Der Bundesgerichtshof hatte erneut über Musterformulare der Kreditbanken zu entscheiden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.02.2016, Az. XI ZR 549/14 und XI ZR 101/15): Verwirrt Multiple-Choice den Kunden? Wie individuell muss das Formular gestaltet sein? Sind die vielfältigen Widerrufsinformationen so gestaltet, dass der Kunde erkennen kann, welche auf ihn zutreffen?
Verbraucherschützer bemängeln Gestaltung
In den zugrunde liegenden Verfahren, in denen es um Pflichtangaben zum Widerrufsrecht in Verbraucherdarlehensverträgen ging, hatten Verbraucherschutzverbände gegen Sparkassen geklagt, die mit Verbrauchern Immobiliendarlehensverträge nach Musterformularen abgeschlossen hatten.
Die Verbraucherschutzverbände bemängelten, dass aus ihrer Sicht die enthaltene Widerrufsinformation nicht deutlich genug hervorgehoben sei.
In einem der Verfahren wurde zudem beanstandet, dass das Formular mit Ankreuzoptionen versehene Belehrungshinweise unabhängig davon enthalte, ob diese für den konkreten Einzelfall eine Rolle spielten. Der Vorwurf: Die Sparkasse lenke durch die Gestaltung ihrer Widerrufsinformation von deren Inhalt ab.
Banken dürfen Musterformulare weiterhin verwenden
Der Bundesgerichtshof wies dies zurück. Nach aktueller Rechtslage seien die Formulare auch mit den Ankreuzoptionen in Ordnung. Nach dem BGH-Urteil gilt: Die Banken dürfen die Formulare weiterhin verwenden, denn die Forderung der Verbraucherschützer nach Unterlassung hatte keinen Erfolg.
Verhindert BGH-Urteil Anwendung des Widerrufsjokers?
Auf den ersten flüchtigen Blick scheint damit für weitere tausende Bankkunden, bei denen die Sparkassen eben dieses Musterformular verwendet hatten, nun die Hoffnung zu schwinden, den nur bis Juni diesen Jahres noch möglichen Widerrufsjoker für den Ausstieg aus Kreditverträgen zu nutzen.
Entscheidung des BGH gilt nicht für Altfälle
Der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Martin Wolters, der die Verhandlung des BGH im Gerichtssaal verfolgte, macht jedoch Hoffnung: „Der Vorsitzende des Bundesgerichtshofs stellte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klar, dass sich die Entscheidung ausschließlich auf die Frage der Unterlassung der Verwendung dieser Formulare und nur auf die aktuelle Rechtslage bezieht. Für Altfälle sagt die Entscheidung daher nichts aus. Wer derzeit mit der Bank um den Widerruf kämpft oder seinen Kredit noch widerrufen möchte, braucht sich diesbezüglich keine Sorgen zu machen. Die Chancen dafür sind weiter gut.“
Widerrufsinformationen sind ausreichend graphisch hervorgehoben
Der BGH folgte der Einschätzung des Oberlandesgerichts Stuttgart, das in beiden Verfahren entschied, dass die angegriffenen Formulargestaltungen den aktuellen Anforderungen genügen und die Widerrufsinformation ausreichend graphisch hervorgehoben sind. Im Verfahren XI ZR 101/15 hat es den dort erhobenen Vorwurf der Verwendung von Ankreuzoptionen in der Widerrufsinformation als unbegründet erachtet. Die einzelnen Belehrungen seien klar und deutlich voneinander getrennt. Für den Verbraucher sei leicht zu erkennen, welche Erklärung sich auf den von ihm abgeschlossenen Vertrag beziehe.
Fazit
Die Schlacht, ob das bundesweit von vielen Sparkassen ab Mitte 2010 verwendete Ankreuzsystem zum Stechen des Widerrufsjokers führt, ist noch nicht geschlagen. Die Sparkassen haben nur einen kleinen Etappensieg erreicht. Ob den Sparkassen daraus ein Schaden in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags entsteht, ist weiter offen. Auch bleibt es dabei, dass von den Verbraucherkreditverträgen, die zwischen November 2002 bis Mitte 2010 geschlossen wurden, über 80 % widerrufbar sind.