ein Gesetz verkündet, deren Name bereits seinen Inhalt beschreiben soll. Das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ sieht für das Insolvenzrecht im Wesentlichen 5 Maßnahmen vor, die die dargestellten Grundsätze zunächst bis zum 30.9.2020 teilweise aussetzt.
Hiernach gilt bis zum 30. September 2020 Folgendes:
- Die Insolvenzantragspflicht wird unter 2 Voraussetzungen ausgesetzt: Zum einen muss die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit Folge der Corona-Pandemie sein. Zum anderen sollen Aussichten auf eine Beseitigung des oder der bestehenden Insolvenzgründe sein.
- Die Haftung der Geschäftsführer für Zahlungen der Gesellschaft trotz Insolvenzreife ist eingeschränkt
- Die Kreditgewährung an Unternehmen wird in dieser Zeit nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung angesehen.
- Die Möglichkeit von Gläubigern, Insolvenzantrag gegen das Unternehmen zu stellen, ist eingeschränkt
- Zahlungen oder Leistungen des Unternehmens an die eigenen Vertragspartner sind insolvenzrechtlichen nur in bestimmten Fällen anfechtbar.
Sinn und Zweck dieser Maßnahmen ist, dass dem Unternehmer ausreichend Zeit verschafft wird, um sich um die Sanierung seines Unternehmens bemühen bzw. Fördergelder zur Rettung beantragen zu können.
Das Unternehmen aus der Insolvenz „herauszukaufen“
Ist die Stellung eines Insolvenzantrages unvermeidbar, so stellt sich für die Gesellschafter und/oder Geschäftsführer häufig die Frage, ob die Möglichkeit besteht, dieses Unternehmen dem Insolvenzverwalter abzukaufen. Die gleiche Frage drängt sich auch auf, wenn ein solcher Insolvenzantrag zwar vermieden werden könnte. Der Preis hierfür aber eine erhebliche Neuverschuldung ist, weshalb das Unternehmen erst in vielen Jahren wieder rentabel werden kann.
Die Antwort auf die Frage ist einfach: grundsätzlich kann ich mein Unternehmen aus der Insolvenz herauskaufen, wenn ich aus Sicht des Insolvenzverwalters das beste Angebot abgegeben habe.
Kaufpreissumme und Konzept zur Fortführung des Unternehmens für Zuschlag zum Angebot entscheidet
Will man wissen, welches Angebot aus Sicht des Insolvenzverwalters das für ihn beste darstellt, so muss man zunächst die Aufgabe und die Interessen des Insolvenzverwalters kennen.
Ein Insolvenzverwalter, der für einen laufenden Betrieb oder ein bestehendes Unternehmen bestellt wird, hat gemäß gesetzlicher Vorgaben grundsätzlich zwei Interessen zu verfolgen:
- einerseits soll er für das Vermögen des Unternehmens einen möglichst hohen Kaufpreis erzielen, damit sich am Ende für die Gläubiger eine möglichst hohe Insolvenzquote ergibt.
- Auf der anderen Seite steht der Erhalt des Unternehmens und einer möglichst hohen Anzahl an Arbeitsplätzen im Fokus.
Im Rahmen eines Bieterverfahrens entscheidet damit nicht allein die Höhe der angebotenen Kaufpreissumme, sondern auch das Konzept zur Fortführung des Unternehmens über den Zuschlag.
Frühzeitig Erstgespräche führen und Wissensvorteile ausnutzen
Besteht Interesse am Kauf des Unternehmens vom Insolvenzverwalter, so sollte man frühzeitig nach dem Insolvenzantrag Kontakt zum Insolvenzverwalter aufnehmen und Erstgespräche führen.
Rechtzeitig sollte dann auch ein Konzept zur Fortführung des Unternehmens dem Insolvenzverwalter vorgelegt werden, aus dem unter anderem die Zahl der erhaltenen Arbeitsplätze hervorgeht. Ist die Schieflage des Unternehmens allein auf die Corona-Epidemie zurückzuführen, so sind unter Umständen keine großen Änderungen vorzunehmen, wenn mit einer Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage in diesem Bereich zeitnah zu rechnen ist.
Hinsichtlich des Kaufpreises ist zu beachten, dass ein Insolvenzverwalter in der Regel nicht unter dem Zerschlagungswert eines Unternehmens verkaufen wird. Der Zerschlagungswert ist dabei die Geldsumme, die sich bei einem Verkauf der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens rechnerisch ergibt, also dem Einzelverkauf aller Wirtschaftsgüter eines Betriebes.
Hinsichtlich beider Gesichtspunkte kann der Unternehmer seinen Wissensvorsprung nutzen. Er kennt das Geschäftsmodell, die entscheidenden Mitarbeiter und die einzelnen Vermögenswerte des Unternehmens. Die Erstellung eines realistischen Geschäftsmodells und die Einschätzung eines realistischen Kaufpreises fällt ihm verglichen mit außenstehenden Kaufinteressenten damit ungleich leichter.
Diese Chancen bietet ein Insolvenzverfahren
Im Rahmen der Erstellung eines Geschäftskonzeptes kann der Unternehmer zudem Möglichkeiten der Insolvenzordnung nutzen, die ohne ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet wären.
Der Insolvenzverwalter hat die Möglichkeit sich unter vereinfachten Bedingungen von ungewollten Verträgen zu lösen.
Dies kann zum Beispiel teure oder nutzlose Leasingverträge betreffen. Gleichermaßen können aber auch einzelne Mitarbeiter unter vereinfachten Bedingungen vom Insolvenzverwalter gegebenenfalls entlassen werden, wenn diese nicht in das vorgelegte Geschäftskonzept passen.
Zur persönlichen Haftung für Unternehmenskredite und was zu beachten ist
Insbesondere bei kleineren Unternehmen lassen sich Banken ihre Kredite durch persönliche Sicherheiten des Unternehmers absichern. Dieser muss vor der Auszahlung von Darlehen oder der Einräumung von Kreditlinien an das Unternehmen eine persönliche Bürgschaft erbringen und/oder eine Grundschuld an dem eigenen Familienheim bestellen.
Entscheidet sich der Unternehmer für einen Insolvenzantrag werden zunächst zwangsläufig die Unternehmenskredite gekündigt. Zeitgleich droht dem Unternehmer dann u. U. die Zwangsvollstreckung in sein persönliches Vermögen.
Zudem sollten insolvenzrechtliche Gegebenheiten berücksichtigt werden. Wurden innerhalb eines Jahres vor Stellung des Insolvenzantrages seitens des Unternehmens tilgungsrelevante Zahlungen auf diesen Kredit geleistet, so wurde zeitgleich auch die persönliche Haftung des Unternehmers verringert. Diesen Umstand berücksichtigt die Insolvenzordnung und gibt dem Insolvenzverwalter unter gewissen Voraussetzungen ein Anfechtungsrecht gegenüber dem Unternehmer. Als Konsequenz könnte eine Zahlungsverpflichtung des Unternehmers gegenüber dem Insolvenzverwalter entstehen, die in die Liquiditätsplanungen einzubeziehen ist.
Diese Szenarien sollten unbedingt bedacht werden, bevor man sich für die Stellung eines Insolvenzantrages entscheidet, obwohl dieser eventuell hätte vermieden werden können. Die persönliche Haftungssituation sollte zuvor von einem Rechtsanwalt überprüft und hiernach das Gespräch mit dem Insolvenzverwalter und dem Bankinstitut gesucht werden.
Wer in diesen Krisenzeiten ein klares Konzept in der Hand hat, kann mit starken Argumenten in diese Verhandlungen gehen. Auf diese Weise wird eine Insolvenz eine Sanierung für ein Unternehmen und kann im Endeffekt Arbeitsplätze retten.