Revision hätte bereits allein wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden müssen
Das Bundesverfassungsgericht verwies darauf, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig die Revision nicht zuzulassen, eine unzumutbare Einschränkung des Zugangs der Klägerin zur nächsten Instanz sei. Schon wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und im Sinne einer einheitlichen Rechtsprechung hätte die Revision zugelassen werden müssen, so das Verfassungsgericht.
Oberlandesgericht erklärt Widerruf trotz fehlerhafter Widerrufsbelehrung für unwirksam
Das Oberlandesgericht Schleswig hatte das noch ganz anders gesehen (Az.: 5 U 175/14). Es hatte über die Klage einer Verbraucherin auf Rückzahlung einer geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung zu entscheiden. Diese hatte 2007 bei einer Sparkasse zwei Darlehen zur Immobilienfinanzierung abgeschlossen. Unter Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung hatte sie die Kredite vorzeitig abgelöst, 2013 erklärte sie den Widerruf. Wie schon das Landgericht hat auch das Oberlandesgericht Schleswig erklärt, dass der Widerruf trotz einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung nicht fristgerecht erklärt worden und deshalb unwirksam sei.
Sparkasse kann sich nach Auffassung des Oberlandesgerichts auf Vertrauensschutz berufen
Das Oberlandesgericht erklärte, dass die verwendete Formulierung die Widerrufsfrist „beginne frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung“ fehlerhaft sei, da sie nicht dem vom Gesetzgeber geforderten Deutlichkeitsgebot entspreche. Allerdings könne sich die Sparkasse auf Vertrauensschutz berufen, da sie die vorgesehene Musterbelehrung verwendet habe. Die Verwendung einer Fußnote, sprachliche Anpassungen und weitere unklare Angaben unter dem Punkt „Finanzierte Geschäfte“ stellten für das Oberlandesgericht Schleswig keine inhaltliche Überarbeitung der Musterbelehrung dar. Wäre dies der Fall gewesen, wäre die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden und der Widerruf fristgerecht erfolgt.
Oberlandesgericht lässt Revision nicht zu
Obwohl verschiedene Oberlandesgerichte in den oben genannten Punkten eine inhaltliche Überarbeitung der Musterbelehrung sehen und sich diese Belehrung in etlichen Darlehensverträgen findet, sah das Oberlandesgericht Schleswig in dieser Frage keine grundsätzliche Bedeutung und ließ die Revision nicht zu. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht notwendig.
Nichtzulassung der Revision verletzt Gebot des effektiven Rechtsschutzes
Das Bundesverfassungsgericht kassierte dieses Urteil jedoch und verwies den Fall erneut an das Oberlandesgericht Schleswig. Das Oberlandesgericht habe durch die Nichtzulassung der Revision das Gebot des effektiven Rechtsschutzes verletzt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und im Sinne einer einheitlichen Rechtsprechung hätte es die Revision zulassen müssen.
Rechtliche Einschätzung der Kanzlei Kreutzer, München:
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung die Rechte der Verbraucher beim Darlehenswiderruf gestärkt. Das bedeutet nicht automatisch, dass das Oberlandesgericht Schleswig nun zu einem anderen Urteil kommt aber es muss die Revision zum BGH zulassen. Ebenso wie andere Oberlandesgerichte tendiert der BGH beim Widerruf von Darlehen zu einer verbraucherfreundlichen Rechtsprechung. Erst mit Urteil vom 12. Juli 2016 haben die Karlsruher Richter bei einer vergleichbaren Widerrufsbelehrung aus dem Jahr 2008 entschieden, dass der Widerruf auch Jahre nach Abschluss des Darlehens noch widerrufen werden konnte, weil die Belehrung fehlerhaft war und durch inhaltliche Überarbeitung vom geltenden Muster die Bank sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könne (Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.07.2016, Az. XI ZR 564/15). Verbraucher, dessen Widerruf von der Bank abgelehnt wurde, haben spätestens nach diesem BGH-Urteil noch beste Chancen, ihren Widerruf durchsetzen zu können.