§ 103 StGB stellt die „Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“ unter Strafe. Wie die „normale“ Beleidigung gemäß § 185 StGB, die gegen jedermann möglich ist, dient § 103 StGB dem Schutz der Ehre, wobei hier das kollektive Rechtsgut der Ehre ausländischer Staaten gemeint ist, die wiederum durch die in § 103 StGB genannten Personen repräsentiert werden – u.a. durch ihre Staatspräsidenten. Teilweise wird in § 103 StGB auch eine Strafvorschrift zum Schutz eines Mindestbestands funktionierender Beziehungen zu ausländischen Staaten gesehen.
StGB schützt Ehre hervorgehobener Personen besonders stark
In der derzeitigen Diskussion erscheint § 103 StGB als Relikt der Majestätsbeleidigung aus vergangenen Zeiten. Dabei steht die Vorschrift im geltenden Strafgesetzbuch keineswegs allein, sondern ist eingebettet in mehrere Strafvorschriften zum Schutz der Ehre herausgehobener Personen und Rechtsgüter. In der bereits eingesetzten Diskussion um die Abschaffung des § 103 StGB lohnt es sich deshalb, auch einen Blick auf die Geschwister des § 103 StGB zu werfen.
Ehre des Bundespräsidenten und von Personen des öffentlichen Lebens
So stellt § 90 StGB die Verunglimpfung des Bundespräsidenten unter Strafe. Im Fall der Verunglimpfung entspricht die Strafandrohung derjenigen des § 103 StGB.
§ 188 StGB wiederum stellt die „üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens“ unter Strafe.
§ 103 verschärft Strafrahmen für Beleidigung
Anders als die besonderen Ehrschutzvorschriften der §§ 90 und 188 StGB sieht der im Fall Böhmermann einschlägige § 103 StGB allerdings eine Strafverschärfung im Rahmen einer Beleidigung vor. Wird hingegen der deutsche Bundespräsident beleidigt, so kann dies nur als normale Beleidigung gemäß § 185 StGB bestraft werden.
Bei Wegfall des § 103 StGB ist § 185 StGB einschlägig
Gegenüber § 185 StGB ist § 103 StGB eine Spezialvorschrift. Jede Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts ist zugleich eine Beleidigung gemäß § 185 StGB, der jedoch verdrängt wird, wenn wegen § 103 angeklagt wird. Die bereits erfolgte Strafanzeige Erdogans wegen § 185 StGB kann aber der Absicherung dienen. Sofern nicht wegen § 103 StGB verfolgt werden sollte, kann wiederum ein Strafverfahren wegen § 185 StGB geführt werden. Beide Strafnormen können aber nicht parallel zur Entscheidung gestellt werden.
Strafverschärfung bei Beleidigung von Staatsoberhäuptern
§ 103 StGB verschärft den Strafrahmen der Beleidigung nach § 185 StGB auf bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Die verleumderische Beleidigung sieht noch deutlich strengere Strafen vor, nämlich eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten und höchstens fünf Jahren.
Bundesregierung macht Weg frei für Strafverfahren gegen Böhmermann
Wer Erdogan beleidigt, der beleidigt die Türkei. Nach diesem Muster geht Erdogan schon lange juristisch gegen Kritiker vor. Diesen Weg kann er aufgrund der Ermächtigung der Bundesregierung nunmehr auch in Deutschland gegen Böhmermann beschreiten. Und die Chancen, dass es zu einem Urteil gegen Böhmermann kommt, stehen gar nicht schlecht.
Satire oder schlichte Herabsetzung der Ehre Erdogans?
Denn es lässt sich durchaus die Meinung vertreten, dass es in dem in Rede stehenden Gedicht vorrangig um die Herabwürdigung Erdogans als Person geht. Die Konzentration auf Ziegenfickereien und andere sexuelle Praktiken stehen in keinerlei Bezug mehr zur politischen Tätigkeit Erdogans.
Andererseits soll mit dem Gedicht u.a. die Medienpolitik in der Türkei kritisiert werden. Wertet das Gericht im Fall der Anklageerhebung deshalb das alles als Satire, ist Böhmermann freizusprechen – was allerdings wenig wahrscheinlich erscheint.
Welche Strafe erwartet Böhmermann?
Eine Freiheitsstrafe, die Böhmermann auch antreten müsste, ist allerdings äußerst unwahrscheinlich. Dafür bedarf es für nicht Vorbestrafte in Deutschland schon eines ganz anderen Kriminalitätskalibers. Wahrscheinlich erscheint eine Geldstrafe.
Was wiederum die politische Entscheidung der Kanzlerin in Frage stellt. Denn Erdogan kann seine Ehre genauso gut auf dem Feld des Beleidigungsschutzes verteidigen, wie es der alle Menschen gleichermaßen schützende § 185 bietet. Wenn die Bundesregierung die Spezialvorschrift des § 103 StGB für antiquiert hält, dessen ungeachtet aber gleichzeitig die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt, dann spricht sie mit zwei Zungen und belegt, dass es ihr keineswegs um den Rechtsstaat geht, sondern darum, sich Erdogan anzudienen. § 103 StGB wurde unter Vorbehalt der Ermächtigung der Bundesregierung gestellt, um die Strafverfolgung zu Gunsten diktatorischer Staaten ausschließen zu können. Nun ist die Türkei keine Diktatur. Aber wer Menschenrechte und demokratische Grundsätze so sehr missachtet wie Erdogan, muss auch hart kritisiert werden dürfen - vielleicht auch unter der Gürtellinie.
Überdies kann Erdogan auch zivilrechtlich gegen Böhmermann vorgehen und die Unterlassung der getätigten Äußerungen für die Zukunft verlangen. Verweigert Böhmermann eine entsprechende rechtsverbindliche Unterlassungserklärung, kann Erdogan vor dem zuständigen Zivilgericht klagen. Zudem kann eine Zivilklage auf Zahlung von Schmerzensgeld erhoben werden.