Im Regelfall bestehen aber auch bei einem Erbvertrag noch Möglichkeiten, sich aus einer unliebsam gewordenen Bindung wieder zu lösen, sofern man rechtzeitig aktiv wird.
Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft schlossen Erbvertrag ab
In dem Fall, der der Entscheidung zu Grunde liegt, lebten die späteren Parteien in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen und schlossen miteinander im Jahr 2004 einen Erbvertrag, an dem auch die Tochter der späteren Klägerin beteiligt war. In dem Erbvertrag vermachte die Klägerin dem Beklagten Grundbesitz, die Tochter der Klägerin verzichtete auf ihr Pflichtteilsrecht im Hinblick auf den Berechnungsfaktor bezüglich dieses Grundstücks.
2007 stürzte die Klägerin in ihrem Haus nachts die Treppe hinunter und erlitt erhebliche Verletzungen. Gegen den Beklagten des Zivilrechtsstreits wurde seinerzeit in diesem Zusammenhang ein Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet, aber später gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt.
Anfechtung des Erbvertrags
2013 ließ die Klägerin die Anfechtung des Erbvertrags notariell beurkunden und begründete die von ihr eingereichte Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Erbvertrags damit, dass sie erst im September 2013 erfahren habe, dass der Erbvertrag – entgegen ihrer Annahme – nicht formunwirksam sei, er sei aber ohnehin nichtig, weil er gegen die guten Sitten verstoße.
Klage wurde abgewiesen
Das Landgericht wies die Klage ab, weil wegen Verfristung keine wirksame Anfechtung des Erbvertrages vorliege. Das OLG Koblenz (29.1.2015/26.3.2015 – 3 U 813/14) folgte dem Landgericht. Die einjährige Anfechtungsfrist nach § 2283 Abs. 1 BGB „beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erblasser von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. Der Erblasser muss dabei alle Tatsachen kennen, die erforderlich sind, um die Sachlage beurteilen zu können. Bei Erwartung eines harmonischen Zusammenlebens beginnt die Frist mit der sicheren Überzeugung des Erblassers vom Scheitern dieser Erwartung.“
Nach Auffassung des Gerichts kann man davon ausgehen, dass es zwar in der Beziehung der Parteien bereits seit 2006 kriselt, aber von einem Scheitern kann man gesichert erst mit dem Tag des Treppensturzes in 2007 ausgehen. Die Jahresfrist für die Anfechtung endete in 2008.
Anfechtungsfrist war bereits abgelaufen
Dass die Klägerin angeblich erst in 2013 durch Beratung eines für sie neuen Rechtsanwalts erfahren habe, dass der Erbvertrag entgegen früherer anwaltlicher Beratung in 2008 nicht wegen eines Verstoßes gegen Formvorschriften nichtig sei, sah das Gericht als unerheblich an, weil zum Zeitpunkt der Beratung in 2013 die Anfechtungsfrist längst abgelaufen gewesen sei. Außerdem habe die Klägerin nicht dargelegt, dass der frühere Anwalt in 2008 bei ihr tatsächlich eine Fehlvorstellung im Hinblick auf die Anfechtung ausgelöst habe.
Kein sittenwidriger Charakter des Erbvertrags
Die Klägerin hatte weiterhin eingewandt, dass der Erbvertrag deswegen gegen die guten Sitten verstoße, weil sich daraus ausschließlich eine Begünstigung für den Beklagten ergebe. Auch dieser Rechtsauffassung folgte das Gericht nicht.
Der Wirksamkeit des Erbvertrags steht nach dem Urteil „nicht entgegen, dass er ausschließlich eine Partei bzw. deren Rechtsnachfolger begünstigt. Daraus lässt sich ein sittenwidriger Charakter des Erbvertrags nicht ableiten. Denn der Erbvertrag verlangt keine gegenseitigen bzw. wechselseitigen Verfügungen. Es wird allenthalben zwischen einseitigen, zweiseitigen und mehrseitigen oder gegenseitigen Erbverträgen unterschieden. Für die rechtliche Einordnung als Erbvertrag reicht es daher aus, dass zumindest ein Vertragsteil mit erbrechtlicher Bindungswirkung einen oder mehrere Erben einsetzt oder Vermächtnisse oder Auflagen anordnet.“
Anwalt-Tipp:
Aus der Sicht des rechtlichen Beraters kann man nicht oft genug darauf hinweisen:
„Wer zu spät kommt, den bestraft…“
im Gerichtssaal die gesetzliche Fristen- oder Verjährungsregelung. Der gutmütige Mensch, der immer noch einmal zuwartet, dem Partner immer nochmal eine Gelegenheit gibt, sich zu bessern und umzukehren, läuft Gefahr, Rechtsnachteile zu erleiden. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, ist sicherlich eine richtige Wahrheit – oft ist deswegen leider die Möglichkeit, die eigene Position durch geeignete rechtliche Schritte durchzusetzen, durch gesetzliche Fristenregelungen schon lange vorher verblichen.
Betroffene sollten sich rechtzeitig anwaltlich beraten lassen
In jeder kritischen Situation, insbesondere aber dann, wenn es wie hier um erhebliche Vermögenswerte geht, ist der betroffene Mensch gut beraten, rechtzeitig fachanwaltlichen Rat einzuholen, und sei es auch nur, um die eigene Rechtsposition richtig einschätzen zu können. Die Fragestellung in dieser ersten Beratung kann auch primär darauf gerichtet sein, bis wann welche Maßnahmen durchgeführt sein müssen und wann sie wegen Fristablaufs nicht mehr aussichtsreich sind.
Das bedeutet natürlich nicht, dass die Maßnahme sofort (oder überhaupt) ergriffen werden muss, führt aber zumindest zu entsprechender Klarheit und verhindert so spätere kostspielige Enttäuschungen.