Bausparkassen kündigen hochverzinste Bausparverträge
Hintergrund ist, dass die Bausparkassen derzeit versuchen, sich von vergleichsweise hoch verzinsten Bausparverträgen zu trennen und zuteilungsreife aber nicht voll angesparte Bausparverträge kündigt. Dabei berufen sich die Bausparkassen in der Regel auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Demnach können Darlehensnehmer Verträge nach Ablauf von zehn Jahren nach vollständigem Empfang des Darlehens kündigen. „Ob sich Bausparkassen auf diese Regelung berufen können, ist rechtlich mehr als umstritten. Auch wenn Bausparkassen in der ersten Vertragsphase in der Rolle des Darlehensnehmers sind, soll der Paragraf 489 die Verbraucher schützen und nicht gewerbliche Kreditinstitute“, erklärt Rechtsanwalt Marcel Seifert, BRÜLLMANN Rechtsanwälte. In diesem Sinne hat sich das OLG Stuttgart nun auch zweimal auf die Seiten der Verbraucher gestellt.
1. Urteil:
In dem Fall hatte eine Verbraucherin bei der Wüstenrot Bausparkasse 1978 einen Bausparvertrag über umgerechnet rund 20.500 Euro abgeschlossen. Im Jahr 1993 wurde der Bausparvertrag zuteilungsreif; die Bausparerin nahm das Darlehen allerdings nicht in Anspruch. Außerdem stellte sie auch die Zahlung ihrer Raten ein. Als die Bausparkasse den Vertrag 2015 kündigte, war die Bausparsumme noch nicht voll angespart. Das OLG Stuttgart entschied, dass die Kündigung unberechtigt war. Die Bausparkasse könne sich nicht auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berufen. Nach den allgemeinen Bausparbedingungen sei der Bausparer verpflichtet, bis zur erstmaligen Auszahlung der Bausparsumme regelmäßig Sparbeiträge zu leisten. Bis dahin habe die Bausparkasse das Bausparguthaben noch nicht empfangen. „Da die Frau keine Beiträge mehr gezahlt hat, habe der Vertrag praktisch geruht und die Bausparkasse habe dies geduldet, stellte das OLG fest. Dabei hätte sie die Möglichkeit gehabt, von ihrem vertraglichen Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Da dies nicht geschehen ist, könne sie sich später nicht auf eine gesetzliche Regelung berufen“, erklärt Rechtsanwalt Seifert.
2. Urteil:
Eine Bausparerin hatte 1999 zwei Bausparverträge über insgesamt 200.000 DM abgeschlossen, die im Jahr 2001 zuteilungsreif wurden. Die Verbraucherin nahm das Bauspardarlehen jedoch nicht in Anspruch. Im Januar 2015 flatterte ihr die Kündigung der Bausparkasse ins Haus. Zu diesem Zeitpunkt waren die Bausparverträge zu 75 Prozent angespart. In diesem Fall war die Bausparerin allerdings nur bis zum Erreichen eines Mindestsparguthabens von 50 Prozent der Bausparsumme zur Ansparung verpflichtet. Das OLG Stuttgart hielt die Kündigung auch in diesem Fall für unberechtigt. Die Bausparkasse könne sich nicht auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berufen. Das Gesetz bezwecke den Schutz von Darlehensnehmern, die dem Zinsbestimmungsrecht der Darlehensgeber ausgesetzt seien. Bausparkassen seien in der Ansparphase nicht schutzbedürftig, da sie selbst die Zinssätze und Laufzeiten der Verträge bestimmen könnten. Daher hätten sie eine unerwünscht lange Laufzeit ausschließen können. Das daher freiwillig übernommene Zinsrisiko könne nicht unter Berufung auf gesetzliche Kündigungsvorschriften auf die Bausparer abgewälzt werden, so das OLG.
Kündigungen sollten nicht hingenommen werden
„Interessant ist auch noch, dass in einem weiteren Fall eine Bausparkasse ihre Revision vor dem OLG Stuttgart zurückgezogen und sich mit dem Verbraucher geeinigt hat. Auch dies ist ein Beleg dafür, dass die Rechtsprechung in Richtung Verbraucher kippt. Die Kündigungen der Bausparverträge müssen also keineswegs einfach hingenommen werden“, so Rechtsanwalt Seifert.
Für endgültige Klarheit wird aber wohl erst der Bundesgerichtshof sorgen. Das OLG Stuttgart ließ in beiden Fällen die Revision zu.
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