Ende des Widerrufrechtes für Altverträge
Die Durchsetzung des Widerrufsrechtes aus solchen Altverträgen mit fehlerhafter Widerrufsbelehrung ist nur noch unter der Voraussetzung möglich, dass der Darlehensnehmer definitiv bis zum 21. Juni 2016 den Widerruf gegenüber seiner Bank erklärt hatte. Wer den regelmäßig aussichtslosen Versuch unternommen hat, ohne anwaltliche Hilfe in Verhandlungen mit den Banken zu treten und es versäumt hat, ausdrücklich in schriftlicher Form den Widerruf zu erklären und sich stattdessen darauf beschränkt hat, die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung zu monieren, hat sich unwiderruflich seines Widerrufrechtes begeben.
Fortgeltung des Widerrufrechtes für Darlehensverträge ab 11. Juni 2010
Darlehensverträge mit Abschlusszeitpunkt im Zeitraum vom 11. Juni 2010 bis 21. März 2016 werden hingegen von der gesetzlichen Neuregelung nicht erfasst. Für diese Verträge gilt deshalb weiterhin ein im Prinzip „ewiges“ Widerrufsrecht. Betroffene Darlehensnehmer sollten sich freilich mit der Erklärung des Widerrufes nicht noch jahrelang Zeit lassen, insbesondere wenn ihr Darlehensvertrag nur noch eine geringe Restlaufzeit aufweist.
In letzter Zeit sind eine Reihe positiver Urteile zu den jüngeren, nach dem 10. Juni 2010 abgeschlossenen, Darlehensverträgen ergangen. Die Widerrufsbelehrung ist in derartigen Verträgen insbesondere dann fehlerhaft, wenn unter der Überschrift „Widerrufsrecht“ bei der beispielhaften Aufzählung der Pflichtangaben in der Klammer die „Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde“ aufgeführt wird. Diese Angabe rechnet nämlich nicht zum Kreis der gesetzlich definierten Pflichtangaben.
Die nachfolgenden Ausführungen zum aktuellen Stand der Rechtsprechung gelten sowohl für noch laufende Verfahren von Altverträgen, bei denen der Widerruf rechtzeitig erklärt worden ist, als auch für jüngere Darlehensverträge mit Abschlusszeitpunkt ab dem 11. Juni 2010.
Verwirkung bzw. unzulässige Rechtsausübung
Die erwartete Grundsatzentscheidung des BGH zur Frage der Verwirkung bzw. unzulässigen Rechtsausübung ist nun endlich mit zwei Urteilen von 12. Juli 2016 (XI ZR 564/15, XI ZR 501/15) ergangen. Auch wenn die schriftliche Urteilsbegründung erst in einigen Wochen vorliegen wird, lässt sich der Pressemitteilung des BGH entnehmen, dass den Banken mit ihrer flächendeckenden Berufung auf den Eintritt der Verwirkung bzw. die Rechtsfigur der unzulässigen Rechtsausübung im Regelfall zukünftig kein Erfolg mehr vor den Gerichten beschieden sein wird. Die bislang abweichende Rechtsprechung einiger, insbesondere norddeutscher, Oberlandesgerichte dürfte nach dem BGH-Urteil über kurz oder lang ad acta gelegt werden.
Fußnote „Frist im Einzelfall prüfen“
Dasselbe gilt für die bislang umstrittene rechtliche Bewertung der insbesondere von den Sparkassen in ihren Widerrufsbelehrungen verwendeten Fußnote „Bitte Frist im Einzelfall prüfen!“ Zu dieser Frage waren in letzter Zeit zahlreiche Urteile auch von Oberlandesgerichten zu Gunsten der Darlehensnehmer ergangen. Die Gerichte stufen diese Fußnote zunehmend als fehlerhaft ein bzw. versagen im Falle ihrer Benutzung den Banken die Berufung auf die Schutzwirkung der Musterbelehrung.
Der BGH hat sich in der erwähnten Entscheidung vom 12. Juli 2016 (XI ZR 564/15) nunmehr eindeutig dahingehend positioniert, dass die Verwendung dieser Fußnote zum Wegfall der Schutzwirkung der amtlichen Musterbelehrung führt, da die Fußnote als relevante Abweichung von der Vorgabe des Musters anzusehen ist.
(Entsprechendes dürfte gemäß dem BGH auch für andere Fußnoten wie insbesondere den Zusatz „Nicht für Fernabsatzgeschäfte“ gelten.)
Das BGH-Urteil erlaubt es nun auch Darlehensnehmern aus Altfällen im Zuständigkeitsbereich des Schleswig-Holsteinischen OLG, des OLG Hamburg, des OLG Bremen, des OLG Bamberg sowie teilweise des OLG Düsseldorf, die ihren Widerruf fristgerecht erklärt hatten, aber angesichts der bankenfreundlichen Rechtsprechung dieser Gerichte sowohl in der Fußnoten- als auch der Verwirkungsfrage und/oder wegen der finanziellen Risiken einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Sache nicht weiter verfolgt hatten, das Widerrufsverfahren wieder aufzunehmen. Dasselbe gilt für Darlehensnehmer in den Bezirken derjenigen Landgerichte, die bislang den Argumenten der Banken in Sachen Verwirkung/unzulässiger Rechtsausübung gefolgt waren.
Ankreuzoptionsmodell
Hingegen hat der BGH in seiner Entscheidung vom 23. März 2016 das sogenannte Ankreuzoptionsmodell für zulässig erklärt. Zugleich hat der BGH festgestellt, dass es für jüngere Darlehensverträge mit Abschlusszeitpunkt seit 11. Juni 2010 anders als bei Verträgen vor diesem Zeitpunkt nicht erforderlich ist, dass die Widerrufsbelehrung optisch vom übrigen Vertragstext abgesetzt ist. Auf diese rechtlichen Gesichtspunkte also kann fortan ein Widerruf nicht mehr gestützt werden.
Gegenstandswert bei Klagen auf Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufs
Als Gegenstandswert ist gemäß der Entscheidung des BGH vom 12. Januar 2016 (XI ZR 366/15) zum Streitwert in sogenannten Widerrufsfällen die Summe der vom Darlehensnehmer bis zur Erklärung des Widerrufs erbrachten Leistungen auf den Darlehensvertrag (Zins + Tilgung) zugrunde zu legen. Bislang hatten sich die meisten Gerichte an der Restdarlehenshöhe orientiert. Durch die neue Rechtsprechung zum Streitwert ist in der Regel eine Reduzierung des maßgeblichen Gegenstandswertes um ca. 2/3 eingetreten und hat sich damit das Prozesskostenrisiko der Darlehensnehmer erheblich verringert.
Erfahrungsberichte/Verhandlungsstrategien der Banken
Im Falle einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung bestehen nach unseren Erfahrungen erhöhte Chancen, mit anwaltlicher Unterstützung mit folgenden Banken zu einer außergerichtlichen Vereinbarung zu gelangen: PSD Rhein-Neckar-Saar, Sparda-Bank Baden-Württemberg, INGDIBA, Münchener Bank, BB-Bank. Die WL-Bank präsentiert anwaltlich vertretenen Darlehensnehmern zunächst nicht akzeptable Vergleichsangebote, pflegt aber im Laufe der Verhandlungen einzulenken. Andere Banken hingegen wie Deutsche Bank, Commerzbank, DKB und DSL und eine Reihe von Sparkassen (insbesondere die Hamburger Sparkasse) lassen es durchgängig auf einen Prozess ankommen, für den man angesichts der finanziellen Risiken eines Rechtsstreits über eine eintrittspflichtige Rechtsschutzversicherung verfügen sollte. Das gilt seit Neuestem auch für die PSD-Bank Nord. Vor dem Hintergrund der kürzlich ergangenen Urteile des OLG Düsseldorf vom 21. Januar 2016 (I - 6 U 296/14) = BeckRS 2016, 02209) sowie des OLG Hamburg vom 24. Februar bzw. 16. März 2016 (13 U 101/15; 13 U 86/15), die einen Widerruf als unzulässige Rechtsausübung einstufen, wenn dieser dadurch motiviert ist, dass der Darlehensnehmer von der Zinsentwicklung profitieren will, hat die PSD-Bank Nord nunmehr ihre bisherige Linie der außergerichtlichen Verhandlungsbereitschaft aufgegeben. Es wird abzuwarten sein, ob die PSD-Bank Nord nach den jüngsten BGH-Entscheidungen zur Frage der unzulässigen Rechtsausübung/Verwirkung nicht einen erneuten Schwenk vollziehen wird.
INGDIBA bietet als Vergleichsangebot eine Mogelpackung an
Die INGDIBA unterbreitet seit einigen Wochen betroffenen Darlehensnehmern als Vergleichsangebot eine „Mogelpackung“ durch die Kombination eines Zinssatzes von ca. 2,0 p.a. bei 10-jähriger-Zinsbindung.
Anleger sollten auf solche Angebote nicht eingehen und sich anwaltliche Hilfe holen
Auf derartige Angebote, die darauf hinauslaufen, dass die Darlehensnehmer schlechter gestellt werden als bei Abschluss eines Forwarddarlehensvertrages auf Basis des aktuellen Zinsniveaus, sollte man keineswegs eingehen sondern versuchen mit anwaltlicher Hilfe die INGDIBA unter Androhung einer Klage zum Einlenken zu bewegen. Dies ist durchaus erfolgsträchtig, da die von der INGDIBA erteilten Widerrufsbelehrungen durchweg eklatante rechtliche Mängel aufweisen. Auch hier ist damit zu rechnen, dass die INGDIBA vor dem Hintergrund der wegweisenden BGH-Urteile vom 12. Juli 2016 zukünftig im höheren Maße als bereits bislang Vergleichsbereitschaft zeigen wird.