Aktuell hat nämlich der Gerätehersteller Leivtec empfohlen, mit seinem Messgerät des Typs “XV3” keine Geschwindigkeitsmessungen mehr durchzuführen.
Was war geschehen?
Sachverständige hatte im Rahmen von Testmessungen nachgewiesen, dass es bei Einsatz des Messgeräts zu erheblichen Abweichungen kam.
Sie baute zwei dieser Geräte versuchsweise nebeneinander auf und maßen dasselbe Fahrzeug gleichzeitig bei der Durchfahrt an beiden Geräten.
Dabei zeigte Messgerät 1 die Geschwindigkeit 125 km/h, das das Messgerät 2 die Geschwindigkeit 141 km/h, d.h., die Messdifferenz betrug 16 km/h!!!
Diese Messunsicherheit mit dem Messgerät Leivtec XV3 besteht trotz bestehender PTB-Bauartzulassung (PTB = Physikalisch-Technische Bundesanstalt) schon seit langer Zeit!
Leivtec und die PTB reagierten erheblich verzögert, nämlich erst Ende letzten Jahres, indem sie die sog. Auswerterichtlinien „verschärften“.
So wollte man sicherstellen, dass Messungen in „besonders fehleranfälligen Situationen“ nicht mehr verwertet würden.
Nun hat sich herausgestellt, dass auch Messungen, nach den strengeren Maßstäben angeblich verwertbar waren, laut der Sachverständigen noch immer zu hohe Messergebnisse ausweisen.
Der Hersteller hat endlich reagiert
Alle Behörden, die dieses Messgerät einsetzen, wurden per E-Mail gebeten, vorerst keine Messungen mehr vorzunehmen - ich zitiere aus dem Text:
„Da zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass es auch bei Beachtung der Regeln der ergänzten Gebrauchsanweisung zu unzulässigen Messwertabweichungen kommen kann, möchten wir sie bitten, von weiteren amtlichen Messungen vorerst Abstand zu nehmen.“
Parallel weist die PTB auf ihrer Website darauf hin, dass sie am 09.03.2021 Kenntnis erlangt habe, dass es zu unzulässigen Messwertabweichungen kommen könne.
Seit Oktober 2020 würde sie diesbezüglich „intensive“ Untersuchen anstellen.
Für mich bedeutet dies, dass man - und ich sage dies in aller Deutlichkeit - seit Oktober 2020 „tief und fest geschlafen hat“.
Man hätte das Messgerät ganz sicher schneller und intensiver überprüfen können - sodann wäre es wohl noch im November 2020 „vom Markt genommen worden“.
Das Leivtec XV3 gelangt bundesweit zum Einsatz - es wird interessant sein, zu erfahren, wie Behörden in laufenden Verfahren auf die Nachricht des Herstellers und der PTB reagieren.
Meines Erachtens müssen Verfahren vor der Bußgeldbehörde von dieser sofort eingestellt werden. Gleiches gilt für bereits gerichtlich anhängige Verfahren.
Wessen Verfahren bereits beendet ist und auf einer Messung mit dem zurückgezogenen Gerät beruht, möge klären lassen, ob (beispielsweise im Falle eines Fahrverbots) eine Wiederaufnahme des Verfahrens in Frage kommt oder ob beispielsweise die Korrektur der Bußgeldentscheidung im Gnadenwege erfolgen kann.
Der erfolgreiche Einsatz dieser Mittel führt nämlich schlussendlich dazu, dass auch bereits im Fahreignungsregister eingetragene Punkte wieder in Wegfall geraten.
Man bedenke, dass im Falle eines Fahrverbots (so es sich nicht um ein Regelfahrverbot für Wiederholungstäter handelt) üblicherweise zwei Punkte im Fahreignungsregister eingetragen werden, deren Tilgung erst nach 5 (!!!) Jahren erfolgt.
BVerfG könnte endgültige Klärung bringen
Zu guter Letzt hoffe ich - wie zuletzt am Ende des Jahres 2020 im Beschluss des BVerfG zum Akteneinsichtsrecht (2 BvR 1616/18) - erneut auf eine Entscheidung dieser höchsten Instanz.
In Karlsruhe befasst sich nämlich im Rahmen einer weiteren Verfassungsbeschwerde (Aktenzeichen 2 BvR 1167/20) aktuell mit der Frage, ob Hersteller die Messdaten zur Verfügung stellen oder nicht. Werden diese z.B. nicht gespeichert müsste dies m.E. zu verfassungsrechtlichen Konsequenzen zugunsten aller betroffenen führen. also ob und gegebenenfalls welche verfassungsrechtlichen Konsequenzen aus einer fehlenden Speicherung von Messdaten bei Geschwindigkeitsmessungen im Bußgeldverfahren folgen.