Der Mann war von einem Hotel im Raum Karlsruhe zur Arbeit auf Abruf angestellt worden. Zunächst arbeitete er zwei Monate lang mehr als die 39 Wochenstunden, die der Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe bei Vollzeit vorsah. Dann wurden seine Einsatzzeiten kürzer. Zudem war er mehrfach krank. Wenige Wochen, bevor das zunächst auf ein Jahr begrenzte und dann um drei Monate verlängerte Arbeitsverhältnis auslief, kündigte der Arbeitnehmer fristlos.
Üppiger Nachschlag: Der Koch will eine Lohnnachzahlung
Etwa zur gleichen Zeit verlangte er schriftlich eine Lohnnachzahlung in der Höhe, als hätte er 48 Stunden pro Woche gearbeitet. Der Hotelbetreiber verweigert die Zahlung. So kam es zum Prozess vor dem Arbeitsgericht.
Arbeitsvertrag über Arbeit auf Abruf als Vollzeit-Vereinbarung?
Der Koch argumentierte, in seinem Arbeitsvertrag sei eine Vollzeitbeschäftigung vereinbart worden, auch wenn dort keine bestimmte Wochenarbeitszeit genannt war. Das Arbeitsgericht Karlsruhe wies die Klage ab. In der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte der Arbeitnehmer dagegen Erfolg.
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt, das schließlich in der Revision über den Nachzahlungsanspruch entscheiden musste, gab erneut dem Arbeitgeber recht und verwarf die Leistungsklage des Kochs. Zur Begründung verwiesen die Erfurter Richter auf den oben genannten Satz aus dem Arbeitsvertrag: beide Seiten hätten damit ausdrücklich eine Festbeschäftigung mit flexiblen Arbeitszeiten festgelegt, keine Vollbeschäftigung. Der Umfang der Arbeitszeit sei vielmehr offengeblieben.
„Ein verständiger Arbeitnehmer“ durfte nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts deshalb von zwei Dingen ausgehen:
- 1. dass sowohl die Lage als auch die Dauer der Arbeitszeiten variabel waren
- 2. dass er teilzeitbeschäftigt war und seine regelmäßige Arbeitszeit keiner Vollzeitbeschäftigung entsprachen
So sei das Arbeitsverhältnis auch gelebt worden. Deshalb sah das Bundesarbeitsgericht keinen Annahmeverzug des Arbeitgebers für Arbeitszeit, die zu einer Wochenarbeitszeit von 48 Stunden fehlte. Damit war der Lohnnachzahlungsanspruch des Kochs vom Tisch.
Auslegung des Arbeitsvertrags statt automatischer Annahme einer Vollzeit-Vereinbarung
Das Landesarbeitsgericht, das dem Koch in der Vorinstanz recht gab, hatte eine vom Bundesarbeitsgericht formulierte Regel angewandt: Demnach besteht im Zweifel Vollarbeitszeit, wenn im Arbeitsvertrag keine Teilzeitvereinbarung vereinbart wurde.
Das BAG hatte die Regel jedoch auf anders gelagerte Fälle bezogen. Im Fall der Leistungsklage des Kochs lehnte es ihre Anwendung ab. Hier führte die Auslegung des Arbeitsvertrags zu der Annahme, dass ein Teilzeit-Arbeitsverhältnis vorlag, auch wenn die Zahl der Arbeitsstunden nicht explizit im Vertragstext auftauchte.
Das Fehlen dieser Angabe war zwar ein Verstoß gegen § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Dort wird klar festgelegt, dass Verträge über Arbeit auf Abruf die wöchentlichen und täglichen Arbeitszeiten enthalten müssen. Trotzdem war der Vertrag nach Ansicht der Richter wirksam. Denn im Gesetz ist vorgesehen, dass bei fehlender Nennung der Mindestarbeitsstunden fiktive Festlegungen gelten: damals zehn (inzwischen zwanzig) Arbeitsstunden pro Woche und drei Arbeitsstunden pro Arbeitstag. Das bedeutet eine wichtige Klarstellung für die Praxis bei Arbeit auf Abruf.
Auf dieser Grundlage verwarf das Bundesarbeitsgericht die Forderung des Kochs, rückwirkend für 39 Wochenarbeitsstunden entlohnt zu werden. Diese Arbeitszeit war im Tarifvertrag nur für Vollzeitkräfte festgelegt. Das war der Kläger aber ausweislich des Arbeitsvertrags nicht: seine Anstellung auf Abruf ergab ein Teilzeit-Arbeitsverhältnis mit einer Mindestarbeitszeit von zehn Wochenstunden.
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