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Arbeitsrecht | 19.04.2017

Betrieb­liche Übung

Achtung Betrieb­liche Übung! - Kostenfalle für Arbeitgeber

Aus freiwilligen Leistungen des Arbeit­gebers können schnell einforderbare Ansprüche werden - als so genannte „betriebliche Übung“

Fachbeitrag von Rechtsanwalt Dr. Peter Meides

In einer Großb­äckerei ist es üblich, dass zum Jahresende alle Mitarbeiter einschließlich der Ruheständler einen Weihnachts­stollen bekommen.

Im letzten Jahr wurde ein Mitarbeiter versehentlich vergessen. Daraufhin ließ der den Geschäfts­führer wissen, er habe einen Anspruch auf seinen Stollen. Und nun fragt der Arbeitgeber: Kann das sein? Davon steht schließlich nichts im Arbeits­vertrag. Es gibt auch keine Betriebs­vereinbarung dazu.

Doch die Antwort lautet: Ja, das ist möglich. Der Stollen ist inzwischen wohl zur betrieblichen Übung geworden – und damit zur Pflicht des Arbeit­gebers. Das Gleiche kann auch mit anderen vermeintlich freiwilligen Leistungen passieren, deren Wert weit über einen Stollen hinausgeht. Arbeitgeber sollten sich vorsehen.

Was kann alles zur betrieblichen Übung werden?

Sehr vieles – im Prinzip alles, was im Arbeits­vertrag stehen könnte, aber nicht drinsteht.

Beispiele für mögliche Betrieb­liche Übungen:

  • manche freiwilligen Zahlungen, etwa Fahrtkosten­zuschüsse oder Essensgeld
  • übernommene Fort­bildungs­kosten
  • Trennungs­geld beim Einsatz fern vom Wohnort
  • Mitarbeiter­rabatte
  • Geld­geschenke zu runden Geburts­tagen oder zur Hochzeit
  • Urlaub bei der Geburt eines Kindes
  • die jahrelange freiwillige (!) Übernahme von Regelungen aus einem Tarif­vertrag

Betriebliche Übung: Was Arbeitsrechtler darunter verstehen

Um eine Betrieb­liche Übung handelt es sich bei bestimmten Verhaltens­weisen des Arbeit­gebers, die sich regelmäßig wiederholen.

Der Arbeit­nehmer darf aufgrund dessen darauf vertrauen, dass diese auch in Zukunft wiederholt werden „Betrieb­liche Übung“.

Das Bundes­arbeits­gericht (BAG) hält die Betrieb­liche Übung für ein Angebot des Arbeit­gebers an seinen Arbeit­nehmer, das dieser stillschweigend annimmt. Und deshalb wird der Arbeits­vertrag um diesen Punkt ergänzt, ohne dass weitere Ausführungen nötig wären.

Wie entsteht eine Betriebliche Übung?

Nur dann, wenn dazu nichts vertraglich geregelt ist, weder in einem Arbeits- oder Tarif­vertrag noch in einer Betriebs­vereinbarung. Sonst gilt grund­sätzlich, was dort steht.

Die Vergünstigung muss regelmäßig und gleichförmig wiederholt werden. Wenn die Großb­äckerei in einem Jahr einen Stollen überreicht, im nächsten Jahr nichts und im dritten einen Gutschein, dann ist das wohl keine Betrieb­liche Übung. Letztlich kommt es aber auf den Einzelfall an, d. h. auf die Art, die Dauer und die Intensität der Leistung. Allgemein­verbindliche Regelungen, ab wie viel Wiederholungen eine Betrieb­liche Übung entsteht, gibt es nicht wirklich.

Aber Achtung: Jedenfalls für freiwillige jährliche Sonder­zahlungen wie Weihnachts­geld oder Urlaubsgeld reichen drei aufeinanderfolgende Zahlungen, wenn diese vorbehaltlos geleistet werden.

Außerdem muss der überwiegende Teil der Belegschaft oder ein klar abgrenzbarer Teil profitieren, nicht nur ein einzelner Arbeit­nehmer. Wenn nur Frau Müller jährlich zum Tag der Umwelt freibekommt, weil ihre Aktions­gruppe da im Wald Müll sammelt, kann der Rest der Belegschaft keine Freizeit einfordern.

Wie lässt sich das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern?

Das ist für Arbeitgeber natürlich die entscheidende Frage. Vielleicht will der Chef ja den Mitarbeitern an Rosenmontag frei geben – ohne Verpflichtung auf alle Ewigkeit.

Das geht. Eine Betrieb­liche Übung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn …

die Leistung oder Vergünstigung ausdrücklich freiwillig erfolgt, ohne Anerkennung einer Rechts­pflicht,

oder [nicht „und“!] sich der Arbeitgeber einen Widerruf vorbehält,

oder eine freiwillig geleistete Sonder­zahlung jedes Jahr in unterschiedlicher Höhe gewährt wird.

Auch hier gilt jedoch: Der Einzelfall entscheidet. Das Bundes­arbeits­gericht (BAG, Urt. v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14) hat auch schon bei Son­der­zah­lun­gen in schwan­ken­der Höhe und mit un­ter­schied­li­cher Be­rech­nungs­grund­la­ge im Prin­zip ei­nen An­spruch bejaht.

Von vornherein verhindern lässt sich die Betrieb­liche Übung durch eine sogenannte doppelte Schriftform­klausel: Dann steht im Arbeits­vertrag, dass jede Änderung in Schriftform erfolgen muss. (Und diese Klausel selbst kann auch nur schriftlich geändert werden). Neue Rechtsprechung stellt aber auch diese Vorgehensweise in Frage.

Wie lässt sich eine Betriebliche Übung beenden?

Ist die Betrieb­liche Übung erst einmal entstanden, kann sie der Arbeitgeber nicht mehr einseitig zurück­nehmen. Er kann nur noch

  • einen Aufhebungs­vertrag mit den betroffenen Arbeit­nehmern schließen oder
  • eine (sozial gerecht­fertigte) Änderungs­kündigung auszusprechen.

Durch eine Betriebs­vereinbarung kann man die Betrieb­liche Übung nicht loswerden. Jeder einzelne, begünstigte Mitarbeiter muss zustimmen, sonst stehen die Chancen für den Arbeitgeber schlecht.

Fragen zur betrieblichen Übung?

Gibt es in Ihrem Unternehmen Gepflogenheiten, die womöglich eine Betrieb­liche Übung darstellen? Dann klären Sie das am besten, bevor Mitarbeiter Sie dazu zwingen. Als Fach­anwälte für Arbeits­recht wissen wir genau, wie man eine Betrieb­liche Übung in der Praxis verhindert oder wieder loswird. Sie erreichen unsere Kanzlei unter 069-95929790 sowie unter ffm@meides.de.

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