Im Streitfall war der 57-jährige Kläger immer wieder arbeitsunfähig erkrankt, 2018 an insgesamt 75 Tagen. Laut ärztlichem Attest durfte er keine Gegenstände mit mehr als zehn Kilogramm Gewicht heben, tragen oder ohne Hilfsmittel bewegen.
Abmahnung wegen Nichtwahrnehmung zweier Termine zur amtsärztlichen Untersuchung
Der Arbeitgeber hatte daraufhin Zweifel, ob der Schreiner überhaupt noch seine Arbeit nachkommen kann. Anfang 2019 verpflichtete er den Mann daher, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen. Dies sieht der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) auch so vor. Als der Schreiner den ersten Untersuchungstermin verschob und auch den zweiten Termin wegen einer am selben Tag erlittenen arbeitsunfähigen Erkrankung nicht wahrnahm, erteilte der Arbeitgeber ihm eine Abmahnung.
Schreiner verlangte Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte
Der Beschäftigte verlangte die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Er sei schließlich wegen seiner Erkrankung an der Wahrnehmung des Untersuchungstermins gehindert gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) dürfe ein Arbeitgeber in bestehender Arbeitsunfähigkeit Weisungen – hier zur amtsärztlichen Untersuchung – nur aus „dringenden betrieblichen Anlässen“ erteilen. Wäre er zu dem Untersuchungstermin gegangen, hätte eine „latente Gefahr der Beeinträchtigung des Genesungsprozesses“ gedroht. Der Termin sei schließlich mit einer psychischen und nervlichen Belastung verbunden gewesen.
Gerichte geben dem Arbeitgeber Recht
Doch sowohl das Arbeitsgericht als auch das LAG lehnten die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte ab. Zwar habe das BAG am 02.11.2016 geurteilt, dass krankgeschriebene Arbeitnehmer in aller Regel nicht zur Teilnahme an einem Personalgespräch in ihrem Betrieb angewiesen werden dürfen (AZ: 10 AZR 596/15).
LAG: Für eine medizinische Untersuchung muss man nicht arbeitsfähig sein
Hier habe es aber für die amtsärztliche Untersuchung einen „wichtigen Grund“ gegeben, so das LAG in seinem Urteil vom 19.05.2020. Der Beschäftigte müsse für die Teilnahme an der amtsärztlichen Untersuchung nicht arbeitsfähig sein. Denn die nach den tariflichen Bestimmungen mögliche Untersuchung diene ja gerade dem Zweck, zu prüfen, ob der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeit überhaupt noch erbringen kann. Mit der Untersuchung könne auch nicht bis zur Genesung gewartet werden. Schließlich müsse der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht die Möglichkeit erhalten, rechtzeitig Maßnahmen für einen leidensgerechten Arbeitsplatz ergreifen zu können.
Vorliegen besondere Umstände nicht ausreichend dargelegt
Besondere Umstände, warum der Kläger nicht an dem Untersuchungstermin teilnehmen konnte – etwa wegen einer ansteckenden Krankheit, seien nicht dargelegt worden. Es gebe auch keinen allgemeinen Erfahrungssatz, „dass der Besuch eines Amtsarztes ohne besondere Umstände Nerven und Gemüt eines Patienten so belastet, dass allein mit dem eine Beeinträchtigung des Heilungsverlaufs verbunden wäre“, heißt es in dem Urteil.