Mit dem sogenannten „Berliner Testament“ setzen sich die Ehepartner gegenseitig zu ihren Erben ein und bestimmen darüber hinaus, dass ein Dritter (in der Regel die Kinder) Erbe des Längerlebenden sein soll. Ehegattentestamente führen häufig zu Erbstreitigkeiten unter Familienangehörigen.
Eingriff in die gesetzliche Erbfolge
Ohne eine letztwillige Verfügung tritt die gesetzliche Erbfolge ein, was in der Regel dazu führt, dass mehrere Personen Erben werden, die dann in einer Erbengemeinschaft miteinander verbunden sind. Durch ein Testament, einen Erbvertrag und auch das Berliner Testament kann die gesetzliche Erbfolge geändert und der Letztversterbende bzw. hinterbliebene Ehegatte/eingetragene Lebenspartner als Erbe eingesetzt werden.
Nach der gesetzlichen Erbfolge werden die Erben nach Ordnungen bestimmt (Erben 1. Ordnung, 2. Ordnung, 3. Ordnung usw.)
- Erben 1. Ordnung sind zum Beispiel die eigenen Kinder und, wenn Kinder verstorben sind, deren Abkömmlinge (Enkelkinder)
- Erben 2. Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Geschwister des Erblassers, Neffen, Nichten)
- Erben der 3. Ordnung sind die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Onkel und Tanten des Erblassers, usw.)
- Erben der 4. Ordnung: Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge
- Erben der 5. Ordnung: Entferntere Voreltern (Ururgroßeltern und deren Abkömmlinge)
Der Ehegatte bzw. der eingetragene Lebenspartner hat eine besondere Erbenstellung. Die Höhe seines Erbrechts richtet sich auch nach dem Güterstand und der Anzahl der Kinder.
Lebten die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft und hatte der Erblasser Kinder, dann erben der Ehegatte und die Kinder (unabhängig davon, wie viele es sind) nach der gesetzlichen Erbfolge je zu ½.
Lebten die Eheleute in der Zugewinngemeinschaft und hatten keine Kinder – und dies wird oft übersehen -, erbt der überlebende Ehegatte neben anderen Verwandten (z.B. Eltern, Geschwistern, Neffen, Nichten) nach der gesetzlichen Erbfolge nicht allein, sondern mit einer Erbquote von 3/4.
Hatten die Eheleute ehevertraglich den Güterstand der Gütertrennung vereinbart, ist die gesetzliche Erbquote des Überlebenden unter anderem abhängig von der Zahl der Kinder (bei nur einem Kind beträgt die Erbquote des Ehegatten ½; 1/3 bei zwei Kindern und 1/4 bei drei oder mehr Kindern).
Lebten die Eheleute im Güterstand der Gütertrennung und hatten keine Kinder (und auch kein Testament), dann erbt nach der gesetzlichen Erbfolge der überlebende Ehegatte zum Beispiel neben Eltern des verstorbenen Ehepartners nur zu ½!
Bei kinderlosen Ehepaaren erbt aufgrund gesetzlicher Erbfolge der überlebende Ehegatte nur dann zu 100 %, wenn weder Verwandte der 1. oder der 2. Ordnung noch Großeltern vorhanden sind.
Ziel des Berliner Testaments
Um diese gesetzliche Erbfolge zu verhindern, kann der Erblasser durch letztwillige Verfügung hiervon abweichend seine oder seinen Erben frei bestimmen (hiervon strikt zu trennen ist die Frage, ob durch eine letztwillige Verfügung Enterbte eventuell Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche haben können).
Häufig bestimmen die Ehegatten neben der Erbeinsetzung des Längerlebenden, auch bereits die Erbfolge für den Tod des Überlebenden, zum Beispiel die gemeinsamen Kinder als Schlusserben. Eine Erbengemeinschaft für den ersten Erbgang zumindest wird so verhindert. Durch diese Erbeinsetzung werden die Kinder für den ersten Erbgang somit enterbt.
Nach deutschem Recht haben Verheiratete/eingetragene Lebenspartner die Möglichkeit gemeinsam ein einziges gemeinschaftliches Testament zu errichten. Zu beachten ist, dass bloßen Lebensgefährten dieser Weg nicht offen steht und ein gleichwohl verfasstes gemeinschaftliches Testament unwirksam wäre!
Gemeinschaftliche Testamente werden entweder notariell beurkundet oder privatschriftlich verfasst. Diese privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testamente werden nur von einem Ehegatten eigenhändig und handschriftlich niedergeschrieben und am Ende des Testaments von beiden jeweils persönlich und unter Angabe von Ort und Datum unterschrieben.
Bindungswirkung der wechselbezüglichen Verfügungen
Haben die Eheleute gemeinsame Kinder und sollen diese die sogenannten Schlusserben sein, müssen die Ehegatten in ihrem Testament festlegen, ob und wenn ja, inwieweit ihre Verfügungen wechselbezüglich und damit bindend verfügt sein sollen. Die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen führt dazu, dass Ehegattentestamente, sofern sie nicht einvernehmlich aufgehoben werden, nicht einfach einseitig widerrufen werden können. Denn ein nur von einem Ehegatten erklärter einseitiger Testamentswiderruf bedarf der notariellen Form und muss dem anderen Ehegatten zu Lebzeiten nachweisbar zugehen (aus Beweisgründen über einen Gerichtsvollzieher).
Nach dem Tod des Erstversterbenden jedoch ist ein solcher Widerruf in der Regel nicht mehr möglich und das Testament nicht mehr abänderbar. Die eigene Testierfreiheit des Überlebenden ließe sich nur wieder erlangen, wenn er die Erbschaft ausschlägt; dann aber um den Preis des Verlustes der Erbschaft. Eine Ausschlagung innerhalb der recht kurzen gesetzlichen Frist von in der Regel 6 Wochen und die hieraus resultierenden Rechtsfolgen müssen daher sehr genau überlegt werden.
Inhalt eines gemeinschaftlichen Testaments
Neben der eindeutigen Erbeinsetzung sollte ein Ehegattentestament auch Folgendes enthalten:
- Ausdrücklichen Widerruf vorangegangener letztwilliger Verfügungen;
- Ersatzerbenbestimmung;
- Pflichtteilsstrafklauseln, um die Kinder von der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen abzuhalten und um der Gefahr zu begegnen, dass ein Kind nach dem ersten Erbfall seinen Pflichtteil erhält und nach dem Tod des Letztversterbenden zusätzlich Miterbe wird (!);
- Evtl. Klauseln für den Fall der Wiederverheiratung;
- Sofern minderjährige Kinder Erben sein können, gegebenenfalls Bestimmungen zur Vermögenssorge durch Dritte, Vormundschaftsregelungen oder die Anordnung einer Testamentsvollstreckung;
- Vermächtnisse.
Berliner Testament und seine Grenzen
- Die Nichtberücksichtigung der Kinder für den ersten Erbfall kann auch steuerliche Nachteile haben, da es unter Umständen gewünscht ist, die erbschaftsteuerlichen Freibeträge der Kinder auszunutzen (zurzeit 400.000 Euro je Kind).
- Eine weitere gegebenenfalls nicht gewünschte erbschaftssteuerliche Folge kann sein, dass beim zweiten Erbfall der Nachlass des Letztversterbenden zu weiteren Erbschaftssteuern für die Kinder führt, da dann die vereinigten Vermögen ihrer Eltern auf sie übergehen. Die steuerlichen Freibeträge der Kinder reichen dann gegebenenfalls nicht aus. Gerade bei hohen Vermögen lässt sich das Ehegattentestament durch durchdachte Vermächtnislösungen und/oder rechtlich einwandfreien Pflichtteilsstrafklauseln steuerlich „entschärfen“.
- Darüber, dass die Kinder, wenn sie gemeinsam als Schlusserben eingesetzt wurden, dann eine Erbengemeinschaft bilden, machen sich die Eltern häufig keine Gedanken. Erbengemeinschaften, insbesondere von Geschwistern, sind jedoch sehr streitanfällig.
- Bei Erbfällen mit Auslandsbezug ist aufgrund der seit 2015 geltenden EU-Erbrechtsverordnung zu beachten, dass nicht mehr das Staatsangehörigkeitserbrecht gilt, sondern dasjenige Erbrecht des Landes zur Anwendung kommt, in welchem der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers bestand. Viele Länder jedoch erkennen das Gemeinschaftliche Testamente jedoch nicht an (zum Beispiel, Italien, Spanien, Frankreich), wodurch Berliner Testamente unwirksam werden. In Fällen mit Auslandsbezug sollte daher dringend über einen notariellen Erbvertrag nachgedacht werden und zumindest eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Heimaterbrechts aufgenommen werden.
- Bei Patchworkfamilien (Geschiedene heiraten neu und bringen jeweils Kinder aus früheren Beziehungen mit) stößt das klassische Berliner Testament an seine Grenzen, da nur die jeweils eigenen Kinder pflichtteilsberechtigt sind. Die Rechtsposition der Kinder ist somit davon abhängig, welcher der Ehegatten zuerst verstirbt.
- Sofern Eltern ein behindertes Kind haben reicht das klassische Berliner Testament nicht aus.
Testamente, die ohne Beratung und Hilfestellung eines Rechtsanwalts für Erbrecht oder eines Notars errichtet wurden, sind oft auslegungsbedürftig, das heißt, die Beteiligten, Rechtsanwälte und Richter streiten darüber, was der wirkliche Wille des/der Testierenden gewesen sein soll. Dass es hierbei zu extrem gegensätzlichen Auffassungen und Ergebnissen kommen kann, liegt auf der Hand.
Ehegattentestamente führen häufig dazu, dass die Beteiligten (Erben, enterbte Kinder, etc.) meinen, dass der Erblasser etwas anderes gewollt hatte oder die Bedeutung seiner Formulierungen schlicht nicht wirklich abschätzen konnte. Eindeutige und klare und vor allem erbrechtlich „saubere“ Formulierungen sind essentiell, wenn man seinen Erben späteren Streit ersparen will.
Weitere Informationen zum Berliner Testament finden Sie hier: www.rosepartner.de/rechtsberatung/erbrecht-nachfolge/berliner-testament.html