Streit um richtige Etikettierung
Was ist das Ursprungland eines Lebensmittels? Mit dieser Frage aus dem Lebensmittelrecht hatte sich kürzlich der BGH zu beschäftigen. Im konkreten Rechtsstreit ging es um die Herkunftsbezeichnung von Kulturchampignons. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale gegen einen niederländischen Pilz-Produzenten. Dieser züchtet in den Niederlanden seine Pilze in sogenannten Kulturkisten und transportiert diese erst kurz vor der Ernte über die deutsche Grenze. Auf den Verpackungen fand sich dann die Bezeichnung „Ursprungsland: Deutschland“.
Die Wettbewerbszentrale hält dies für eine Irreführung der Verbraucher, da wesentliche Produktionsschritte tatsächlich nicht in Deutschland, sondern im EU-Ausland stattfinden würden. Die Verbraucherschützer forderten daher eine künftige Unterlassung der Lebensmittelkennzeichnung.
Eindeutiger Gesetzeswortlaut
In der Vorinstanz hatte das Oberlandesgericht Stuttgart zwar bereits angedeutet, dass durchaus eine Irreführung der Verbraucher vorliegen könnte. Diese sei allerdings unionsrechtlich geboten, so die Argumentation des Gerichtes. Die insoweit klaren europäischen Regelungen zum Lebensmittelrecht sähen nämlich vor, dass bei pflanzlichen Erzeugnissen das Ernteland immer auch als Ursprungsland anzusehen sei (Urteil v. 10.03.2016; Az.: 2 U 63/15).
Der nunmehr mit dem Fall beschäftige BGH hatte aufgrund der Uneindeutigkeit der maßgeblichen europäischen Vorschriften dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Insbesondere wollte der BGH geklärt wissen, ob es auch dann auf den Ort des Erntevorgangs ankommt, wenn wesentliche Produktionsschritte in einem anderen Mitgliedstaat erfolgt sind.
Der EuGH betonte daraufhin, dass das europäische Lebensmittelrecht allein auf den Ernteort abstellt und vorangegangene Produktionsschritte daher unerheblich sind. Es komme daher nicht darauf an, ob das Gemüse erst drei, zwei oder auch nur einen Tag vor der Ernte nach Deutschland verbracht wurde. Solange die Ernte innerhalb Deutschlands erfolge, sei dieses auch als „Ursprungsland“ zu qualifizieren (Urteil v. 04.09.2019; C-686717). Was also zunächst nach Verbraucherirreführung klingt, ist mit dem Unionsrecht vereinbar, so der EuGH.
Verwirrung um tatsächliche Herkunft
Der BGH hat sich nun der Einschätzung des EuGHs angeschlossen. Danach seien die europäischen Vorgaben so auszulegen, dass Ursprungsland stets das Ernteland sei, auch wenn die wesentlichen Schritte der Lebensmittelproduktion im EU-Ausland stattgefunden haben. Im vorliegenden Fall entspreche daher die Etikettierung den europäischen Vorgaben und könne daher auch nicht irreführend für den Verbraucher sein (Urteil v. 16.01.2020, Az.: I ZR 74/16).
Die Frage, die aber auch nach der Entscheidung bleibt, ist, ob der europäische Gesetzgeber beim Erlass der hier maßgeblichen Vorschriften überhaupt eine grenzüberschreitende Produktion von Gemüse und Obst im Blick hatte. Dass durch neue Anbaumethoden Aufzuchts- und Ernteort durchaus auseinanderfallen können, könnte nicht berücksichtigt worden sein. Denn letztlich fällt die Entscheidung zwar klar im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben aus. Der durchschnittliche Verbraucher wird sich aber wohl dennoch über die Entscheidung wundern. Überspritzt könnte die Entscheidung nämlich auch bedeuten, dass künftig Obst- und Gemüse in einem anderen Mitgliedstaat herangezogen, zur Ernte nach Deutschland verbracht und dort als „regionale“ Produkte vermarktet werden. Ob dies im Einklang mit den Interessen der Verbraucher steht ist zu bezweifeln.
Weitere Informationen zum Thema Lebensmittelrecht finden Sie auch unter: https://www.rosepartner.de/lebensmittelrecht.html